Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.neue tödtliche Gefahren drohen: der grimmige Haß der Zerschlagenen, der Ueber- Nein, was uns Alle mit den Ungarn befreundet, Viele von uns zu enthusia¬ Jedesmal, so oft ein ganzes Volk mit Einigkeit und Ausdauer für eine Ungarn ist besiegt, so weit man aus der Ferne seinen Kampf beurtheile" kann. neue tödtliche Gefahren drohen: der grimmige Haß der Zerschlagenen, der Ueber- Nein, was uns Alle mit den Ungarn befreundet, Viele von uns zu enthusia¬ Jedesmal, so oft ein ganzes Volk mit Einigkeit und Ausdauer für eine Ungarn ist besiegt, so weit man aus der Ferne seinen Kampf beurtheile» kann. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279382"/> <p xml:id="ID_1184" prev="#ID_1183"> neue tödtliche Gefahren drohen: der grimmige Haß der Zerschlagenen, der Ueber-<lb/> muth der slavischen Bundesgenossen, die Despotie der Prätvrianer. Wir haben<lb/> uns mit der Hoffnung geschmeichelt, daß Oestreich die russische Hilfe als unzu¬<lb/> reichend und lästig erkennen und in dem Kriege selbst Veranlassung finden werde,<lb/> eine Versöhnung mit Ungarn auf friedlichem Wege zu suchen. Es ist nicht so<lb/> gekommen, Paskewitsch hat die Maschen des Netzes so gut gehalten, in denen das<lb/> ungarische Wild gefangen ist, daß Rußland einen Anspruch auf jede Art von<lb/> Dankbarkeit gewonnen hat. Das ist sehr schlimm, für Oestreich und Deutschland<lb/> ein großes Unglück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1185"> Nein, was uns Alle mit den Ungarn befreundet, Viele von uns zu enthusia¬<lb/> stischen Verehrern ihrer Sache gemacht hat, war etwas ganz Anderes. Die that¬<lb/> kräftige Begeisterung einer ganzen Nation, welche mit Anspannung aller Kräfte<lb/> ein politisches Ideal zu realistren sucht, hat unsere Sympathie erzwungen; denn<lb/> sie verursacht die größten und imponirendsten Aeußerungen des Volkslebens, deren<lb/> das Menschengeschlecht fähig ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1186"> Jedesmal, so oft ein ganzes Volk mit Einigkeit und Ausdauer für eine<lb/> Idee kämpft und stirbt, so oft der Einzelne, auch der Kleine, der Schwache er¬<lb/> füllt und geadelt wird durch den politischen Idealismus seines Stammes, empfin¬<lb/> den wir freudig und gerührt aus allem Blutvergießen und allen Sünden einer<lb/> solchen Zeit die Majestät und Schönheit der Menschennatur und vermögen die<lb/> höchste Individualität dieser Erde, die Persönlichkeit einer Nation, als ein ge¬<lb/> schlossenes, imponirendes Ganze zu empfinden und zu bewundern. So oft ein ganzes<lb/> Volk sein Leben daran setzt, um seine Ideale lebendig zu machen, geht durch das<lb/> ganze Menschengeschlecht ein Zucker der Frende und Bewunderung und in der Ge¬<lb/> schichte werden solche Kämpfe zu glänzenden Episoden, auf welchen das Ange späterer<lb/> Geschlechter mit Ehrfurcht und Andacht ruht, wie der Blick eines wilden Häupt¬<lb/> lings auf der Stätte, wo einst Männerblut geflossen ist. — Ju der Schweiz, den<lb/> Niederlanden, in Tyrol und jetzt in Ungarn ist eine solche Geschichte aus dem Boden<lb/> des Landes gewachsen, und merkwürdig, alle vier sind Grenzländer des alten oder<lb/> neuen Oestreichs! dreimal haben Oestreich und die Habsburger gegen die Freiheit der<lb/> Völker gekämpft, zweimal haben sie das Spiel verloren; einmal hat die enthusiastische<lb/> Treue eines ehrlichen Volkes sür sie Blut vergossen, auch damals haben sie ver¬<lb/> loren. Und jetzt gewinnen sie in einem solchen Kampf, gerade jetzt, wo Alles, was<lb/> sie ihr Eigenthum nennen, in gefährliches Schwanken gekommen ist, jetzt, wo ihre<lb/> eigene Noth am größten war. Es ist aber das erste Mal, daß sie ihre Seele<lb/> einen Dämon verschrieben, um Glück zu haben auf der Erde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1187" next="#ID_1188"> Ungarn ist besiegt, so weit man aus der Ferne seinen Kampf beurtheile» kann.<lb/> Oestreich aber hat durch diesen Sieg eine große Pflicht übernommen, die Pflicht,<lb/> der ungarischen Nation an die Stelle seiner zertrümmerten Nationalität ein höheres</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0356]
neue tödtliche Gefahren drohen: der grimmige Haß der Zerschlagenen, der Ueber-
muth der slavischen Bundesgenossen, die Despotie der Prätvrianer. Wir haben
uns mit der Hoffnung geschmeichelt, daß Oestreich die russische Hilfe als unzu¬
reichend und lästig erkennen und in dem Kriege selbst Veranlassung finden werde,
eine Versöhnung mit Ungarn auf friedlichem Wege zu suchen. Es ist nicht so
gekommen, Paskewitsch hat die Maschen des Netzes so gut gehalten, in denen das
ungarische Wild gefangen ist, daß Rußland einen Anspruch auf jede Art von
Dankbarkeit gewonnen hat. Das ist sehr schlimm, für Oestreich und Deutschland
ein großes Unglück.
Nein, was uns Alle mit den Ungarn befreundet, Viele von uns zu enthusia¬
stischen Verehrern ihrer Sache gemacht hat, war etwas ganz Anderes. Die that¬
kräftige Begeisterung einer ganzen Nation, welche mit Anspannung aller Kräfte
ein politisches Ideal zu realistren sucht, hat unsere Sympathie erzwungen; denn
sie verursacht die größten und imponirendsten Aeußerungen des Volkslebens, deren
das Menschengeschlecht fähig ist.
Jedesmal, so oft ein ganzes Volk mit Einigkeit und Ausdauer für eine
Idee kämpft und stirbt, so oft der Einzelne, auch der Kleine, der Schwache er¬
füllt und geadelt wird durch den politischen Idealismus seines Stammes, empfin¬
den wir freudig und gerührt aus allem Blutvergießen und allen Sünden einer
solchen Zeit die Majestät und Schönheit der Menschennatur und vermögen die
höchste Individualität dieser Erde, die Persönlichkeit einer Nation, als ein ge¬
schlossenes, imponirendes Ganze zu empfinden und zu bewundern. So oft ein ganzes
Volk sein Leben daran setzt, um seine Ideale lebendig zu machen, geht durch das
ganze Menschengeschlecht ein Zucker der Frende und Bewunderung und in der Ge¬
schichte werden solche Kämpfe zu glänzenden Episoden, auf welchen das Ange späterer
Geschlechter mit Ehrfurcht und Andacht ruht, wie der Blick eines wilden Häupt¬
lings auf der Stätte, wo einst Männerblut geflossen ist. — Ju der Schweiz, den
Niederlanden, in Tyrol und jetzt in Ungarn ist eine solche Geschichte aus dem Boden
des Landes gewachsen, und merkwürdig, alle vier sind Grenzländer des alten oder
neuen Oestreichs! dreimal haben Oestreich und die Habsburger gegen die Freiheit der
Völker gekämpft, zweimal haben sie das Spiel verloren; einmal hat die enthusiastische
Treue eines ehrlichen Volkes sür sie Blut vergossen, auch damals haben sie ver¬
loren. Und jetzt gewinnen sie in einem solchen Kampf, gerade jetzt, wo Alles, was
sie ihr Eigenthum nennen, in gefährliches Schwanken gekommen ist, jetzt, wo ihre
eigene Noth am größten war. Es ist aber das erste Mal, daß sie ihre Seele
einen Dämon verschrieben, um Glück zu haben auf der Erde.
Ungarn ist besiegt, so weit man aus der Ferne seinen Kampf beurtheile» kann.
Oestreich aber hat durch diesen Sieg eine große Pflicht übernommen, die Pflicht,
der ungarischen Nation an die Stelle seiner zertrümmerten Nationalität ein höheres
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