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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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einen gefälligen Eindruck. Bei der Frohnlcichnamsprocession ging er steif hinter
dem Baldachin, die Kerze in der Hand genirte ihn, und nur unbewußt streiften
die Blicke in die Höhe zu den Frauen besetzten Fenstern. Bei Audienzen ist er
verlegen, die Zunge stockt, die Hand sucht bald dort bald da eine Beschäftigung.
Im Theater reichen die verschlungenen Finger über die Brüstung der Loge, der
Oberkörper lehnt sich auf die gestützten Ellenbogen. Nur selten gebraucht er den
Operngucker, während der jüngere Bruder das Lorgnon kaum von, Auge rückt.
Er nimmt lebhast Interesse am Schauspiel, und conversirt fleißig darüber mit der
danebensitzenden Mutter.

Sollte dieser Jüngling schon ein so verkrustet und versteinert Herz haben, daß
er Gnade verweigert? Man hoffte, daß das Geburtsfest zur Verkündigung einer
Amnestie werde benutzt werden; allein offiziell widersprach man diesem Gerüchte,
"es entbehre jeder Begründung." Nein, und wenn Franz Joseph wirklich den Fer¬
dinanden gleichen sollte, so hat doch diese Strenge ihren Grund mehr in Mißtraun ge¬
gen sein eigenes Gefühl als in kalter Berechnung. Das Ministerium, und vor Allen
Schwarzenberg machen den jugendlichen Kaiser glauben, er dürfe dem Henker nicht in
den Arm fallen, und der soldatisch erzogene Prinz fügt sich dem Rathe der Fürsten.
Das Volk von Oestreich, welche Zunge es auch spricht, steht fremd und ferne dem
Kaiser, der zur Befestigung seines Thrones so viel aufbietet, aber dem Reiche
keine andere Gewähr für eine constitutionelle Entwicklung bietet, als seinen Wil¬
len, während die Minister daneben die Zusagen seines Vorgängers, und die be-
schworenen Verträge mit Ungarn brechen.

Selbst die Minister sind bereits durch eine andere Adelsfraction überflügelt,
denn ihr Rath wird erst genehmigt, wenn daS Cabinet des Kaisers es billigt!!
Der Kaiser hat ein eigenes Cabinet, nnter dem Anschein, die militärischen Ange¬
legenheiten zu leiten; allein wir erinnern uns der traurigen Zeiten, wo General¬
adjutanten die Negierung führten! Sollten diese wiederkehren? -- Die Minister
wenigstens rühmen sich, daß nur ihre Kraft ein solches Regiment verhindere, wel¬
ches sicher nach ihnen käme.

Der Stern Habsburgs beleuchtet auch diesen Kaiser, dem zum Angebinde
der Friede Mit Sardinien und die Bezwingung der ungarischen Erhebung, da
Görgey unbegreiflicherweise mit 30,000 Mann bei Arad die Waffen streckte, dar¬
gebracht wird. Der Courier muß nach Ischl eilen, wohin der Monarch fuhr, um
den Geburtstag nicht in der Residenz, sondern bei seinen Eltern und Onkeln zu¬
zubringen. Die Angabe wegen eines Eheprojectes ist voreilig. Man denkt noch
nicht an ein Hauswesen, sondern mehr an gute Cigarren, die der Kaiser gerne
raucht.

Nach dem Berichteten resumiren wir, daß die Macht Oestreichs unter diesem
Kaiser eher wachsen als abnehmen wird, den Völkern werden Rechte und Freihei-


Grenzboten. in. 1349. 45

einen gefälligen Eindruck. Bei der Frohnlcichnamsprocession ging er steif hinter
dem Baldachin, die Kerze in der Hand genirte ihn, und nur unbewußt streiften
die Blicke in die Höhe zu den Frauen besetzten Fenstern. Bei Audienzen ist er
verlegen, die Zunge stockt, die Hand sucht bald dort bald da eine Beschäftigung.
Im Theater reichen die verschlungenen Finger über die Brüstung der Loge, der
Oberkörper lehnt sich auf die gestützten Ellenbogen. Nur selten gebraucht er den
Operngucker, während der jüngere Bruder das Lorgnon kaum von, Auge rückt.
Er nimmt lebhast Interesse am Schauspiel, und conversirt fleißig darüber mit der
danebensitzenden Mutter.

Sollte dieser Jüngling schon ein so verkrustet und versteinert Herz haben, daß
er Gnade verweigert? Man hoffte, daß das Geburtsfest zur Verkündigung einer
Amnestie werde benutzt werden; allein offiziell widersprach man diesem Gerüchte,
„es entbehre jeder Begründung." Nein, und wenn Franz Joseph wirklich den Fer¬
dinanden gleichen sollte, so hat doch diese Strenge ihren Grund mehr in Mißtraun ge¬
gen sein eigenes Gefühl als in kalter Berechnung. Das Ministerium, und vor Allen
Schwarzenberg machen den jugendlichen Kaiser glauben, er dürfe dem Henker nicht in
den Arm fallen, und der soldatisch erzogene Prinz fügt sich dem Rathe der Fürsten.
Das Volk von Oestreich, welche Zunge es auch spricht, steht fremd und ferne dem
Kaiser, der zur Befestigung seines Thrones so viel aufbietet, aber dem Reiche
keine andere Gewähr für eine constitutionelle Entwicklung bietet, als seinen Wil¬
len, während die Minister daneben die Zusagen seines Vorgängers, und die be-
schworenen Verträge mit Ungarn brechen.

Selbst die Minister sind bereits durch eine andere Adelsfraction überflügelt,
denn ihr Rath wird erst genehmigt, wenn daS Cabinet des Kaisers es billigt!!
Der Kaiser hat ein eigenes Cabinet, nnter dem Anschein, die militärischen Ange¬
legenheiten zu leiten; allein wir erinnern uns der traurigen Zeiten, wo General¬
adjutanten die Negierung führten! Sollten diese wiederkehren? — Die Minister
wenigstens rühmen sich, daß nur ihre Kraft ein solches Regiment verhindere, wel¬
ches sicher nach ihnen käme.

Der Stern Habsburgs beleuchtet auch diesen Kaiser, dem zum Angebinde
der Friede Mit Sardinien und die Bezwingung der ungarischen Erhebung, da
Görgey unbegreiflicherweise mit 30,000 Mann bei Arad die Waffen streckte, dar¬
gebracht wird. Der Courier muß nach Ischl eilen, wohin der Monarch fuhr, um
den Geburtstag nicht in der Residenz, sondern bei seinen Eltern und Onkeln zu¬
zubringen. Die Angabe wegen eines Eheprojectes ist voreilig. Man denkt noch
nicht an ein Hauswesen, sondern mehr an gute Cigarren, die der Kaiser gerne
raucht.

Nach dem Berichteten resumiren wir, daß die Macht Oestreichs unter diesem
Kaiser eher wachsen als abnehmen wird, den Völkern werden Rechte und Freihei-


Grenzboten. in. 1349. 45
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[0353] einen gefälligen Eindruck. Bei der Frohnlcichnamsprocession ging er steif hinter dem Baldachin, die Kerze in der Hand genirte ihn, und nur unbewußt streiften die Blicke in die Höhe zu den Frauen besetzten Fenstern. Bei Audienzen ist er verlegen, die Zunge stockt, die Hand sucht bald dort bald da eine Beschäftigung. Im Theater reichen die verschlungenen Finger über die Brüstung der Loge, der Oberkörper lehnt sich auf die gestützten Ellenbogen. Nur selten gebraucht er den Operngucker, während der jüngere Bruder das Lorgnon kaum von, Auge rückt. Er nimmt lebhast Interesse am Schauspiel, und conversirt fleißig darüber mit der danebensitzenden Mutter. Sollte dieser Jüngling schon ein so verkrustet und versteinert Herz haben, daß er Gnade verweigert? Man hoffte, daß das Geburtsfest zur Verkündigung einer Amnestie werde benutzt werden; allein offiziell widersprach man diesem Gerüchte, „es entbehre jeder Begründung." Nein, und wenn Franz Joseph wirklich den Fer¬ dinanden gleichen sollte, so hat doch diese Strenge ihren Grund mehr in Mißtraun ge¬ gen sein eigenes Gefühl als in kalter Berechnung. Das Ministerium, und vor Allen Schwarzenberg machen den jugendlichen Kaiser glauben, er dürfe dem Henker nicht in den Arm fallen, und der soldatisch erzogene Prinz fügt sich dem Rathe der Fürsten. Das Volk von Oestreich, welche Zunge es auch spricht, steht fremd und ferne dem Kaiser, der zur Befestigung seines Thrones so viel aufbietet, aber dem Reiche keine andere Gewähr für eine constitutionelle Entwicklung bietet, als seinen Wil¬ len, während die Minister daneben die Zusagen seines Vorgängers, und die be- schworenen Verträge mit Ungarn brechen. Selbst die Minister sind bereits durch eine andere Adelsfraction überflügelt, denn ihr Rath wird erst genehmigt, wenn daS Cabinet des Kaisers es billigt!! Der Kaiser hat ein eigenes Cabinet, nnter dem Anschein, die militärischen Ange¬ legenheiten zu leiten; allein wir erinnern uns der traurigen Zeiten, wo General¬ adjutanten die Negierung führten! Sollten diese wiederkehren? — Die Minister wenigstens rühmen sich, daß nur ihre Kraft ein solches Regiment verhindere, wel¬ ches sicher nach ihnen käme. Der Stern Habsburgs beleuchtet auch diesen Kaiser, dem zum Angebinde der Friede Mit Sardinien und die Bezwingung der ungarischen Erhebung, da Görgey unbegreiflicherweise mit 30,000 Mann bei Arad die Waffen streckte, dar¬ gebracht wird. Der Courier muß nach Ischl eilen, wohin der Monarch fuhr, um den Geburtstag nicht in der Residenz, sondern bei seinen Eltern und Onkeln zu¬ zubringen. Die Angabe wegen eines Eheprojectes ist voreilig. Man denkt noch nicht an ein Hauswesen, sondern mehr an gute Cigarren, die der Kaiser gerne raucht. Nach dem Berichteten resumiren wir, daß die Macht Oestreichs unter diesem Kaiser eher wachsen als abnehmen wird, den Völkern werden Rechte und Freihei- Grenzboten. in. 1349. 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/353>, abgerufen am 05.02.2025.