Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Zunge rührte sich, keine Hand bewegte sich, und unbeachtet wie er kam, ging er Franz Joseph ist schlank gewachsen, mittler Statur. Das Gesicht ist ganz Zerrüttet und zerrissen war das Reich als der achtzehnjährige Prinz sich, von Deputationen aus allen Gegenden des Reichs eilten nach Olmütz; sie wur¬ Nach anfgelösteni Reichstag und dem Siege über Victor Eumnuel erschien Noch sind es nicht volle 9 Monate, seit Franz Joseph den Thron bestieg; Zunge rührte sich, keine Hand bewegte sich, und unbeachtet wie er kam, ging er Franz Joseph ist schlank gewachsen, mittler Statur. Das Gesicht ist ganz Zerrüttet und zerrissen war das Reich als der achtzehnjährige Prinz sich, von Deputationen aus allen Gegenden des Reichs eilten nach Olmütz; sie wur¬ Nach anfgelösteni Reichstag und dem Siege über Victor Eumnuel erschien Noch sind es nicht volle 9 Monate, seit Franz Joseph den Thron bestieg; <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279378"/> <p xml:id="ID_1166" prev="#ID_1165"> Zunge rührte sich, keine Hand bewegte sich, und unbeachtet wie er kam, ging er<lb/> kurz vor dem Schlüsse der Sitzung wieder weg. Drei Monate darnach bestieg er<lb/> den Kaiserthron, und die Ncichstagabgcordueten erschienen vor den Stufen desselben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1167"> Franz Joseph ist schlank gewachsen, mittler Statur. Das Gesicht ist ganz<lb/> habsbnrgisch. Der Kopf groß, die Unterlippe hängend, der Mund meist offen, die<lb/> Nase lang. Ein trefflicher Reiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1168"> Zerrüttet und zerrissen war das Reich als der achtzehnjährige Prinz sich, von<lb/> Gottes Gnaden, die Krone aufsetzte; die Residenz mit dem Schwerte erobert, in Un¬<lb/> garn eine mächtige Revolution, in Italien ein Volk und ein König als Feinde, Frank¬<lb/> furt mit volkssouveränen Ansprüchen ^c. Der zurücktretende Kaiser führte seinem<lb/> Neffen die Generäle Windischgrätz und Jellachich als Stützen des Thrones zu,<lb/> und Minister Fürst Schwarzenberg wurde Rathgeber> Vertrauter und Freund des<lb/> unerfahrenen Monarchen. Kein Act der Gnade, keine Amnestie, kein linderndes<lb/> Wort wurde den, nnter die Militärherrschaft gestellten Ländern beim Thronbestei-<lb/> geu verkündet; das Blutgericht begnadigte zu — Pulver und Blei. Der Depu¬<lb/> tation des Reichstags antwortete der Kaiser, die angelernten Worte vergessend,<lb/> abgebrochen, kalt und steif; er sah Niemand mehr von dieser Versammlung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1169"> Deputationen aus allen Gegenden des Reichs eilten nach Olmütz; sie wur¬<lb/> den in förmlicher Etiquette empfangen »ut entlasse», keine erhielt eine bindende<lb/> oder aufklärende Zusage. Von der Beschäftigung des jungen Kaisers wurde uur<lb/> der mehrmalige Besuch in den Kasernen bekannt, um die Accnratcsse des Militärs<lb/> zu erproben. Ein trengebliebenes ungarisches Regiment wurde iuspicirt, bei<lb/> welcher Gelegenheit einige ungarisch gesprochenen Worte den Jubel der Soldaten<lb/> erregten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1170"> Nach anfgelösteni Reichstag und dem Siege über Victor Eumnuel erschien<lb/> plötzlich der Kaiser in der Residenz, wie man wiederholt, gegen den Willen der<lb/> Minister. Windischgrätz war ab - und die russische Hilfe herbeigerufen. Um den<lb/> Zwistigkeiten zwischen den beiden Heerführern vvrznbcnge», übernahm der Kaiser<lb/> selbst das Armeeoberkommando, und begab sich uach Preßburg, und später nach<lb/> Raab. Neigung zum .Kriegswesen zeigte er mit persönlichem Muthe vereint, aber<lb/> Vorstellungen wie es nicht geziemend sei, daß ein Fürst gegen seine eigenen Un¬<lb/> terthanen die Soldaten führe, und die Besorgniß der Eltern hielten den Kaiser<lb/> von weiterer Theilnahme am Krieg ab. Er reiste zum Czar, der seine Armee<lb/> persönlich auf östreichisches Gebiet führte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1171" next="#ID_1172"> Noch sind es nicht volle 9 Monate, seit Franz Joseph den Thron bestieg;<lb/> aber die Zeit ist reich an Geschichte und Thatsachen, die nicht spurlos an Kopf<lb/> und Herz des heute (18. August) in's 1!>. Lebensjahr tretenden Kaisers vorüber¬<lb/> gehen konnten. Wortkarg und verschlossen ist er, und doch läßt die ereiguißreiche Zeit ihre<lb/> Wirkung in Blick und Miene erkennen. Der Kaiser sieht gedrückt ans, es zeigt<lb/> sich wenig Frische in seinem Benehmen, nur, wenn er zu Pferde sitzt, macht er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
Zunge rührte sich, keine Hand bewegte sich, und unbeachtet wie er kam, ging er
kurz vor dem Schlüsse der Sitzung wieder weg. Drei Monate darnach bestieg er
den Kaiserthron, und die Ncichstagabgcordueten erschienen vor den Stufen desselben.
Franz Joseph ist schlank gewachsen, mittler Statur. Das Gesicht ist ganz
habsbnrgisch. Der Kopf groß, die Unterlippe hängend, der Mund meist offen, die
Nase lang. Ein trefflicher Reiter.
Zerrüttet und zerrissen war das Reich als der achtzehnjährige Prinz sich, von
Gottes Gnaden, die Krone aufsetzte; die Residenz mit dem Schwerte erobert, in Un¬
garn eine mächtige Revolution, in Italien ein Volk und ein König als Feinde, Frank¬
furt mit volkssouveränen Ansprüchen ^c. Der zurücktretende Kaiser führte seinem
Neffen die Generäle Windischgrätz und Jellachich als Stützen des Thrones zu,
und Minister Fürst Schwarzenberg wurde Rathgeber> Vertrauter und Freund des
unerfahrenen Monarchen. Kein Act der Gnade, keine Amnestie, kein linderndes
Wort wurde den, nnter die Militärherrschaft gestellten Ländern beim Thronbestei-
geu verkündet; das Blutgericht begnadigte zu — Pulver und Blei. Der Depu¬
tation des Reichstags antwortete der Kaiser, die angelernten Worte vergessend,
abgebrochen, kalt und steif; er sah Niemand mehr von dieser Versammlung.
Deputationen aus allen Gegenden des Reichs eilten nach Olmütz; sie wur¬
den in förmlicher Etiquette empfangen »ut entlasse», keine erhielt eine bindende
oder aufklärende Zusage. Von der Beschäftigung des jungen Kaisers wurde uur
der mehrmalige Besuch in den Kasernen bekannt, um die Accnratcsse des Militärs
zu erproben. Ein trengebliebenes ungarisches Regiment wurde iuspicirt, bei
welcher Gelegenheit einige ungarisch gesprochenen Worte den Jubel der Soldaten
erregten.
Nach anfgelösteni Reichstag und dem Siege über Victor Eumnuel erschien
plötzlich der Kaiser in der Residenz, wie man wiederholt, gegen den Willen der
Minister. Windischgrätz war ab - und die russische Hilfe herbeigerufen. Um den
Zwistigkeiten zwischen den beiden Heerführern vvrznbcnge», übernahm der Kaiser
selbst das Armeeoberkommando, und begab sich uach Preßburg, und später nach
Raab. Neigung zum .Kriegswesen zeigte er mit persönlichem Muthe vereint, aber
Vorstellungen wie es nicht geziemend sei, daß ein Fürst gegen seine eigenen Un¬
terthanen die Soldaten führe, und die Besorgniß der Eltern hielten den Kaiser
von weiterer Theilnahme am Krieg ab. Er reiste zum Czar, der seine Armee
persönlich auf östreichisches Gebiet führte.
Noch sind es nicht volle 9 Monate, seit Franz Joseph den Thron bestieg;
aber die Zeit ist reich an Geschichte und Thatsachen, die nicht spurlos an Kopf
und Herz des heute (18. August) in's 1!>. Lebensjahr tretenden Kaisers vorüber¬
gehen konnten. Wortkarg und verschlossen ist er, und doch läßt die ereiguißreiche Zeit ihre
Wirkung in Blick und Miene erkennen. Der Kaiser sieht gedrückt ans, es zeigt
sich wenig Frische in seinem Benehmen, nur, wenn er zu Pferde sitzt, macht er
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