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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Stämme (die Polen aus .lndern Grunde) wissen dies gar wohl, und ihre Wort¬
führer, die oft mit Dreschflegeln schreiben, stimmten deshalb -- für Oestreich! für
Erhaltung des Gesammtstaates! für die Monarchie!

Wir sind dynastisch gesinnt, aber wahrlich nicht aus dem Grunde, well
wir die Habsburger lieben und schätzen. Wir kennen die Negentengcschichte die¬
ser Familie gar wohl, und wissen nur den ritterlichen Max I., die bürgerliche
Maria Theresia, den freisinnigen Despoten Joseph und den gütigen Ferdinand
als Glanzpunkte hervorzuheben. Allein die Dynastie ist der unverrückbare Felsen
für den Staat; in einen bodenlosen Abgrund verfielen diese Länder, wäre ein
Streit über die Thron^ und Erbfolge möglich. Karl VI. brachte so große Opfer
wegen der pragmatischen Sanction, die leider von seinem Urururenkel zerrissen
wird; sie sollte als ein Palladium heilig gehalten werden.

Nach dieser Darlegung erst gehen wir an die Besprechung des neunzehnjäh¬
rigen Kaisers von Oestreich.

Der Großvater, Kaiser Franz, hatte keinen Einfluß mehr ans die Erziehung
dieses Prinzen; sie wurde ganz von seiner Mutter, der baierschen Prinzessin Sophie
geleitet. Diese wählte den Grafen Bombellcs zum Ajo, und unter dessen Ober¬
aufsicht wuchs Franz Joseph Hera". Bombelles ist ein Jesnitcnfrennd, ein Freund
Jarle's und Konsorten. Graf Coronini hatte die militärische Ausbildung über sich.

Der junge fleißige Prinz, dessen Unterrichtsstunden die Mutter fast immer
beiwohnte, entwickelte ein sprachliches Talent, und wußte bald in den vorzüglich¬
sten Idiomen des Kaiserstaates zu sprechen. Kammerherren der verschiedenen Na¬
tionen gewährten größere Uebung. Allein den militärischen Studien wurde bald
die meiste Vorblicbe gewidmet, und die Uniform war der liebste Nock.

Der kaiserliche Hof, so einfach er lebte, hüllte sich immer in ein undruchdring-
liches Geheimniß; die höchst und niedrigst Angestellten waren zum Schweigen ver¬
halten, und die unzählige Masse Vertrauter hielt ihnen den Mund verschlossen,
so daß selbst die nächsten Augehörigen der Bediensteten nichts über die allerhöch¬
sten Herrschaften erfuhren. Der muthmaßliche Thronerbe Franz Joseph (da Fer¬
dinand keine Kinder hat) trat zuerst in Ungarn in die Öffentlichkeit; er instal-
lirte den Prinzen Stephan als Obergcspan des Pesther Cvmitats, wobei er sich
der magyarischen Sprache bediente und den größten Fanatismus darob hervorrief.
Auch bei der Eröffnung des ungarischen Reichstags in Preßburg 1847 erschien
er, immer in Husarennuiform, an der Seite feines kaiserlichen Oheims.

Bei Beginn der Revolution hielt die Erzherzogin Sophie ihre Kinder immer
um sich; aber im Sommer 1848 eilten sie zu Radetzky, in der Umgebung des
greisen Marschalls den Krieg mitzumachen. Hierauf kamen sie zu den nach Inn-
spruck geflüchteten Eltern, und fuhren mit demselben nach Wien zurück.

Ein einziges Mal erschien Franz Joseph in der kaiserlichen Loge des Neichs-
saals während der Sitzung; nicht einer der Deputirten wollte es bemerken, keine


Stämme (die Polen aus .lndern Grunde) wissen dies gar wohl, und ihre Wort¬
führer, die oft mit Dreschflegeln schreiben, stimmten deshalb — für Oestreich! für
Erhaltung des Gesammtstaates! für die Monarchie!

Wir sind dynastisch gesinnt, aber wahrlich nicht aus dem Grunde, well
wir die Habsburger lieben und schätzen. Wir kennen die Negentengcschichte die¬
ser Familie gar wohl, und wissen nur den ritterlichen Max I., die bürgerliche
Maria Theresia, den freisinnigen Despoten Joseph und den gütigen Ferdinand
als Glanzpunkte hervorzuheben. Allein die Dynastie ist der unverrückbare Felsen
für den Staat; in einen bodenlosen Abgrund verfielen diese Länder, wäre ein
Streit über die Thron^ und Erbfolge möglich. Karl VI. brachte so große Opfer
wegen der pragmatischen Sanction, die leider von seinem Urururenkel zerrissen
wird; sie sollte als ein Palladium heilig gehalten werden.

Nach dieser Darlegung erst gehen wir an die Besprechung des neunzehnjäh¬
rigen Kaisers von Oestreich.

Der Großvater, Kaiser Franz, hatte keinen Einfluß mehr ans die Erziehung
dieses Prinzen; sie wurde ganz von seiner Mutter, der baierschen Prinzessin Sophie
geleitet. Diese wählte den Grafen Bombellcs zum Ajo, und unter dessen Ober¬
aufsicht wuchs Franz Joseph Hera». Bombelles ist ein Jesnitcnfrennd, ein Freund
Jarle's und Konsorten. Graf Coronini hatte die militärische Ausbildung über sich.

Der junge fleißige Prinz, dessen Unterrichtsstunden die Mutter fast immer
beiwohnte, entwickelte ein sprachliches Talent, und wußte bald in den vorzüglich¬
sten Idiomen des Kaiserstaates zu sprechen. Kammerherren der verschiedenen Na¬
tionen gewährten größere Uebung. Allein den militärischen Studien wurde bald
die meiste Vorblicbe gewidmet, und die Uniform war der liebste Nock.

Der kaiserliche Hof, so einfach er lebte, hüllte sich immer in ein undruchdring-
liches Geheimniß; die höchst und niedrigst Angestellten waren zum Schweigen ver¬
halten, und die unzählige Masse Vertrauter hielt ihnen den Mund verschlossen,
so daß selbst die nächsten Augehörigen der Bediensteten nichts über die allerhöch¬
sten Herrschaften erfuhren. Der muthmaßliche Thronerbe Franz Joseph (da Fer¬
dinand keine Kinder hat) trat zuerst in Ungarn in die Öffentlichkeit; er instal-
lirte den Prinzen Stephan als Obergcspan des Pesther Cvmitats, wobei er sich
der magyarischen Sprache bediente und den größten Fanatismus darob hervorrief.
Auch bei der Eröffnung des ungarischen Reichstags in Preßburg 1847 erschien
er, immer in Husarennuiform, an der Seite feines kaiserlichen Oheims.

Bei Beginn der Revolution hielt die Erzherzogin Sophie ihre Kinder immer
um sich; aber im Sommer 1848 eilten sie zu Radetzky, in der Umgebung des
greisen Marschalls den Krieg mitzumachen. Hierauf kamen sie zu den nach Inn-
spruck geflüchteten Eltern, und fuhren mit demselben nach Wien zurück.

Ein einziges Mal erschien Franz Joseph in der kaiserlichen Loge des Neichs-
saals während der Sitzung; nicht einer der Deputirten wollte es bemerken, keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/351>, abgerufen am 05.02.2025.