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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Preußische Briefe.



Zsennzchnter Vlies.
Camphausen und die deutsche Politik.

Ludwig Camphausen, in seiner Stellung als preußischer Bevollmächtigter bei
der Centralgewcilt wegen seines verhängnißvollen Schweigens verrufen, hat zuerst
in der deutschen Frage das Wort genommen. Seine Rede wird diejenigen unserer
Freunde, welche noch immer in dem Wahn schweben, die Paulskirche habe nur
aus besonderer Gnade Preußen die Kaiserkrone zugeworfen, uicht befriedigen; sie
ist so spezifisch Preußisch gehalten, als irgend etwas, was bisher die Gefühle des
heiligen römischen Reichs verletzt hat.

Der Inhalt seiner Rede ist folgender. Er macht den Antrag, daß §. 111.
der Verfassung vom 5. December, nach welchem der König diejenigen Abänderun¬
gen in der preußischen Verfassung, welche mit dem Ncichsgesctz im Widerspruch
stehn, selbstständig auszuführen und nur nachträglich den preußischen Ständen zur
Genehmigung vorzulegen hat, auf den Drei-Königscntwurf angewendet werden
soll. Diesen Entwurf stellt er als das Ultimatum dar, welches Preußen dem
Reich bietet. Vou allen Seiten durch lächerliche Intriguen gehemmt, von eben
so lächerlichen Schmähungen überhäuft, habe Preußen allein die Sache Deutsch¬
lands zu der seinigen gemacht; Preußen bedürfe Deutschlands nicht, es bleibe, auch
wenn jener Entwurf uicht in Ausführung kommen sollte, immer eine Großmacht,
und werde, gestützt auf sein tapferes Heer, selbstständig seinen Weg gehen, wenn
Deutschland es im Stich ließe. Der alte Bund, d. h. die Abhängigkeit von Oestreich,
sei zerrissen und dürfe nie wieder erneuert werde".

Wir müssen in dieser Sprache das Crasse im Ausdrucke von dem wesentlichen
Inhalt sondern. Daß wir Preußen einmal des fortwährenden Gebells unserer
deutschen Brüder müde werden und ihnen die Zähne weisen, ist ganz in der Ort^
mung; unter solchen Angriffen wird auch der schlichteste, solideste Mann gelegent¬
lich zum Renommisten. Wir haben uns dem fortwährenden Hohn vom Süden
und Westen gegenüber stets so bescheiden benommen, daß man es uns nicht ver¬
übeln kann, wenn das fortwährend gekränkte Selbstgefühl einmal überquillt.
Wenn Konservative und Radikale darin einig sind, uus zuzurufen: wir wollen
mit euch preußischen Verräthern nichts zu thun haben, wir wollen keine Hohen-
zollern und keine Berliner, so bleibt doch nichts übrig, als schließlich zu sagen:
gut! bleibt für euch, oder alliirt euch mit den Kaiscrthronen in Wien und Se.
Petersburg, aber hütet euch, uus in den Weg zu kommen!


Preußische Briefe.



Zsennzchnter Vlies.
Camphausen und die deutsche Politik.

Ludwig Camphausen, in seiner Stellung als preußischer Bevollmächtigter bei
der Centralgewcilt wegen seines verhängnißvollen Schweigens verrufen, hat zuerst
in der deutschen Frage das Wort genommen. Seine Rede wird diejenigen unserer
Freunde, welche noch immer in dem Wahn schweben, die Paulskirche habe nur
aus besonderer Gnade Preußen die Kaiserkrone zugeworfen, uicht befriedigen; sie
ist so spezifisch Preußisch gehalten, als irgend etwas, was bisher die Gefühle des
heiligen römischen Reichs verletzt hat.

Der Inhalt seiner Rede ist folgender. Er macht den Antrag, daß §. 111.
der Verfassung vom 5. December, nach welchem der König diejenigen Abänderun¬
gen in der preußischen Verfassung, welche mit dem Ncichsgesctz im Widerspruch
stehn, selbstständig auszuführen und nur nachträglich den preußischen Ständen zur
Genehmigung vorzulegen hat, auf den Drei-Königscntwurf angewendet werden
soll. Diesen Entwurf stellt er als das Ultimatum dar, welches Preußen dem
Reich bietet. Vou allen Seiten durch lächerliche Intriguen gehemmt, von eben
so lächerlichen Schmähungen überhäuft, habe Preußen allein die Sache Deutsch¬
lands zu der seinigen gemacht; Preußen bedürfe Deutschlands nicht, es bleibe, auch
wenn jener Entwurf uicht in Ausführung kommen sollte, immer eine Großmacht,
und werde, gestützt auf sein tapferes Heer, selbstständig seinen Weg gehen, wenn
Deutschland es im Stich ließe. Der alte Bund, d. h. die Abhängigkeit von Oestreich,
sei zerrissen und dürfe nie wieder erneuert werde».

Wir müssen in dieser Sprache das Crasse im Ausdrucke von dem wesentlichen
Inhalt sondern. Daß wir Preußen einmal des fortwährenden Gebells unserer
deutschen Brüder müde werden und ihnen die Zähne weisen, ist ganz in der Ort^
mung; unter solchen Angriffen wird auch der schlichteste, solideste Mann gelegent¬
lich zum Renommisten. Wir haben uns dem fortwährenden Hohn vom Süden
und Westen gegenüber stets so bescheiden benommen, daß man es uns nicht ver¬
übeln kann, wenn das fortwährend gekränkte Selbstgefühl einmal überquillt.
Wenn Konservative und Radikale darin einig sind, uus zuzurufen: wir wollen
mit euch preußischen Verräthern nichts zu thun haben, wir wollen keine Hohen-
zollern und keine Berliner, so bleibt doch nichts übrig, als schließlich zu sagen:
gut! bleibt für euch, oder alliirt euch mit den Kaiscrthronen in Wien und Se.
Petersburg, aber hütet euch, uus in den Weg zu kommen!


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[0348] Preußische Briefe. Zsennzchnter Vlies. Camphausen und die deutsche Politik. Ludwig Camphausen, in seiner Stellung als preußischer Bevollmächtigter bei der Centralgewcilt wegen seines verhängnißvollen Schweigens verrufen, hat zuerst in der deutschen Frage das Wort genommen. Seine Rede wird diejenigen unserer Freunde, welche noch immer in dem Wahn schweben, die Paulskirche habe nur aus besonderer Gnade Preußen die Kaiserkrone zugeworfen, uicht befriedigen; sie ist so spezifisch Preußisch gehalten, als irgend etwas, was bisher die Gefühle des heiligen römischen Reichs verletzt hat. Der Inhalt seiner Rede ist folgender. Er macht den Antrag, daß §. 111. der Verfassung vom 5. December, nach welchem der König diejenigen Abänderun¬ gen in der preußischen Verfassung, welche mit dem Ncichsgesctz im Widerspruch stehn, selbstständig auszuführen und nur nachträglich den preußischen Ständen zur Genehmigung vorzulegen hat, auf den Drei-Königscntwurf angewendet werden soll. Diesen Entwurf stellt er als das Ultimatum dar, welches Preußen dem Reich bietet. Vou allen Seiten durch lächerliche Intriguen gehemmt, von eben so lächerlichen Schmähungen überhäuft, habe Preußen allein die Sache Deutsch¬ lands zu der seinigen gemacht; Preußen bedürfe Deutschlands nicht, es bleibe, auch wenn jener Entwurf uicht in Ausführung kommen sollte, immer eine Großmacht, und werde, gestützt auf sein tapferes Heer, selbstständig seinen Weg gehen, wenn Deutschland es im Stich ließe. Der alte Bund, d. h. die Abhängigkeit von Oestreich, sei zerrissen und dürfe nie wieder erneuert werde». Wir müssen in dieser Sprache das Crasse im Ausdrucke von dem wesentlichen Inhalt sondern. Daß wir Preußen einmal des fortwährenden Gebells unserer deutschen Brüder müde werden und ihnen die Zähne weisen, ist ganz in der Ort^ mung; unter solchen Angriffen wird auch der schlichteste, solideste Mann gelegent¬ lich zum Renommisten. Wir haben uns dem fortwährenden Hohn vom Süden und Westen gegenüber stets so bescheiden benommen, daß man es uns nicht ver¬ übeln kann, wenn das fortwährend gekränkte Selbstgefühl einmal überquillt. Wenn Konservative und Radikale darin einig sind, uus zuzurufen: wir wollen mit euch preußischen Verräthern nichts zu thun haben, wir wollen keine Hohen- zollern und keine Berliner, so bleibt doch nichts übrig, als schließlich zu sagen: gut! bleibt für euch, oder alliirt euch mit den Kaiscrthronen in Wien und Se. Petersburg, aber hütet euch, uus in den Weg zu kommen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/348>, abgerufen am 05.02.2025.