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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Badini (11. Juli) Verhaftsbefehle ausgegeben. Den 15. Juli wurde die Wieder¬
herstellung der päpstlichen Herrschaft --ohne Bedingungen -- feierlich proclamirt, nud
der Papst erließ aus Gaeta (17. Juli) ein Sendschreiben an seine verirrten Unter¬
thanen, in welchem von Reformen oder von einem Festhalten an dem alten consti-
tutionellen System keine Rede war. Im Gegentheil traf den I. August zu Rom
eine geistliche Regierung ein, die im Widerspruch gegen alle Voraussetzungen der
französischen Regierung ans Cardinälen bestand, (della Genga, Vannicelli,
Altieri). Seitdem ist General Oudinot in Gaeta gewesen, und hat von da aus
(10. August) die Ernennung eines neuen Ministeriums mitgebracht (Domenico
Savelli Polizei, Angelo Ginsanti Justiz, Angelo Galli Finanzen, Ca-
millo Ami el Commissär für die Mark. Wie dasselbe sich zu der Constitution
stellen wird, ist noch unbekannt.

In Paris erfolgten der Form wegen von Seiten der Bergpartei noch von
Zeit zu Zeit Interpellationen über die italienische Frage -- so von Lagrange
am 2. Juli, von Jules Favre am 7. August -- aber sie dienten nur dazu, die
Majorität noch immer fester an das legitime Princip zu ketten. Die Versamm¬
lung votirte (10. Juli) mit 382 : 2 Se. (die Bergpartei stimmte nicht mit, weil
sie doch das Nationalgefühl nicht verletzen wollte) ihren Dank an die italienische
Expedition, und Frankreich schmeichelt sich nun wieder einmal mit dem Bewußt¬
sein, in der Politik ein großes Werk vollbracht zu habe".

Daß die französische Republik eine Schwesterrcpnblik, die einen ganz ahn^
lieben Ursprung hat, wie sie selber, unter dem Schein des Schutzes verrathen Hai,
ist nicht blos daraus zu erklären, daß Frankreich eigentlich vollständig antirepubli¬
kanisch ist; auch die Montagne würde, wenn sie an die Spitze käme, im Geist der
altfranzösischen Politik in den fremden Staaten nicht ein verwandtes Princip, son¬
dern nur den Schauplatz ihres Ruhmes suchen. Das Zweideutige und Schwan-
kende in dem Verfahren der Regierung wird ans ihrer Stellung zwischen zwei
ganz entgegengesetzten Versammlungen begreiflich, und daraus wieder das Schwan¬
kende und Zweideutige im Verfahren ihrer Agenten. Herrn v. Lesseps trifft eigentlich
weiter keine Schuld, als daß er sich einbildete, eine ernsthafte Mission zu haben.

Aber Frankreich tänscht sich anch darin, wenn es nun glaubt, eine günstigere
Position am päpstlichen Hofe erreicht zu haben. Dankbarkeit ist nicht die Sache
der Politik, und hier hat der heilige Vater um so weniger Ursache dazu, da die
Franzosen ihm ungerufen mir das gaben, was ihm ohne dies seine alten Alliirten
verschafft haben würden. Frankreich wird vielmehr dem Papst jetzt höchst unbequem
werden, und er wird mehr als je geneigt sein, sich Oestreich in die Arme zu wer¬
fen, um die ungeladenen Gäste los zu werden. Die Expedition nach Rom, das
man doch auf die Dauer nicht behaupten kaun, wird ein ebenso lächerliches Ende
nehmen, als die nach Ar.coma.




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Badini (11. Juli) Verhaftsbefehle ausgegeben. Den 15. Juli wurde die Wieder¬
herstellung der päpstlichen Herrschaft —ohne Bedingungen — feierlich proclamirt, nud
der Papst erließ aus Gaeta (17. Juli) ein Sendschreiben an seine verirrten Unter¬
thanen, in welchem von Reformen oder von einem Festhalten an dem alten consti-
tutionellen System keine Rede war. Im Gegentheil traf den I. August zu Rom
eine geistliche Regierung ein, die im Widerspruch gegen alle Voraussetzungen der
französischen Regierung ans Cardinälen bestand, (della Genga, Vannicelli,
Altieri). Seitdem ist General Oudinot in Gaeta gewesen, und hat von da aus
(10. August) die Ernennung eines neuen Ministeriums mitgebracht (Domenico
Savelli Polizei, Angelo Ginsanti Justiz, Angelo Galli Finanzen, Ca-
millo Ami el Commissär für die Mark. Wie dasselbe sich zu der Constitution
stellen wird, ist noch unbekannt.

In Paris erfolgten der Form wegen von Seiten der Bergpartei noch von
Zeit zu Zeit Interpellationen über die italienische Frage — so von Lagrange
am 2. Juli, von Jules Favre am 7. August — aber sie dienten nur dazu, die
Majorität noch immer fester an das legitime Princip zu ketten. Die Versamm¬
lung votirte (10. Juli) mit 382 : 2 Se. (die Bergpartei stimmte nicht mit, weil
sie doch das Nationalgefühl nicht verletzen wollte) ihren Dank an die italienische
Expedition, und Frankreich schmeichelt sich nun wieder einmal mit dem Bewußt¬
sein, in der Politik ein großes Werk vollbracht zu habe».

Daß die französische Republik eine Schwesterrcpnblik, die einen ganz ahn^
lieben Ursprung hat, wie sie selber, unter dem Schein des Schutzes verrathen Hai,
ist nicht blos daraus zu erklären, daß Frankreich eigentlich vollständig antirepubli¬
kanisch ist; auch die Montagne würde, wenn sie an die Spitze käme, im Geist der
altfranzösischen Politik in den fremden Staaten nicht ein verwandtes Princip, son¬
dern nur den Schauplatz ihres Ruhmes suchen. Das Zweideutige und Schwan-
kende in dem Verfahren der Regierung wird ans ihrer Stellung zwischen zwei
ganz entgegengesetzten Versammlungen begreiflich, und daraus wieder das Schwan¬
kende und Zweideutige im Verfahren ihrer Agenten. Herrn v. Lesseps trifft eigentlich
weiter keine Schuld, als daß er sich einbildete, eine ernsthafte Mission zu haben.

Aber Frankreich tänscht sich anch darin, wenn es nun glaubt, eine günstigere
Position am päpstlichen Hofe erreicht zu haben. Dankbarkeit ist nicht die Sache
der Politik, und hier hat der heilige Vater um so weniger Ursache dazu, da die
Franzosen ihm ungerufen mir das gaben, was ihm ohne dies seine alten Alliirten
verschafft haben würden. Frankreich wird vielmehr dem Papst jetzt höchst unbequem
werden, und er wird mehr als je geneigt sein, sich Oestreich in die Arme zu wer¬
fen, um die ungeladenen Gäste los zu werden. Die Expedition nach Rom, das
man doch auf die Dauer nicht behaupten kaun, wird ein ebenso lächerliches Ende
nehmen, als die nach Ar.coma.




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[0347] Badini (11. Juli) Verhaftsbefehle ausgegeben. Den 15. Juli wurde die Wieder¬ herstellung der päpstlichen Herrschaft —ohne Bedingungen — feierlich proclamirt, nud der Papst erließ aus Gaeta (17. Juli) ein Sendschreiben an seine verirrten Unter¬ thanen, in welchem von Reformen oder von einem Festhalten an dem alten consti- tutionellen System keine Rede war. Im Gegentheil traf den I. August zu Rom eine geistliche Regierung ein, die im Widerspruch gegen alle Voraussetzungen der französischen Regierung ans Cardinälen bestand, (della Genga, Vannicelli, Altieri). Seitdem ist General Oudinot in Gaeta gewesen, und hat von da aus (10. August) die Ernennung eines neuen Ministeriums mitgebracht (Domenico Savelli Polizei, Angelo Ginsanti Justiz, Angelo Galli Finanzen, Ca- millo Ami el Commissär für die Mark. Wie dasselbe sich zu der Constitution stellen wird, ist noch unbekannt. In Paris erfolgten der Form wegen von Seiten der Bergpartei noch von Zeit zu Zeit Interpellationen über die italienische Frage — so von Lagrange am 2. Juli, von Jules Favre am 7. August — aber sie dienten nur dazu, die Majorität noch immer fester an das legitime Princip zu ketten. Die Versamm¬ lung votirte (10. Juli) mit 382 : 2 Se. (die Bergpartei stimmte nicht mit, weil sie doch das Nationalgefühl nicht verletzen wollte) ihren Dank an die italienische Expedition, und Frankreich schmeichelt sich nun wieder einmal mit dem Bewußt¬ sein, in der Politik ein großes Werk vollbracht zu habe». Daß die französische Republik eine Schwesterrcpnblik, die einen ganz ahn^ lieben Ursprung hat, wie sie selber, unter dem Schein des Schutzes verrathen Hai, ist nicht blos daraus zu erklären, daß Frankreich eigentlich vollständig antirepubli¬ kanisch ist; auch die Montagne würde, wenn sie an die Spitze käme, im Geist der altfranzösischen Politik in den fremden Staaten nicht ein verwandtes Princip, son¬ dern nur den Schauplatz ihres Ruhmes suchen. Das Zweideutige und Schwan- kende in dem Verfahren der Regierung wird ans ihrer Stellung zwischen zwei ganz entgegengesetzten Versammlungen begreiflich, und daraus wieder das Schwan¬ kende und Zweideutige im Verfahren ihrer Agenten. Herrn v. Lesseps trifft eigentlich weiter keine Schuld, als daß er sich einbildete, eine ernsthafte Mission zu haben. Aber Frankreich tänscht sich anch darin, wenn es nun glaubt, eine günstigere Position am päpstlichen Hofe erreicht zu haben. Dankbarkeit ist nicht die Sache der Politik, und hier hat der heilige Vater um so weniger Ursache dazu, da die Franzosen ihm ungerufen mir das gaben, was ihm ohne dies seine alten Alliirten verschafft haben würden. Frankreich wird vielmehr dem Papst jetzt höchst unbequem werden, und er wird mehr als je geneigt sein, sich Oestreich in die Arme zu wer¬ fen, um die ungeladenen Gäste los zu werden. Die Expedition nach Rom, das man doch auf die Dauer nicht behaupten kaun, wird ein ebenso lächerliches Ende nehmen, als die nach Ar.coma. 44"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/347>, abgerufen am 10.02.2025.