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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Allerdings besteht eine Partei in Deutschland, und gerade unter den Ge¬
bildeten ist ihre Zahl nicht unbedeutend, welche, nicht aus Vorliebe für Preußen,
sondern aus Einsicht in die historische Nothwendigkeit, nur mit Preußen den Bau
des neuen Dentschland begründen will. Das Programm von Gotha ist ihr Aus¬
druck. Aber diese Partei steht in gar keinem Verhältniß zu den lieben Gro߬
deutschen, d. h. zu denjenigen, die Alles, Republik, Communismus, absolute
Monarchie, russische oder französische Herrschaft für den Nothfall annehmen wollen,
wenn nur Preußen dadurch uuter die Füße kommt.

Diese Partei hat in Preußen selbst ihre Verbündeten: die Demokraten und
die Schwarzweißen! Die letzteren hassen das wirkliche Preußen, das altenfritzische,
aufgeklärte, liberale, gerade eben so, als die Herren Schlosse! und Schmerling.
Die schwarzrothgoldnen Farben, die sie beschimpfen, sind ihnen der Ausdruck der
Freiheit, der Freiheit, ohne die ein wirkliches Preußen undenkbar ist. Die Her¬
ren Stahl, Bethmann-Hollweg, Gerlach -- diese ganze unreine Sippschaft, wel¬
chen seit 184V Preußens Schmach zugeschrieben werden muß, sie haben es offen
ausgesprochen, daß sie Preußen nnr im Bunde mit Oestreich, d. h. in der Ab¬
hängigkeit von dem Metternich'schen Stabilitätsprincip gelten lassen wollen.

Nicht Oestreich befehden wir, nicht einmal seine Negierung. Wenn das Mi¬
nisterium Schwarzenberg sein Programm realisirt, wenn es den Staat zu der
neuen Macht umgeschaffen hätte, welche mit dem alten Siegesrnhm des Hauses
Oestreich den schöneren Ruf verbunden hätte, als Culturstaat der Barbarei des
Ostens entgegen zu treten, so hätte es keine leidenschaftlicheren Anhänger gehabt,
als uns, selbst wenn sein Constitutionalismus nicht gerade nacb der Schnur ge¬
gangen wäre. Wir sind von der Nothwendigkeit eines großen, mächtigen Oestreich
für die Entwicklung der europäischen Freiheit und Bildung auf'S Innigste durch¬
drungen, wenn wir anch von Tage zu Tage mehr an seiner Möglichkeit verzwei¬
feln. Aber das alte, Metternich'sche Oestreich, dessen einzige Aufgabe darin be¬
stand, jeden Versuch einer freien Kraftentwicklung in seinem Staat, wie in allen
benachbarten zu unterdrücke", dieses Oestreich hassen wir, und seine großdeutschcu
Trabanten -- wir haben keinen Ausdruck für die Empfindung, die wir gegen
sie hegen.

Der bestimmte Ausdruck dieses Metternich'schen Einflusses war der deutsche
Bund. Zwei Adler, aneinander gebunden, sind ohne Kraft, ohne Willen. Löst
das Band, und sie schwingen sich in die Luft! Der unglückselige Gedanke, durch
ein souveränes Parlament dieses Band zu übergolden, muß auf immer aufgegeben
werden, und wenn uns von der Revolution des vorigen Jahres keine andere
Frucht bleibt, als die Lösung dieser Kette, die Freiheit Oestreichs, die Freiheit
Preußens, ihre Constituirung als wirkliche, unabhängige Staaten, so können wir
das weitere der Zeit überlassen, der Gewinn ist reich genng.

In diesem Sinne spricht Camphausen das Programm der Partei aus, deren


Allerdings besteht eine Partei in Deutschland, und gerade unter den Ge¬
bildeten ist ihre Zahl nicht unbedeutend, welche, nicht aus Vorliebe für Preußen,
sondern aus Einsicht in die historische Nothwendigkeit, nur mit Preußen den Bau
des neuen Dentschland begründen will. Das Programm von Gotha ist ihr Aus¬
druck. Aber diese Partei steht in gar keinem Verhältniß zu den lieben Gro߬
deutschen, d. h. zu denjenigen, die Alles, Republik, Communismus, absolute
Monarchie, russische oder französische Herrschaft für den Nothfall annehmen wollen,
wenn nur Preußen dadurch uuter die Füße kommt.

Diese Partei hat in Preußen selbst ihre Verbündeten: die Demokraten und
die Schwarzweißen! Die letzteren hassen das wirkliche Preußen, das altenfritzische,
aufgeklärte, liberale, gerade eben so, als die Herren Schlosse! und Schmerling.
Die schwarzrothgoldnen Farben, die sie beschimpfen, sind ihnen der Ausdruck der
Freiheit, der Freiheit, ohne die ein wirkliches Preußen undenkbar ist. Die Her¬
ren Stahl, Bethmann-Hollweg, Gerlach — diese ganze unreine Sippschaft, wel¬
chen seit 184V Preußens Schmach zugeschrieben werden muß, sie haben es offen
ausgesprochen, daß sie Preußen nnr im Bunde mit Oestreich, d. h. in der Ab¬
hängigkeit von dem Metternich'schen Stabilitätsprincip gelten lassen wollen.

Nicht Oestreich befehden wir, nicht einmal seine Negierung. Wenn das Mi¬
nisterium Schwarzenberg sein Programm realisirt, wenn es den Staat zu der
neuen Macht umgeschaffen hätte, welche mit dem alten Siegesrnhm des Hauses
Oestreich den schöneren Ruf verbunden hätte, als Culturstaat der Barbarei des
Ostens entgegen zu treten, so hätte es keine leidenschaftlicheren Anhänger gehabt,
als uns, selbst wenn sein Constitutionalismus nicht gerade nacb der Schnur ge¬
gangen wäre. Wir sind von der Nothwendigkeit eines großen, mächtigen Oestreich
für die Entwicklung der europäischen Freiheit und Bildung auf'S Innigste durch¬
drungen, wenn wir anch von Tage zu Tage mehr an seiner Möglichkeit verzwei¬
feln. Aber das alte, Metternich'sche Oestreich, dessen einzige Aufgabe darin be¬
stand, jeden Versuch einer freien Kraftentwicklung in seinem Staat, wie in allen
benachbarten zu unterdrücke», dieses Oestreich hassen wir, und seine großdeutschcu
Trabanten — wir haben keinen Ausdruck für die Empfindung, die wir gegen
sie hegen.

Der bestimmte Ausdruck dieses Metternich'schen Einflusses war der deutsche
Bund. Zwei Adler, aneinander gebunden, sind ohne Kraft, ohne Willen. Löst
das Band, und sie schwingen sich in die Luft! Der unglückselige Gedanke, durch
ein souveränes Parlament dieses Band zu übergolden, muß auf immer aufgegeben
werden, und wenn uns von der Revolution des vorigen Jahres keine andere
Frucht bleibt, als die Lösung dieser Kette, die Freiheit Oestreichs, die Freiheit
Preußens, ihre Constituirung als wirkliche, unabhängige Staaten, so können wir
das weitere der Zeit überlassen, der Gewinn ist reich genng.

In diesem Sinne spricht Camphausen das Programm der Partei aus, deren


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[0349] Allerdings besteht eine Partei in Deutschland, und gerade unter den Ge¬ bildeten ist ihre Zahl nicht unbedeutend, welche, nicht aus Vorliebe für Preußen, sondern aus Einsicht in die historische Nothwendigkeit, nur mit Preußen den Bau des neuen Dentschland begründen will. Das Programm von Gotha ist ihr Aus¬ druck. Aber diese Partei steht in gar keinem Verhältniß zu den lieben Gro߬ deutschen, d. h. zu denjenigen, die Alles, Republik, Communismus, absolute Monarchie, russische oder französische Herrschaft für den Nothfall annehmen wollen, wenn nur Preußen dadurch uuter die Füße kommt. Diese Partei hat in Preußen selbst ihre Verbündeten: die Demokraten und die Schwarzweißen! Die letzteren hassen das wirkliche Preußen, das altenfritzische, aufgeklärte, liberale, gerade eben so, als die Herren Schlosse! und Schmerling. Die schwarzrothgoldnen Farben, die sie beschimpfen, sind ihnen der Ausdruck der Freiheit, der Freiheit, ohne die ein wirkliches Preußen undenkbar ist. Die Her¬ ren Stahl, Bethmann-Hollweg, Gerlach — diese ganze unreine Sippschaft, wel¬ chen seit 184V Preußens Schmach zugeschrieben werden muß, sie haben es offen ausgesprochen, daß sie Preußen nnr im Bunde mit Oestreich, d. h. in der Ab¬ hängigkeit von dem Metternich'schen Stabilitätsprincip gelten lassen wollen. Nicht Oestreich befehden wir, nicht einmal seine Negierung. Wenn das Mi¬ nisterium Schwarzenberg sein Programm realisirt, wenn es den Staat zu der neuen Macht umgeschaffen hätte, welche mit dem alten Siegesrnhm des Hauses Oestreich den schöneren Ruf verbunden hätte, als Culturstaat der Barbarei des Ostens entgegen zu treten, so hätte es keine leidenschaftlicheren Anhänger gehabt, als uns, selbst wenn sein Constitutionalismus nicht gerade nacb der Schnur ge¬ gangen wäre. Wir sind von der Nothwendigkeit eines großen, mächtigen Oestreich für die Entwicklung der europäischen Freiheit und Bildung auf'S Innigste durch¬ drungen, wenn wir anch von Tage zu Tage mehr an seiner Möglichkeit verzwei¬ feln. Aber das alte, Metternich'sche Oestreich, dessen einzige Aufgabe darin be¬ stand, jeden Versuch einer freien Kraftentwicklung in seinem Staat, wie in allen benachbarten zu unterdrücke», dieses Oestreich hassen wir, und seine großdeutschcu Trabanten — wir haben keinen Ausdruck für die Empfindung, die wir gegen sie hegen. Der bestimmte Ausdruck dieses Metternich'schen Einflusses war der deutsche Bund. Zwei Adler, aneinander gebunden, sind ohne Kraft, ohne Willen. Löst das Band, und sie schwingen sich in die Luft! Der unglückselige Gedanke, durch ein souveränes Parlament dieses Band zu übergolden, muß auf immer aufgegeben werden, und wenn uns von der Revolution des vorigen Jahres keine andere Frucht bleibt, als die Lösung dieser Kette, die Freiheit Oestreichs, die Freiheit Preußens, ihre Constituirung als wirkliche, unabhängige Staaten, so können wir das weitere der Zeit überlassen, der Gewinn ist reich genng. In diesem Sinne spricht Camphausen das Programm der Partei aus, deren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/349>, abgerufen am 05.02.2025.