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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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passend, unter den gegenwärtigen Umständen fern vom Schauplatz der Begeben¬
heiten zu sein. Es glaubt, daß stegreich oder besiegt, wir seiner Vermittlung oder
seines Schutzes bedürfen werden. Wir glauben es nicht, aber wir wollen nichts
dagegen thun. Möge es Civita Vecchia behalten, möge es selbst seine Cantonnc-
meuts nach dem Bedürfniß ausdehnen und dort den Ausgang erwarten. Aber
seine Neutralität sei aufrichtig, es gebe uns unsre Waffen wieder, es öffne unsre
Häfen, und vor allen Dingen, es entferne sich von unsern Mauern I" -- Ans
diese sehr bestimmte Sprache hatte Lcsseps nichts als hohle Phrasen.

Im Hauptquartier setzte es sehr heftige Scenen, aber es gelang dennoch
dem Gesandten, die vorläufige Aufrechthaltung der Waffenruhe durchzusetzen.
Den 27. kam Herr v. Nayneval, französischer Gesandter in Neapel, ins Haupt¬
quartier. Die Vorwürfe, die er Lesseps machte, waren sehr ernst: er habe, gegen
den ausdrückliche" Befehl der Regierung nirgend die Gesandten zu Rom und
Gaeta zu Rathe gezogen, und dadurch die Republik der Gefahr ausgesetzt, an
verschiedenen Orten eine verschiedene Sprache zu führen; er habe ohne bestimmte
Vorschriften von Seiten der Negierung, nur nach eignen Inspirationen gehandelt;
er habe die Wirksamkeit der Armee paralysirt und Bedingungen gestellt, welche
Frankreich zu einer Art Offensiv- und Defcnstvallianz mit einer Macht verpflichtet
haben, welche die Regierung doch nicht anerkennt. Dadurch habe er den drei ver¬
bündeten katholischen Mächten den Fehdehandschuh hingeworfen, und den Papst
ganz in die Hände Oestreichs gegeben; er habe Neapel dem Einfall der römischen
Banden ausgesetzt. Aus diesen Gründen legte er Protest gegen ein solches Ver¬
fahren ein, und stattete Bericht an die Regierung ab, die ans sehr begreif¬
lichen Gründen ihren Bevollmächtigten bis dahin ganz ohne In-
structionen gelassen hatte.

Den 29. Mai vereinigte sich LesscpS mit Oudinot, als die Oestreicher immer
näher heranrückten, zu einem Ultimatum, welches dem Triumvirat mit der Er¬
klärung überreicht wurde, daß im Fall es nicht binnen 24 Stunden angenommen
wäre, die Verhandlungen als abgebrochen betrachtet und die Feindseligkeiten wie¬
der aufgenommen werden würden. Es enthielt folgende Artikel. 1) Die Römer
rufen den Schutz der französischen Republik an. 2) Frankreich bestreitet dem rö¬
mischen Volk nicht das Recht, sich frei über seine Regierungsform auszusprechen.
3) Die französische Armee wird in Rom aufgenommen; sie wird diejenigen Can-
tonnements beziehen, welche sie für die Vertheidigung des Landes und für den
Gesundheitszustand der Truppen als nöthig erachtet; sie wird sich in die Landes¬
verwaltung nicht einmischen. 4) Die französische Republik garantirt das durch ihre
Truppen besetzte Gebiet gegen jeden feindlichen Angriff. Vor Ablauf der bestimm¬
ten Frist schickten die Triumvirn einen Verbesserungsvorschlag, in welchem die
übrigen Artikel ziemlich beibehalten waren, nur mit dem Zusatz, daß die Stadt
Rom selbst nicht besetzt werden sollte. Der General weigerte sich, und wie man


passend, unter den gegenwärtigen Umständen fern vom Schauplatz der Begeben¬
heiten zu sein. Es glaubt, daß stegreich oder besiegt, wir seiner Vermittlung oder
seines Schutzes bedürfen werden. Wir glauben es nicht, aber wir wollen nichts
dagegen thun. Möge es Civita Vecchia behalten, möge es selbst seine Cantonnc-
meuts nach dem Bedürfniß ausdehnen und dort den Ausgang erwarten. Aber
seine Neutralität sei aufrichtig, es gebe uns unsre Waffen wieder, es öffne unsre
Häfen, und vor allen Dingen, es entferne sich von unsern Mauern I" — Ans
diese sehr bestimmte Sprache hatte Lcsseps nichts als hohle Phrasen.

Im Hauptquartier setzte es sehr heftige Scenen, aber es gelang dennoch
dem Gesandten, die vorläufige Aufrechthaltung der Waffenruhe durchzusetzen.
Den 27. kam Herr v. Nayneval, französischer Gesandter in Neapel, ins Haupt¬
quartier. Die Vorwürfe, die er Lesseps machte, waren sehr ernst: er habe, gegen
den ausdrückliche» Befehl der Regierung nirgend die Gesandten zu Rom und
Gaeta zu Rathe gezogen, und dadurch die Republik der Gefahr ausgesetzt, an
verschiedenen Orten eine verschiedene Sprache zu führen; er habe ohne bestimmte
Vorschriften von Seiten der Negierung, nur nach eignen Inspirationen gehandelt;
er habe die Wirksamkeit der Armee paralysirt und Bedingungen gestellt, welche
Frankreich zu einer Art Offensiv- und Defcnstvallianz mit einer Macht verpflichtet
haben, welche die Regierung doch nicht anerkennt. Dadurch habe er den drei ver¬
bündeten katholischen Mächten den Fehdehandschuh hingeworfen, und den Papst
ganz in die Hände Oestreichs gegeben; er habe Neapel dem Einfall der römischen
Banden ausgesetzt. Aus diesen Gründen legte er Protest gegen ein solches Ver¬
fahren ein, und stattete Bericht an die Regierung ab, die ans sehr begreif¬
lichen Gründen ihren Bevollmächtigten bis dahin ganz ohne In-
structionen gelassen hatte.

Den 29. Mai vereinigte sich LesscpS mit Oudinot, als die Oestreicher immer
näher heranrückten, zu einem Ultimatum, welches dem Triumvirat mit der Er¬
klärung überreicht wurde, daß im Fall es nicht binnen 24 Stunden angenommen
wäre, die Verhandlungen als abgebrochen betrachtet und die Feindseligkeiten wie¬
der aufgenommen werden würden. Es enthielt folgende Artikel. 1) Die Römer
rufen den Schutz der französischen Republik an. 2) Frankreich bestreitet dem rö¬
mischen Volk nicht das Recht, sich frei über seine Regierungsform auszusprechen.
3) Die französische Armee wird in Rom aufgenommen; sie wird diejenigen Can-
tonnements beziehen, welche sie für die Vertheidigung des Landes und für den
Gesundheitszustand der Truppen als nöthig erachtet; sie wird sich in die Landes¬
verwaltung nicht einmischen. 4) Die französische Republik garantirt das durch ihre
Truppen besetzte Gebiet gegen jeden feindlichen Angriff. Vor Ablauf der bestimm¬
ten Frist schickten die Triumvirn einen Verbesserungsvorschlag, in welchem die
übrigen Artikel ziemlich beibehalten waren, nur mit dem Zusatz, daß die Stadt
Rom selbst nicht besetzt werden sollte. Der General weigerte sich, und wie man


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[0344] passend, unter den gegenwärtigen Umständen fern vom Schauplatz der Begeben¬ heiten zu sein. Es glaubt, daß stegreich oder besiegt, wir seiner Vermittlung oder seines Schutzes bedürfen werden. Wir glauben es nicht, aber wir wollen nichts dagegen thun. Möge es Civita Vecchia behalten, möge es selbst seine Cantonnc- meuts nach dem Bedürfniß ausdehnen und dort den Ausgang erwarten. Aber seine Neutralität sei aufrichtig, es gebe uns unsre Waffen wieder, es öffne unsre Häfen, und vor allen Dingen, es entferne sich von unsern Mauern I" — Ans diese sehr bestimmte Sprache hatte Lcsseps nichts als hohle Phrasen. Im Hauptquartier setzte es sehr heftige Scenen, aber es gelang dennoch dem Gesandten, die vorläufige Aufrechthaltung der Waffenruhe durchzusetzen. Den 27. kam Herr v. Nayneval, französischer Gesandter in Neapel, ins Haupt¬ quartier. Die Vorwürfe, die er Lesseps machte, waren sehr ernst: er habe, gegen den ausdrückliche» Befehl der Regierung nirgend die Gesandten zu Rom und Gaeta zu Rathe gezogen, und dadurch die Republik der Gefahr ausgesetzt, an verschiedenen Orten eine verschiedene Sprache zu führen; er habe ohne bestimmte Vorschriften von Seiten der Negierung, nur nach eignen Inspirationen gehandelt; er habe die Wirksamkeit der Armee paralysirt und Bedingungen gestellt, welche Frankreich zu einer Art Offensiv- und Defcnstvallianz mit einer Macht verpflichtet haben, welche die Regierung doch nicht anerkennt. Dadurch habe er den drei ver¬ bündeten katholischen Mächten den Fehdehandschuh hingeworfen, und den Papst ganz in die Hände Oestreichs gegeben; er habe Neapel dem Einfall der römischen Banden ausgesetzt. Aus diesen Gründen legte er Protest gegen ein solches Ver¬ fahren ein, und stattete Bericht an die Regierung ab, die ans sehr begreif¬ lichen Gründen ihren Bevollmächtigten bis dahin ganz ohne In- structionen gelassen hatte. Den 29. Mai vereinigte sich LesscpS mit Oudinot, als die Oestreicher immer näher heranrückten, zu einem Ultimatum, welches dem Triumvirat mit der Er¬ klärung überreicht wurde, daß im Fall es nicht binnen 24 Stunden angenommen wäre, die Verhandlungen als abgebrochen betrachtet und die Feindseligkeiten wie¬ der aufgenommen werden würden. Es enthielt folgende Artikel. 1) Die Römer rufen den Schutz der französischen Republik an. 2) Frankreich bestreitet dem rö¬ mischen Volk nicht das Recht, sich frei über seine Regierungsform auszusprechen. 3) Die französische Armee wird in Rom aufgenommen; sie wird diejenigen Can- tonnements beziehen, welche sie für die Vertheidigung des Landes und für den Gesundheitszustand der Truppen als nöthig erachtet; sie wird sich in die Landes¬ verwaltung nicht einmischen. 4) Die französische Republik garantirt das durch ihre Truppen besetzte Gebiet gegen jeden feindlichen Angriff. Vor Ablauf der bestimm¬ ten Frist schickten die Triumvirn einen Verbesserungsvorschlag, in welchem die übrigen Artikel ziemlich beibehalten waren, nur mit dem Zusatz, daß die Stadt Rom selbst nicht besetzt werden sollte. Der General weigerte sich, und wie man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/344>, abgerufen am 05.02.2025.