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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Nationalversammlung, die fremde Intervention verhindern sollen. 2) Das römische
Volk hat sein Recht, sich frei über seine Regierungsform auszusprechen, ausgeübt,
und Frankreich wird dasselbe anerkennen, sobald die von der Nationalversammlung
entworfene Verfassung durch das allgemeine Stimmrecht bestätigt sein wird. 3) Rom
wird die französischen Soldaten als Brüder empfangen, aber dieselben werden nicht
eher die Stadt besetzen, als bis die Regierung der Republik sie dazu auffordern
wird. Die Behörden der Republik bleiben in ihren gesetzlichen Funktionen. --
Der General sah diese Vorschläge kaum an, und Lcsseps, der einerseits in Rom
manche Verdrießlichkeiten hatte, andererseits täglich von der Ungeduld der Officiere
bestürmt wurde, die ihre am 30. April erlittene Scharte wieder auswetzen woll¬
ten, begab sich am 24. ins Hauptquartier. Der General erklärte ihm mit dürren
Worten, daß dieser Zustand der Dinge ein unhaltbarer sei, und daß Niemand die
Illusionen des Diplomaten theile. Man vereinigte sich endlich dahin, noch eine
Depesche an die cvnstituirende Versammlung zu expediren, in welcher jenen Arti¬
keln eine mögliche liberale Interpretation gegeben, und der vierte hinzugefügt
wurde: die französische Republik garantirt das vou ihren Truppen besetzte Gebiet
gegen jeden fremden Angriff. Mazzini ertheilte (25. Mai) drauf eine Antwort,
die ebenso klar und verständig war, wie alles, was von Lcsseps ausging, unbe¬
stimmt und verworren. Ich bemerke beiläufig, daß einer von den Gründen, durch
welche der letztere die Generale zu bestimmen suchte, auf Scene Vermittelung ein¬
zugehen, die Furcht vor den pvrtcstantischcn Missionären war, mit denen der römi¬
sche Dictator unter einer Decke stecken sollte! und unter den Gründen, womit er
die Römer von den guten Absichten Frankreichs überzeugen wollte, der Höflichkeit
des commandirenden Generals, als ihm von Rom 30,000 Stück Cigarren ge¬
schickt wurden!

"In einer Konferenz der katholischen Mächte, schreibt Mazzini, zu welcher
die römische Regierung nicht einberufen wurde, ist ausgemacht worden, l) daß in
dem gegenwärtigen Zustand der römischen Republik eine Veränderung vorgenom¬
men, 2) daß diese Veränderung zur Basis die Wiederherstellung der weltlichen
Gewalt des Papstes haben, 3) daß dieser Zweck durch eine Intervention durch¬
geführt werden soll. Wenn nun auch Frankreich, dem absolutistischen Oestreich
und Neapel entgegengesetzt, seinen Einfluß in liberalem Sinne auszuüben gedenkt,
s" ist doch der Grundgedanke seiner Expedition der nämliche: die Verfassung, den
gesetzlichen Ausdruck des römischen Volkswillens, aufzuheben. Sie hat außerdem
"°es schädlicher gewirkt als jene, denn sie hat uns verhindert, unsern Feinden
^tgegenzugehen, sie hat, durch eine Belagerung ohne Zweck, unsere Finanzen
ruinirt. Rom wird sich aber, so lange es sich vertheidigen kann, keiner fremden
Gewalt ausliefern. Frankreich hat nur die Wahl, sich für uns zu erklären, oder
für unsere Feinde, oder neutral zu bleiben. Nur das letztere wünschen wir. Die
Besetzung von Civita Vecchia ist ein l'-ut, nccompll; Frankreich hält es für un-


Nationalversammlung, die fremde Intervention verhindern sollen. 2) Das römische
Volk hat sein Recht, sich frei über seine Regierungsform auszusprechen, ausgeübt,
und Frankreich wird dasselbe anerkennen, sobald die von der Nationalversammlung
entworfene Verfassung durch das allgemeine Stimmrecht bestätigt sein wird. 3) Rom
wird die französischen Soldaten als Brüder empfangen, aber dieselben werden nicht
eher die Stadt besetzen, als bis die Regierung der Republik sie dazu auffordern
wird. Die Behörden der Republik bleiben in ihren gesetzlichen Funktionen. —
Der General sah diese Vorschläge kaum an, und Lcsseps, der einerseits in Rom
manche Verdrießlichkeiten hatte, andererseits täglich von der Ungeduld der Officiere
bestürmt wurde, die ihre am 30. April erlittene Scharte wieder auswetzen woll¬
ten, begab sich am 24. ins Hauptquartier. Der General erklärte ihm mit dürren
Worten, daß dieser Zustand der Dinge ein unhaltbarer sei, und daß Niemand die
Illusionen des Diplomaten theile. Man vereinigte sich endlich dahin, noch eine
Depesche an die cvnstituirende Versammlung zu expediren, in welcher jenen Arti¬
keln eine mögliche liberale Interpretation gegeben, und der vierte hinzugefügt
wurde: die französische Republik garantirt das vou ihren Truppen besetzte Gebiet
gegen jeden fremden Angriff. Mazzini ertheilte (25. Mai) drauf eine Antwort,
die ebenso klar und verständig war, wie alles, was von Lcsseps ausging, unbe¬
stimmt und verworren. Ich bemerke beiläufig, daß einer von den Gründen, durch
welche der letztere die Generale zu bestimmen suchte, auf Scene Vermittelung ein¬
zugehen, die Furcht vor den pvrtcstantischcn Missionären war, mit denen der römi¬
sche Dictator unter einer Decke stecken sollte! und unter den Gründen, womit er
die Römer von den guten Absichten Frankreichs überzeugen wollte, der Höflichkeit
des commandirenden Generals, als ihm von Rom 30,000 Stück Cigarren ge¬
schickt wurden!

„In einer Konferenz der katholischen Mächte, schreibt Mazzini, zu welcher
die römische Regierung nicht einberufen wurde, ist ausgemacht worden, l) daß in
dem gegenwärtigen Zustand der römischen Republik eine Veränderung vorgenom¬
men, 2) daß diese Veränderung zur Basis die Wiederherstellung der weltlichen
Gewalt des Papstes haben, 3) daß dieser Zweck durch eine Intervention durch¬
geführt werden soll. Wenn nun auch Frankreich, dem absolutistischen Oestreich
und Neapel entgegengesetzt, seinen Einfluß in liberalem Sinne auszuüben gedenkt,
s" ist doch der Grundgedanke seiner Expedition der nämliche: die Verfassung, den
gesetzlichen Ausdruck des römischen Volkswillens, aufzuheben. Sie hat außerdem
"°es schädlicher gewirkt als jene, denn sie hat uns verhindert, unsern Feinden
^tgegenzugehen, sie hat, durch eine Belagerung ohne Zweck, unsere Finanzen
ruinirt. Rom wird sich aber, so lange es sich vertheidigen kann, keiner fremden
Gewalt ausliefern. Frankreich hat nur die Wahl, sich für uns zu erklären, oder
für unsere Feinde, oder neutral zu bleiben. Nur das letztere wünschen wir. Die
Besetzung von Civita Vecchia ist ein l'-ut, nccompll; Frankreich hält es für un-


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[0343] Nationalversammlung, die fremde Intervention verhindern sollen. 2) Das römische Volk hat sein Recht, sich frei über seine Regierungsform auszusprechen, ausgeübt, und Frankreich wird dasselbe anerkennen, sobald die von der Nationalversammlung entworfene Verfassung durch das allgemeine Stimmrecht bestätigt sein wird. 3) Rom wird die französischen Soldaten als Brüder empfangen, aber dieselben werden nicht eher die Stadt besetzen, als bis die Regierung der Republik sie dazu auffordern wird. Die Behörden der Republik bleiben in ihren gesetzlichen Funktionen. — Der General sah diese Vorschläge kaum an, und Lcsseps, der einerseits in Rom manche Verdrießlichkeiten hatte, andererseits täglich von der Ungeduld der Officiere bestürmt wurde, die ihre am 30. April erlittene Scharte wieder auswetzen woll¬ ten, begab sich am 24. ins Hauptquartier. Der General erklärte ihm mit dürren Worten, daß dieser Zustand der Dinge ein unhaltbarer sei, und daß Niemand die Illusionen des Diplomaten theile. Man vereinigte sich endlich dahin, noch eine Depesche an die cvnstituirende Versammlung zu expediren, in welcher jenen Arti¬ keln eine mögliche liberale Interpretation gegeben, und der vierte hinzugefügt wurde: die französische Republik garantirt das vou ihren Truppen besetzte Gebiet gegen jeden fremden Angriff. Mazzini ertheilte (25. Mai) drauf eine Antwort, die ebenso klar und verständig war, wie alles, was von Lcsseps ausging, unbe¬ stimmt und verworren. Ich bemerke beiläufig, daß einer von den Gründen, durch welche der letztere die Generale zu bestimmen suchte, auf Scene Vermittelung ein¬ zugehen, die Furcht vor den pvrtcstantischcn Missionären war, mit denen der römi¬ sche Dictator unter einer Decke stecken sollte! und unter den Gründen, womit er die Römer von den guten Absichten Frankreichs überzeugen wollte, der Höflichkeit des commandirenden Generals, als ihm von Rom 30,000 Stück Cigarren ge¬ schickt wurden! „In einer Konferenz der katholischen Mächte, schreibt Mazzini, zu welcher die römische Regierung nicht einberufen wurde, ist ausgemacht worden, l) daß in dem gegenwärtigen Zustand der römischen Republik eine Veränderung vorgenom¬ men, 2) daß diese Veränderung zur Basis die Wiederherstellung der weltlichen Gewalt des Papstes haben, 3) daß dieser Zweck durch eine Intervention durch¬ geführt werden soll. Wenn nun auch Frankreich, dem absolutistischen Oestreich und Neapel entgegengesetzt, seinen Einfluß in liberalem Sinne auszuüben gedenkt, s" ist doch der Grundgedanke seiner Expedition der nämliche: die Verfassung, den gesetzlichen Ausdruck des römischen Volkswillens, aufzuheben. Sie hat außerdem "°es schädlicher gewirkt als jene, denn sie hat uns verhindert, unsern Feinden ^tgegenzugehen, sie hat, durch eine Belagerung ohne Zweck, unsere Finanzen ruinirt. Rom wird sich aber, so lange es sich vertheidigen kann, keiner fremden Gewalt ausliefern. Frankreich hat nur die Wahl, sich für uns zu erklären, oder für unsere Feinde, oder neutral zu bleiben. Nur das letztere wünschen wir. Die Besetzung von Civita Vecchia ist ein l'-ut, nccompll; Frankreich hält es für un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/343>, abgerufen am 05.02.2025.