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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Das klingt sehr energisch; wenn man aber näher zusteht, so verlieren sich
jene Drohungen ganz in's Unbestimmte. Die Stadt zu erobern, und dann dem
Papst zu erklären, wir geben sie dir nicht eher heraus, als bis du unsere For-
derungen zugestanden hast, daran konnte Frankreich nicht wohl denken, weil es
sich, ganz abgesehen von dem Ncchtspunkt, allen Eventualitäten eines allgemeinen
Krieges dadurch ausgesetzt hätte. Freilich hatte General Oudinot, indem er die
päpstlichen Kommissären aus Civita Vechia zurückwies, dem Anschein nach etwas
ähnliches gethan, und die Regierung hatte diesen Schritt gebilligt. Aber der
Umfang und damit die Wichtigkeit beider Schritte war sehr verschieden. Frank¬
reich mußte entweder die Zugeständnisse des Papstes in der Tasche haben, bevor
es zur Execution schritt, oder es mußte, wenn es nicht neutral bleiben wollte,
jede fremde Intervention verhindern. Jeder dritte Weg war weiter nichts, als
das alte Spiel französischer Eitelkeit, wie es schon unter Casimir Perier in der
Besetzung vou Ancona sich gezeigt hatte, eine zudringliche Einmischung, die nur
die Verwirrung steigerte, ohne zu irgend einem Resultat zu führen. --

Herr von Lcsseps kam am l5. Mai im Hauptquartier an, und reiste, nach¬
dem er eine vorläufige Waffenruhe veranlaßt, nach Rom. Er fand ziemlich die
ganze Bevölkerung zum Widerstand entschlossen, und die Römer ebenso zuversicht¬
lich in der Erwartung eines Umschwungs der Dinge in Frankreich, als man es
zu Paris von Rom glaubte. Er entwarf am 16., gemeinschaftlich mit Oudinot und
Harcourt, folgenden Entwurf der Verständigung: I) die französische Armee gibt
die Communication zwischen der Hauptstadt und den Provinzen frei, 2) Rom
nimmt die französische Armee als befreundet auf, 3) die gegenwärtige Negierung
gibt ihre Functionen auf und wird durch eine provisorische ersetzt, welche die Na¬
tionalversammlung erwählt, bis zu dem Augenblick, wo das Volk sich über die
Regierungsform ausgesprochen haben wird. Indeß kam man, da die letzte Klausel
wenig Aussichten zu einer Verständigung bot, über eine neue Redaction überein,
die folgenden Inhalt hatte: l) Der römische Senat veut" ki,,) ruft den brü¬
derlichen Schutz der französischen Republik an. 2) Das römische Volk hat das
Recht, sich frei über seine Regierungsform auszusprechen. 3) Rom nimmt die
französische Armee als befreundet auf, die beiderseitigen Truppen versehen gemein¬
schaftlich den Dienst, die Behörden bleiben in den Functionen, die ihnen gesetzlich
zukommen.

Das Triumvirat erklärte (19. Mai), auf diese Vorschläge nicht eingehen zu
können, da es darin keine hinlängliche" Garantien für die Freiheit fände, und da
die militärische Besetzung der Hauptstadt der öffentlichen Meinung zuwider sei;
es versprach aber andere Vorschläge zu macheu. Die Vorschläge wurden durch
den nordamerikanischen Gesandten, Caß, (2l. Mai), dem General zugestellt. Sie
enthielten folgende Artikel: 1) Die römische Republik nimmt dankbar die Unter¬
stützung der französischen Truppen an, welche nach dem Beschluß der französischen


Das klingt sehr energisch; wenn man aber näher zusteht, so verlieren sich
jene Drohungen ganz in's Unbestimmte. Die Stadt zu erobern, und dann dem
Papst zu erklären, wir geben sie dir nicht eher heraus, als bis du unsere For-
derungen zugestanden hast, daran konnte Frankreich nicht wohl denken, weil es
sich, ganz abgesehen von dem Ncchtspunkt, allen Eventualitäten eines allgemeinen
Krieges dadurch ausgesetzt hätte. Freilich hatte General Oudinot, indem er die
päpstlichen Kommissären aus Civita Vechia zurückwies, dem Anschein nach etwas
ähnliches gethan, und die Regierung hatte diesen Schritt gebilligt. Aber der
Umfang und damit die Wichtigkeit beider Schritte war sehr verschieden. Frank¬
reich mußte entweder die Zugeständnisse des Papstes in der Tasche haben, bevor
es zur Execution schritt, oder es mußte, wenn es nicht neutral bleiben wollte,
jede fremde Intervention verhindern. Jeder dritte Weg war weiter nichts, als
das alte Spiel französischer Eitelkeit, wie es schon unter Casimir Perier in der
Besetzung vou Ancona sich gezeigt hatte, eine zudringliche Einmischung, die nur
die Verwirrung steigerte, ohne zu irgend einem Resultat zu führen. —

Herr von Lcsseps kam am l5. Mai im Hauptquartier an, und reiste, nach¬
dem er eine vorläufige Waffenruhe veranlaßt, nach Rom. Er fand ziemlich die
ganze Bevölkerung zum Widerstand entschlossen, und die Römer ebenso zuversicht¬
lich in der Erwartung eines Umschwungs der Dinge in Frankreich, als man es
zu Paris von Rom glaubte. Er entwarf am 16., gemeinschaftlich mit Oudinot und
Harcourt, folgenden Entwurf der Verständigung: I) die französische Armee gibt
die Communication zwischen der Hauptstadt und den Provinzen frei, 2) Rom
nimmt die französische Armee als befreundet auf, 3) die gegenwärtige Negierung
gibt ihre Functionen auf und wird durch eine provisorische ersetzt, welche die Na¬
tionalversammlung erwählt, bis zu dem Augenblick, wo das Volk sich über die
Regierungsform ausgesprochen haben wird. Indeß kam man, da die letzte Klausel
wenig Aussichten zu einer Verständigung bot, über eine neue Redaction überein,
die folgenden Inhalt hatte: l) Der römische Senat veut« ki,,) ruft den brü¬
derlichen Schutz der französischen Republik an. 2) Das römische Volk hat das
Recht, sich frei über seine Regierungsform auszusprechen. 3) Rom nimmt die
französische Armee als befreundet auf, die beiderseitigen Truppen versehen gemein¬
schaftlich den Dienst, die Behörden bleiben in den Functionen, die ihnen gesetzlich
zukommen.

Das Triumvirat erklärte (19. Mai), auf diese Vorschläge nicht eingehen zu
können, da es darin keine hinlängliche» Garantien für die Freiheit fände, und da
die militärische Besetzung der Hauptstadt der öffentlichen Meinung zuwider sei;
es versprach aber andere Vorschläge zu macheu. Die Vorschläge wurden durch
den nordamerikanischen Gesandten, Caß, (2l. Mai), dem General zugestellt. Sie
enthielten folgende Artikel: 1) Die römische Republik nimmt dankbar die Unter¬
stützung der französischen Truppen an, welche nach dem Beschluß der französischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/342>, abgerufen am 05.02.2025.