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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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in dieser Doppeleigenschaft ging er mit kluger Benutzung der gegebenen Verhält¬
nisse den Bund zuerst mit beiden dann vorzugsweise mit den ersteren ein. Nach der
schon im Mittelalter geläufigen Maxime, daß ein streng kirchlich geartetes Volk
am besten zu regieren sei, begünstigte er jene auf Erweckung der strengeren Kirch¬
lichkeit gerichteten Bestrebungen bei beiden Confessionen. Als weißblaner Staats¬
mann nahm er das Montgelassystem energisch auf, uur daß er sich anderer Fac-
toren bediente. Montgelas glaubte mittelst eines methodischen Staatshaushaltes,
eines starken Heeres und einer pfiffigen auswärtigen Politik Baierns isolirte Stel¬
lung als eine quasteuropäische Macht bewahren zu können. Eine Zeit lang war
es scheinbar gegangen, bald aber kam Baiern ganz in das Schlepptau Oestreichs.
Abel erkannte von seinem Standpunkte aus ganz richtig, daß man noch irgend
eine geistige Potenz in die Rechnung heranziehen müsse. Als eine solche bot sich
der Neokatholicismus dar, der sich bereits fest und klug organisirt hatte. Diesem
war alles daran gelegen sich einem der größeren deutschen Staaten dienstbar zu
machen. Auf Oestreich konnte er so lange Metternich lebte und auch uoch weiter
hinaus nicht rechnen, dort war er zwar als gehorsamer Bediente gern gesehen aber
so lange das östreichische Regierungssystem bestand, war er immer streng in dieser
demüthigen Stellung gehalten worden. In Baiern dagegen schien ihm noch eine
große Zukunft zu blühen, daher ergriff er mit Freude" die vom Minister gebotene
Hand, natürlich mit dem Rückhalte, in nur eiustweilig.es Verhältniß einzugehen,
wie auch Abel nur so lauge Nachsicht gegen die Herrschergelüste der Ultramontanen
zu übe" gedachte, bis er mit ihrer Hilfe im Innern alle Neste liberaler Regungen
vollständig ausgetilgt und nach außen Baierns Unabhängigkeit ganz fest gegründet
haben würde. Für's erste war er den frühern Libertin ein gehorsamer Sohn der
Kirche, aber man wußte von manchen vertraulichen Aeußerungen, in denen der
Unmuth der stolzen Bnreaukratenseele sich Luft machte, wenn er sich von einem
Graf Reisach, dem Eichstädter Bischof, oder einem Stahl, dem Würzburger,
Mit jener vornehmen Herablassung und geschmeidigen Höflichkeit, wie sie nur die
katholischen Kirchenhäupter verbunden besitzen, behandelt sah. Auch täuschten sich
die Ultramontanen niemals über seine wahre Gesinnung und es fehlte nicht an
allerlei boshaften Witzen über seine Betfahrten nach Oettiug, oder seine Kapuziner
in Stamsried, und diese gingen alle von jenen Kreisen aus.

Jeder der beiden Paciscenten gedachte also dem andern, sobald sich die Zeit
erfüllt haben würde, ungefähr ebenso zu behandeln, wie sie beide damals mit den
Protestantischen Orthodoxen, deren sie nicht mehr bedurften, umgingen, und eS
war ein besonderer Humor der Geschichte, daß beide in edelmüthiger Selbstauf¬
opferung für einander zu Falle kommen mußten.

Genau besehen, war durch die Lvlakatastrophe vou 1847 nichts weiter gewon¬
nen, als daß die Verbündeten durch das Unglück nur noch fester aneinander ge¬
kettet wurden, da sie wohl einsahen, daß sie allein ganz verloren sein würden.


in dieser Doppeleigenschaft ging er mit kluger Benutzung der gegebenen Verhält¬
nisse den Bund zuerst mit beiden dann vorzugsweise mit den ersteren ein. Nach der
schon im Mittelalter geläufigen Maxime, daß ein streng kirchlich geartetes Volk
am besten zu regieren sei, begünstigte er jene auf Erweckung der strengeren Kirch¬
lichkeit gerichteten Bestrebungen bei beiden Confessionen. Als weißblaner Staats¬
mann nahm er das Montgelassystem energisch auf, uur daß er sich anderer Fac-
toren bediente. Montgelas glaubte mittelst eines methodischen Staatshaushaltes,
eines starken Heeres und einer pfiffigen auswärtigen Politik Baierns isolirte Stel¬
lung als eine quasteuropäische Macht bewahren zu können. Eine Zeit lang war
es scheinbar gegangen, bald aber kam Baiern ganz in das Schlepptau Oestreichs.
Abel erkannte von seinem Standpunkte aus ganz richtig, daß man noch irgend
eine geistige Potenz in die Rechnung heranziehen müsse. Als eine solche bot sich
der Neokatholicismus dar, der sich bereits fest und klug organisirt hatte. Diesem
war alles daran gelegen sich einem der größeren deutschen Staaten dienstbar zu
machen. Auf Oestreich konnte er so lange Metternich lebte und auch uoch weiter
hinaus nicht rechnen, dort war er zwar als gehorsamer Bediente gern gesehen aber
so lange das östreichische Regierungssystem bestand, war er immer streng in dieser
demüthigen Stellung gehalten worden. In Baiern dagegen schien ihm noch eine
große Zukunft zu blühen, daher ergriff er mit Freude» die vom Minister gebotene
Hand, natürlich mit dem Rückhalte, in nur eiustweilig.es Verhältniß einzugehen,
wie auch Abel nur so lauge Nachsicht gegen die Herrschergelüste der Ultramontanen
zu übe» gedachte, bis er mit ihrer Hilfe im Innern alle Neste liberaler Regungen
vollständig ausgetilgt und nach außen Baierns Unabhängigkeit ganz fest gegründet
haben würde. Für's erste war er den frühern Libertin ein gehorsamer Sohn der
Kirche, aber man wußte von manchen vertraulichen Aeußerungen, in denen der
Unmuth der stolzen Bnreaukratenseele sich Luft machte, wenn er sich von einem
Graf Reisach, dem Eichstädter Bischof, oder einem Stahl, dem Würzburger,
Mit jener vornehmen Herablassung und geschmeidigen Höflichkeit, wie sie nur die
katholischen Kirchenhäupter verbunden besitzen, behandelt sah. Auch täuschten sich
die Ultramontanen niemals über seine wahre Gesinnung und es fehlte nicht an
allerlei boshaften Witzen über seine Betfahrten nach Oettiug, oder seine Kapuziner
in Stamsried, und diese gingen alle von jenen Kreisen aus.

Jeder der beiden Paciscenten gedachte also dem andern, sobald sich die Zeit
erfüllt haben würde, ungefähr ebenso zu behandeln, wie sie beide damals mit den
Protestantischen Orthodoxen, deren sie nicht mehr bedurften, umgingen, und eS
war ein besonderer Humor der Geschichte, daß beide in edelmüthiger Selbstauf¬
opferung für einander zu Falle kommen mußten.

Genau besehen, war durch die Lvlakatastrophe vou 1847 nichts weiter gewon¬
nen, als daß die Verbündeten durch das Unglück nur noch fester aneinander ge¬
kettet wurden, da sie wohl einsahen, daß sie allein ganz verloren sein würden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/335>, abgerufen am 05.02.2025.