Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einen andern Erfolg anhielt, als daß der Katholicismus oder vielmehr Abelianis-
mus nur Schritt für Schritt da5 Terrain zu erobern vermochte.

Es war die Zeit, wo man sich in den Kammern und in Zeitungen und
Brochüren über die dem Militär und sogar der Bürgerwehr beider Konfessionen
plötzlich durch Ministerialrescript anbefohlene Kniebeugung vor dem Sanctissimum
herumstritt, während es die Erlanger und Münchner Pietisten ganz natürlich fan¬
den, wenn der fanatisirte katholische jüngere Klerus gegen die gemischten Ehen, über¬
haupt gegen allen innigeren Verkehr der beiden Confessionen und für eine Absperrung
predigte, 'wie sie die Türken gegen die Giaurs zu üben pflegen; wenn die Schulen
streng nach den Confessionen gesondert, Lehrbücher der katholischen und protestan¬
tischen Geschichte von Rcgierungswegcn verabfaßt und mit Zwangsmaßregeln ein¬
geführt, das Studium der Philologie ohne Theologie verboten, die alten Klassi¬
ker in den castrirten Jesuitenausgaben des 17. Jahrhunderts wieder aufgelegt und
den Gymnasien aufgedrungen wurden. Das nannten die Herren Harleß und
Stahl, die beiden Vorkämpfer des Protestantismus, bloße Präventivmaßregeln
gegen den einreißenden Jndifferentismus, aber in der Kniebeugung wollten sie kein
Haar nachgeben, trotz aller indirecten und directen Drohungen der Negierung, die
sie endlich beide aus Baiern zu entfernen wußte. Ja ein echter königlich bairi-
scher von dem Gifte des norddeutschen Unglaubens nicht angesteckter Protestant
aus dem Anfang der vierziger Jahre durfte es nicht einmal komisch finden, wenn
ein hohes Ministerium des Innern sogar die Züchtlinge und Irren nach den Con¬
fessionen absonderte und um sie vor dem Indifferentismus zu bewahren, besondere
katholische und protestantische Irren- und Zuchthäuser errichtete.

Vom Standpunkt dieser protestantischen Partei aus, hat daher Herr von
Abel vollkommen Recht, wenn er sich, wie er im vorigen bairischen Landtage
gethan, nun zwei l-ni-8 zu" gegen den Protestantismus vorwirft; der eine, sein
Benehmen in der Kniebeuguugsfrage, der andere sein Widerstand, wie er es ge¬
linde ausdrückt, gegen die Bildung neuer protestantischer Gemeinden. -- Daß
unter seinem Ministerium über hundert Klöster entstanden und die Jesuiten nicht blos
in's Land kamen, sondern überall auf die unverschämteste Weise Propagande mach¬
ten, daß besondere reich dotirte Stiftungen für Konvertiten errichtet wurden, daß
man aus alle Weise deu katholischen Pöbel in den größeren Städten gemischter
Konfession z. B. in Augsburg und Regensburg, vor allem aber in dem frommen
München gegen die Protestanten hetzte, das baute ihn ja nach jener protestanti¬
schen Ansicht nur eben so viel Stufen in seinen Himmel, den man sich bereits
ebenso nach Konfessionen geschieden dachte, wie die Zucht- und Irrenhäuser.

Außerhalb Baierns pflegte man Abel und die Ultramontanen gewöhnlich zu
identificiren und thut es wohl auch noch jetzt. In Wahrheit hatte er jedoch mit ihnen
innerlich ungefähr eben so viel zu schaffen, wie mit den protestantischen Orthodoxen.
Er war durch und durch "in specifisch weißblauer Staatsmann und Bnreankrat und


einen andern Erfolg anhielt, als daß der Katholicismus oder vielmehr Abelianis-
mus nur Schritt für Schritt da5 Terrain zu erobern vermochte.

Es war die Zeit, wo man sich in den Kammern und in Zeitungen und
Brochüren über die dem Militär und sogar der Bürgerwehr beider Konfessionen
plötzlich durch Ministerialrescript anbefohlene Kniebeugung vor dem Sanctissimum
herumstritt, während es die Erlanger und Münchner Pietisten ganz natürlich fan¬
den, wenn der fanatisirte katholische jüngere Klerus gegen die gemischten Ehen, über¬
haupt gegen allen innigeren Verkehr der beiden Confessionen und für eine Absperrung
predigte, 'wie sie die Türken gegen die Giaurs zu üben pflegen; wenn die Schulen
streng nach den Confessionen gesondert, Lehrbücher der katholischen und protestan¬
tischen Geschichte von Rcgierungswegcn verabfaßt und mit Zwangsmaßregeln ein¬
geführt, das Studium der Philologie ohne Theologie verboten, die alten Klassi¬
ker in den castrirten Jesuitenausgaben des 17. Jahrhunderts wieder aufgelegt und
den Gymnasien aufgedrungen wurden. Das nannten die Herren Harleß und
Stahl, die beiden Vorkämpfer des Protestantismus, bloße Präventivmaßregeln
gegen den einreißenden Jndifferentismus, aber in der Kniebeugung wollten sie kein
Haar nachgeben, trotz aller indirecten und directen Drohungen der Negierung, die
sie endlich beide aus Baiern zu entfernen wußte. Ja ein echter königlich bairi-
scher von dem Gifte des norddeutschen Unglaubens nicht angesteckter Protestant
aus dem Anfang der vierziger Jahre durfte es nicht einmal komisch finden, wenn
ein hohes Ministerium des Innern sogar die Züchtlinge und Irren nach den Con¬
fessionen absonderte und um sie vor dem Indifferentismus zu bewahren, besondere
katholische und protestantische Irren- und Zuchthäuser errichtete.

Vom Standpunkt dieser protestantischen Partei aus, hat daher Herr von
Abel vollkommen Recht, wenn er sich, wie er im vorigen bairischen Landtage
gethan, nun zwei l-ni-8 zu« gegen den Protestantismus vorwirft; der eine, sein
Benehmen in der Kniebeuguugsfrage, der andere sein Widerstand, wie er es ge¬
linde ausdrückt, gegen die Bildung neuer protestantischer Gemeinden. — Daß
unter seinem Ministerium über hundert Klöster entstanden und die Jesuiten nicht blos
in's Land kamen, sondern überall auf die unverschämteste Weise Propagande mach¬
ten, daß besondere reich dotirte Stiftungen für Konvertiten errichtet wurden, daß
man aus alle Weise deu katholischen Pöbel in den größeren Städten gemischter
Konfession z. B. in Augsburg und Regensburg, vor allem aber in dem frommen
München gegen die Protestanten hetzte, das baute ihn ja nach jener protestanti¬
schen Ansicht nur eben so viel Stufen in seinen Himmel, den man sich bereits
ebenso nach Konfessionen geschieden dachte, wie die Zucht- und Irrenhäuser.

Außerhalb Baierns pflegte man Abel und die Ultramontanen gewöhnlich zu
identificiren und thut es wohl auch noch jetzt. In Wahrheit hatte er jedoch mit ihnen
innerlich ungefähr eben so viel zu schaffen, wie mit den protestantischen Orthodoxen.
Er war durch und durch »in specifisch weißblauer Staatsmann und Bnreankrat und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279360"/>
          <p xml:id="ID_1101" prev="#ID_1100"> einen andern Erfolg anhielt, als daß der Katholicismus oder vielmehr Abelianis-<lb/>
mus nur Schritt für Schritt da5 Terrain zu erobern vermochte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1102"> Es war die Zeit, wo man sich in den Kammern und in Zeitungen und<lb/>
Brochüren über die dem Militär und sogar der Bürgerwehr beider Konfessionen<lb/>
plötzlich durch Ministerialrescript anbefohlene Kniebeugung vor dem Sanctissimum<lb/>
herumstritt, während es die Erlanger und Münchner Pietisten ganz natürlich fan¬<lb/>
den, wenn der fanatisirte katholische jüngere Klerus gegen die gemischten Ehen, über¬<lb/>
haupt gegen allen innigeren Verkehr der beiden Confessionen und für eine Absperrung<lb/>
predigte, 'wie sie die Türken gegen die Giaurs zu üben pflegen; wenn die Schulen<lb/>
streng nach den Confessionen gesondert, Lehrbücher der katholischen und protestan¬<lb/>
tischen Geschichte von Rcgierungswegcn verabfaßt und mit Zwangsmaßregeln ein¬<lb/>
geführt, das Studium der Philologie ohne Theologie verboten, die alten Klassi¬<lb/>
ker in den castrirten Jesuitenausgaben des 17. Jahrhunderts wieder aufgelegt und<lb/>
den Gymnasien aufgedrungen wurden. Das nannten die Herren Harleß und<lb/>
Stahl, die beiden Vorkämpfer des Protestantismus, bloße Präventivmaßregeln<lb/>
gegen den einreißenden Jndifferentismus, aber in der Kniebeugung wollten sie kein<lb/>
Haar nachgeben, trotz aller indirecten und directen Drohungen der Negierung, die<lb/>
sie endlich beide aus Baiern zu entfernen wußte. Ja ein echter königlich bairi-<lb/>
scher von dem Gifte des norddeutschen Unglaubens nicht angesteckter Protestant<lb/>
aus dem Anfang der vierziger Jahre durfte es nicht einmal komisch finden, wenn<lb/>
ein hohes Ministerium des Innern sogar die Züchtlinge und Irren nach den Con¬<lb/>
fessionen absonderte und um sie vor dem Indifferentismus zu bewahren, besondere<lb/>
katholische und protestantische Irren- und Zuchthäuser errichtete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1103"> Vom Standpunkt dieser protestantischen Partei aus, hat daher Herr von<lb/>
Abel vollkommen Recht, wenn er sich, wie er im vorigen bairischen Landtage<lb/>
gethan, nun zwei l-ni-8 zu« gegen den Protestantismus vorwirft; der eine, sein<lb/>
Benehmen in der Kniebeuguugsfrage, der andere sein Widerstand, wie er es ge¬<lb/>
linde ausdrückt, gegen die Bildung neuer protestantischer Gemeinden. &#x2014; Daß<lb/>
unter seinem Ministerium über hundert Klöster entstanden und die Jesuiten nicht blos<lb/>
in's Land kamen, sondern überall auf die unverschämteste Weise Propagande mach¬<lb/>
ten, daß besondere reich dotirte Stiftungen für Konvertiten errichtet wurden, daß<lb/>
man aus alle Weise deu katholischen Pöbel in den größeren Städten gemischter<lb/>
Konfession z. B. in Augsburg und Regensburg, vor allem aber in dem frommen<lb/>
München gegen die Protestanten hetzte, das baute ihn ja nach jener protestanti¬<lb/>
schen Ansicht nur eben so viel Stufen in seinen Himmel, den man sich bereits<lb/>
ebenso nach Konfessionen geschieden dachte, wie die Zucht- und Irrenhäuser.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1104" next="#ID_1105"> Außerhalb Baierns pflegte man Abel und die Ultramontanen gewöhnlich zu<lb/>
identificiren und thut es wohl auch noch jetzt. In Wahrheit hatte er jedoch mit ihnen<lb/>
innerlich ungefähr eben so viel zu schaffen, wie mit den protestantischen Orthodoxen.<lb/>
Er war durch und durch »in specifisch weißblauer Staatsmann und Bnreankrat und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0334] einen andern Erfolg anhielt, als daß der Katholicismus oder vielmehr Abelianis- mus nur Schritt für Schritt da5 Terrain zu erobern vermochte. Es war die Zeit, wo man sich in den Kammern und in Zeitungen und Brochüren über die dem Militär und sogar der Bürgerwehr beider Konfessionen plötzlich durch Ministerialrescript anbefohlene Kniebeugung vor dem Sanctissimum herumstritt, während es die Erlanger und Münchner Pietisten ganz natürlich fan¬ den, wenn der fanatisirte katholische jüngere Klerus gegen die gemischten Ehen, über¬ haupt gegen allen innigeren Verkehr der beiden Confessionen und für eine Absperrung predigte, 'wie sie die Türken gegen die Giaurs zu üben pflegen; wenn die Schulen streng nach den Confessionen gesondert, Lehrbücher der katholischen und protestan¬ tischen Geschichte von Rcgierungswegcn verabfaßt und mit Zwangsmaßregeln ein¬ geführt, das Studium der Philologie ohne Theologie verboten, die alten Klassi¬ ker in den castrirten Jesuitenausgaben des 17. Jahrhunderts wieder aufgelegt und den Gymnasien aufgedrungen wurden. Das nannten die Herren Harleß und Stahl, die beiden Vorkämpfer des Protestantismus, bloße Präventivmaßregeln gegen den einreißenden Jndifferentismus, aber in der Kniebeugung wollten sie kein Haar nachgeben, trotz aller indirecten und directen Drohungen der Negierung, die sie endlich beide aus Baiern zu entfernen wußte. Ja ein echter königlich bairi- scher von dem Gifte des norddeutschen Unglaubens nicht angesteckter Protestant aus dem Anfang der vierziger Jahre durfte es nicht einmal komisch finden, wenn ein hohes Ministerium des Innern sogar die Züchtlinge und Irren nach den Con¬ fessionen absonderte und um sie vor dem Indifferentismus zu bewahren, besondere katholische und protestantische Irren- und Zuchthäuser errichtete. Vom Standpunkt dieser protestantischen Partei aus, hat daher Herr von Abel vollkommen Recht, wenn er sich, wie er im vorigen bairischen Landtage gethan, nun zwei l-ni-8 zu« gegen den Protestantismus vorwirft; der eine, sein Benehmen in der Kniebeuguugsfrage, der andere sein Widerstand, wie er es ge¬ linde ausdrückt, gegen die Bildung neuer protestantischer Gemeinden. — Daß unter seinem Ministerium über hundert Klöster entstanden und die Jesuiten nicht blos in's Land kamen, sondern überall auf die unverschämteste Weise Propagande mach¬ ten, daß besondere reich dotirte Stiftungen für Konvertiten errichtet wurden, daß man aus alle Weise deu katholischen Pöbel in den größeren Städten gemischter Konfession z. B. in Augsburg und Regensburg, vor allem aber in dem frommen München gegen die Protestanten hetzte, das baute ihn ja nach jener protestanti¬ schen Ansicht nur eben so viel Stufen in seinen Himmel, den man sich bereits ebenso nach Konfessionen geschieden dachte, wie die Zucht- und Irrenhäuser. Außerhalb Baierns pflegte man Abel und die Ultramontanen gewöhnlich zu identificiren und thut es wohl auch noch jetzt. In Wahrheit hatte er jedoch mit ihnen innerlich ungefähr eben so viel zu schaffen, wie mit den protestantischen Orthodoxen. Er war durch und durch »in specifisch weißblauer Staatsmann und Bnreankrat und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/334
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/334>, abgerufen am 05.02.2025.