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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Somit war die Gewinnung des Kronprinzen für die Partei wenigstens augen¬
blicklich ohne besondere Folgen, aber sie war klug genng, nicht blos für den
Augenblick zu arbeiten.

Die großen Ereignisse der Jahre 1813--l 5 änderten in dem Verhältnisse
der bairischen Kirchen nichts Wesentliches. Es kamen durch den Wiener Kongreß
einige neue großentheils protestantische Landestheile, Stücke der ehemaligen Pfalz
am Rhein hinzu, dagegen auch eben so viel katholische, wie das Großherzogthum
Würzburg, und das numerische Verhältniß zwischen den beiden Confesstonen war
somit "och das nämliche, wie auch ihre Stellung zum Staate und unter sich die
alte blieb. Erst der Sturz des allmächtigen Ministers, der 1817 durch den Ein¬
fluß Oestreichs erfolgte, verschaffte dem Katholizismus oder jener Partei freiere
Hand. Wenige Monate darnach errang sie ihren ersten entscheidenden Sieg in
dem berühmten Concordat mit dem römischen Stuhl. Ursprünglich svllre damit
nur der äußere Verwaltungsmechanismus der bairischen katholischen Kirche noth-
dürftig wieder hergestellt werden, so dachte wenigstens Montgelas, der im letzten
Jahre seines Regiments die Unterhandlungen mit Rom wie eine Art nothwendiges
Uebel hatte beginnen lassen. Sein System forderte, daß der Begriff Staat auch
in dieser Hinsicht seine Selbstständigkeit bewahrte, und diese war gefährdet, wenn
etwa fremde Erzbischöfe und Bischöfe bairische Katholiken ihren Sprengeln zuge¬
theilt erhielten. Für die nächsten Jahre ließ sich eine äußerliche Neuordnung der
deutschen Kirche voraussehen, uno der Minister hielt es demnach für gerathen, die
Integrität und Abgeschlossenheit des bairischen Staates gleich im Voraus zu wah¬
ren. In dieser Absicht wurden die Verhandlungen mit Rom begonnen; von wirk¬
lichen Concessionen an den heiligen Stuhl oder an die inländischen Ultramontanen
war bei ihm keine Rede. Diese wurden durch ein sehr schlaues, geschicktes und
energisches Zusammenwirken der letzteren mit Rom und Metternich dem rathlosen
König nach Montgelas Sturz förmlich abgepreßt.

Das Concordat beschenkte Baiern mit zwei Erzbischöfen und sechs Bischöfen,
eine ganz unverhältuißmMge Ueberzahl, besonders wenn man bedenkt, daß die
Gebietstheile, die das Baiern von 18l7 bildeten, selbst in den Zeiten des Reichs
nur mit sieben einfachen Bischofsmützen -- Freising, Augsburg, Regensburg,
Passan, Eichstädt, Bamberg, Würzburg, Speyer -- gesegnet waren. So hatte
mau sich denn eine anspruchsvolle Hierarchie künstlich geschaffen, welche der Staat
sammt ihren Anhängseln von Domcapiteln, bischöflichen Seminarien ze. aus seinem
Beutel bezahlen durste.

Aber noch mehr. Das bisherige streng absolutistisch büreaukratische System
wurde dnrch die weiteren Bestimmungen des Vertrags in wesentlichen Punkten
paralysirt. Der Instanzenzug nach Rom, die Selbstständigkeit der Bischöfe in den
inneren Diöcesenangclegenheiten, die päpstlichen Reservatrechte und viele andere
Dinge, die jenem System stets ein Greuel von allem Greuel schienen, wurden


Somit war die Gewinnung des Kronprinzen für die Partei wenigstens augen¬
blicklich ohne besondere Folgen, aber sie war klug genng, nicht blos für den
Augenblick zu arbeiten.

Die großen Ereignisse der Jahre 1813—l 5 änderten in dem Verhältnisse
der bairischen Kirchen nichts Wesentliches. Es kamen durch den Wiener Kongreß
einige neue großentheils protestantische Landestheile, Stücke der ehemaligen Pfalz
am Rhein hinzu, dagegen auch eben so viel katholische, wie das Großherzogthum
Würzburg, und das numerische Verhältniß zwischen den beiden Confesstonen war
somit »och das nämliche, wie auch ihre Stellung zum Staate und unter sich die
alte blieb. Erst der Sturz des allmächtigen Ministers, der 1817 durch den Ein¬
fluß Oestreichs erfolgte, verschaffte dem Katholizismus oder jener Partei freiere
Hand. Wenige Monate darnach errang sie ihren ersten entscheidenden Sieg in
dem berühmten Concordat mit dem römischen Stuhl. Ursprünglich svllre damit
nur der äußere Verwaltungsmechanismus der bairischen katholischen Kirche noth-
dürftig wieder hergestellt werden, so dachte wenigstens Montgelas, der im letzten
Jahre seines Regiments die Unterhandlungen mit Rom wie eine Art nothwendiges
Uebel hatte beginnen lassen. Sein System forderte, daß der Begriff Staat auch
in dieser Hinsicht seine Selbstständigkeit bewahrte, und diese war gefährdet, wenn
etwa fremde Erzbischöfe und Bischöfe bairische Katholiken ihren Sprengeln zuge¬
theilt erhielten. Für die nächsten Jahre ließ sich eine äußerliche Neuordnung der
deutschen Kirche voraussehen, uno der Minister hielt es demnach für gerathen, die
Integrität und Abgeschlossenheit des bairischen Staates gleich im Voraus zu wah¬
ren. In dieser Absicht wurden die Verhandlungen mit Rom begonnen; von wirk¬
lichen Concessionen an den heiligen Stuhl oder an die inländischen Ultramontanen
war bei ihm keine Rede. Diese wurden durch ein sehr schlaues, geschicktes und
energisches Zusammenwirken der letzteren mit Rom und Metternich dem rathlosen
König nach Montgelas Sturz förmlich abgepreßt.

Das Concordat beschenkte Baiern mit zwei Erzbischöfen und sechs Bischöfen,
eine ganz unverhältuißmMge Ueberzahl, besonders wenn man bedenkt, daß die
Gebietstheile, die das Baiern von 18l7 bildeten, selbst in den Zeiten des Reichs
nur mit sieben einfachen Bischofsmützen -- Freising, Augsburg, Regensburg,
Passan, Eichstädt, Bamberg, Würzburg, Speyer — gesegnet waren. So hatte
mau sich denn eine anspruchsvolle Hierarchie künstlich geschaffen, welche der Staat
sammt ihren Anhängseln von Domcapiteln, bischöflichen Seminarien ze. aus seinem
Beutel bezahlen durste.

Aber noch mehr. Das bisherige streng absolutistisch büreaukratische System
wurde dnrch die weiteren Bestimmungen des Vertrags in wesentlichen Punkten
paralysirt. Der Instanzenzug nach Rom, die Selbstständigkeit der Bischöfe in den
inneren Diöcesenangclegenheiten, die päpstlichen Reservatrechte und viele andere
Dinge, die jenem System stets ein Greuel von allem Greuel schienen, wurden


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[0326] Somit war die Gewinnung des Kronprinzen für die Partei wenigstens augen¬ blicklich ohne besondere Folgen, aber sie war klug genng, nicht blos für den Augenblick zu arbeiten. Die großen Ereignisse der Jahre 1813—l 5 änderten in dem Verhältnisse der bairischen Kirchen nichts Wesentliches. Es kamen durch den Wiener Kongreß einige neue großentheils protestantische Landestheile, Stücke der ehemaligen Pfalz am Rhein hinzu, dagegen auch eben so viel katholische, wie das Großherzogthum Würzburg, und das numerische Verhältniß zwischen den beiden Confesstonen war somit »och das nämliche, wie auch ihre Stellung zum Staate und unter sich die alte blieb. Erst der Sturz des allmächtigen Ministers, der 1817 durch den Ein¬ fluß Oestreichs erfolgte, verschaffte dem Katholizismus oder jener Partei freiere Hand. Wenige Monate darnach errang sie ihren ersten entscheidenden Sieg in dem berühmten Concordat mit dem römischen Stuhl. Ursprünglich svllre damit nur der äußere Verwaltungsmechanismus der bairischen katholischen Kirche noth- dürftig wieder hergestellt werden, so dachte wenigstens Montgelas, der im letzten Jahre seines Regiments die Unterhandlungen mit Rom wie eine Art nothwendiges Uebel hatte beginnen lassen. Sein System forderte, daß der Begriff Staat auch in dieser Hinsicht seine Selbstständigkeit bewahrte, und diese war gefährdet, wenn etwa fremde Erzbischöfe und Bischöfe bairische Katholiken ihren Sprengeln zuge¬ theilt erhielten. Für die nächsten Jahre ließ sich eine äußerliche Neuordnung der deutschen Kirche voraussehen, uno der Minister hielt es demnach für gerathen, die Integrität und Abgeschlossenheit des bairischen Staates gleich im Voraus zu wah¬ ren. In dieser Absicht wurden die Verhandlungen mit Rom begonnen; von wirk¬ lichen Concessionen an den heiligen Stuhl oder an die inländischen Ultramontanen war bei ihm keine Rede. Diese wurden durch ein sehr schlaues, geschicktes und energisches Zusammenwirken der letzteren mit Rom und Metternich dem rathlosen König nach Montgelas Sturz förmlich abgepreßt. Das Concordat beschenkte Baiern mit zwei Erzbischöfen und sechs Bischöfen, eine ganz unverhältuißmMge Ueberzahl, besonders wenn man bedenkt, daß die Gebietstheile, die das Baiern von 18l7 bildeten, selbst in den Zeiten des Reichs nur mit sieben einfachen Bischofsmützen -- Freising, Augsburg, Regensburg, Passan, Eichstädt, Bamberg, Würzburg, Speyer — gesegnet waren. So hatte mau sich denn eine anspruchsvolle Hierarchie künstlich geschaffen, welche der Staat sammt ihren Anhängseln von Domcapiteln, bischöflichen Seminarien ze. aus seinem Beutel bezahlen durste. Aber noch mehr. Das bisherige streng absolutistisch büreaukratische System wurde dnrch die weiteren Bestimmungen des Vertrags in wesentlichen Punkten paralysirt. Der Instanzenzug nach Rom, die Selbstständigkeit der Bischöfe in den inneren Diöcesenangclegenheiten, die päpstlichen Reservatrechte und viele andere Dinge, die jenem System stets ein Greuel von allem Greuel schienen, wurden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/326>, abgerufen am 05.02.2025.