Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ausdrücklich wieder anerkannt, nachdem sie durch die Gunst der Zeitumstände von
selbst gefallen waren.

Und was sollte man vollends dazu sagen, daß sich der Staat Montgelas' an¬
heischig machte, "einige" Klöster wieder zu errichten?

Kaum wurde das Concordat in Baiern bekannt, so erhob sich von allen
Seiten ein wüthenden Sturm dagegen, und das sonderbarste war es, daß es Nie¬
mand so recht zu vertheidigen wagte. Auch wollte jetzt Niemand dabei thätig ge¬
wesen sein. Die Protestanten und die aufgeklärten Katholiken, welche damals die
Tagespresse des Landes in den Händen hatten, donnerten besonders gegen die
in Aussicht gestellten "nnnimll-l moimstori-i," sie sahen schon im Geiste das ganze
altbairische Pfaffenthum mit Sack und Pack in die verödeten Klostermauern wie¬
der einziehn.

Der Sturm legte sich etwas, als dem Concordate die Verfassungsurkunde
von 1818 fast auf dem Fuße folgte. Sie gewährleistete alle die bisher gesetzlich
oder factisch anerkannten Rechte der protestantischen Unterthanen, d. h. ihre voll¬
kommene Gleichstellung mit den Katholiken. Baiern hörte damit verfassungsmäßig
auf ein katholischer Staat zu sein, was es freilich thatsächlich schon seit 1803 nicht
Mehr gewesen war. Selbst die Dynastie war nach der Konstitution an keine be¬
stimmte Konfession gebunden.

Auf dem ersten Landtag kam zwar das Concordat zu lebhafter Verhandlung,
indessen gab die Regierung so bündige Versicherungen daüber, daß sich die Frei¬
sinnigen beider Confessionen -- fast alle Mitglieder dieser ersten Ständeversamm¬
lung scheinen dazu gerechnet werden zu müssen -- vorläufig beruhigten. -- Die
beste Bürgschaft gegen etwaige Uebergriffe der Hierarchie oder der Ultramontanen
lag aber wohl darin, daß unterdessen Montgelas seinen alten Einfluß auf den
König fast ganz wiedergewonnen hatte. So lange dieser dauerte, konnten die Pro¬
testanten ruhig schlafen, was sie auch in jenen Jahren redlich gethan haben.

Außer der Errichtung und möglichst knappen Dotation der im Concordate
bedungenen bischöflichen Sprengel wurden alle anderen Punkte "6 actu gelegt.
Die katholische Kirche blieb uach wie vor eine Magd des Staates und machte
auch keine äußerlich sehr wahrnehmbaren Versuche, das Joch der Dienstbarkeit
abzuschütteln. Im Stillen wurde dagegen in der ersten Hälfte der zwanziger
Jahre vieles vorbereitet, was in der Geschichte der spätern Zeit fertig ein's
Licht trat.

Die eigentliche pfäffische Clique der bairischen katholischen Kirche verstärkte
ihren alten Bund mit dem altbairischen Particularismus und der katholischen
Aristokratie durch den Hinzutritt eines neuen Spießgesellen, des politischen und
religiösen Mysticismus. Ursprünglich war ihr dieser ganz fremd und unverständ¬
lich, und nur der Drang der Umstände hatte sie genöthigt, sich dem romantischen
Kronprinzen durch dieses Medium zu nähern.


ausdrücklich wieder anerkannt, nachdem sie durch die Gunst der Zeitumstände von
selbst gefallen waren.

Und was sollte man vollends dazu sagen, daß sich der Staat Montgelas' an¬
heischig machte, „einige" Klöster wieder zu errichten?

Kaum wurde das Concordat in Baiern bekannt, so erhob sich von allen
Seiten ein wüthenden Sturm dagegen, und das sonderbarste war es, daß es Nie¬
mand so recht zu vertheidigen wagte. Auch wollte jetzt Niemand dabei thätig ge¬
wesen sein. Die Protestanten und die aufgeklärten Katholiken, welche damals die
Tagespresse des Landes in den Händen hatten, donnerten besonders gegen die
in Aussicht gestellten „nnnimll-l moimstori-i," sie sahen schon im Geiste das ganze
altbairische Pfaffenthum mit Sack und Pack in die verödeten Klostermauern wie¬
der einziehn.

Der Sturm legte sich etwas, als dem Concordate die Verfassungsurkunde
von 1818 fast auf dem Fuße folgte. Sie gewährleistete alle die bisher gesetzlich
oder factisch anerkannten Rechte der protestantischen Unterthanen, d. h. ihre voll¬
kommene Gleichstellung mit den Katholiken. Baiern hörte damit verfassungsmäßig
auf ein katholischer Staat zu sein, was es freilich thatsächlich schon seit 1803 nicht
Mehr gewesen war. Selbst die Dynastie war nach der Konstitution an keine be¬
stimmte Konfession gebunden.

Auf dem ersten Landtag kam zwar das Concordat zu lebhafter Verhandlung,
indessen gab die Regierung so bündige Versicherungen daüber, daß sich die Frei¬
sinnigen beider Confessionen — fast alle Mitglieder dieser ersten Ständeversamm¬
lung scheinen dazu gerechnet werden zu müssen — vorläufig beruhigten. — Die
beste Bürgschaft gegen etwaige Uebergriffe der Hierarchie oder der Ultramontanen
lag aber wohl darin, daß unterdessen Montgelas seinen alten Einfluß auf den
König fast ganz wiedergewonnen hatte. So lange dieser dauerte, konnten die Pro¬
testanten ruhig schlafen, was sie auch in jenen Jahren redlich gethan haben.

Außer der Errichtung und möglichst knappen Dotation der im Concordate
bedungenen bischöflichen Sprengel wurden alle anderen Punkte »6 actu gelegt.
Die katholische Kirche blieb uach wie vor eine Magd des Staates und machte
auch keine äußerlich sehr wahrnehmbaren Versuche, das Joch der Dienstbarkeit
abzuschütteln. Im Stillen wurde dagegen in der ersten Hälfte der zwanziger
Jahre vieles vorbereitet, was in der Geschichte der spätern Zeit fertig ein's
Licht trat.

Die eigentliche pfäffische Clique der bairischen katholischen Kirche verstärkte
ihren alten Bund mit dem altbairischen Particularismus und der katholischen
Aristokratie durch den Hinzutritt eines neuen Spießgesellen, des politischen und
religiösen Mysticismus. Ursprünglich war ihr dieser ganz fremd und unverständ¬
lich, und nur der Drang der Umstände hatte sie genöthigt, sich dem romantischen
Kronprinzen durch dieses Medium zu nähern.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279353"/>
          <p xml:id="ID_1072" prev="#ID_1071"> ausdrücklich wieder anerkannt, nachdem sie durch die Gunst der Zeitumstände von<lb/>
selbst gefallen waren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1073"> Und was sollte man vollends dazu sagen, daß sich der Staat Montgelas' an¬<lb/>
heischig machte, &#x201E;einige" Klöster wieder zu errichten?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1074"> Kaum wurde das Concordat in Baiern bekannt, so erhob sich von allen<lb/>
Seiten ein wüthenden Sturm dagegen, und das sonderbarste war es, daß es Nie¬<lb/>
mand so recht zu vertheidigen wagte. Auch wollte jetzt Niemand dabei thätig ge¬<lb/>
wesen sein. Die Protestanten und die aufgeklärten Katholiken, welche damals die<lb/>
Tagespresse des Landes in den Händen hatten, donnerten besonders gegen die<lb/>
in Aussicht gestellten &#x201E;nnnimll-l moimstori-i," sie sahen schon im Geiste das ganze<lb/>
altbairische Pfaffenthum mit Sack und Pack in die verödeten Klostermauern wie¬<lb/>
der einziehn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1075"> Der Sturm legte sich etwas, als dem Concordate die Verfassungsurkunde<lb/>
von 1818 fast auf dem Fuße folgte. Sie gewährleistete alle die bisher gesetzlich<lb/>
oder factisch anerkannten Rechte der protestantischen Unterthanen, d. h. ihre voll¬<lb/>
kommene Gleichstellung mit den Katholiken. Baiern hörte damit verfassungsmäßig<lb/>
auf ein katholischer Staat zu sein, was es freilich thatsächlich schon seit 1803 nicht<lb/>
Mehr gewesen war. Selbst die Dynastie war nach der Konstitution an keine be¬<lb/>
stimmte Konfession gebunden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1076"> Auf dem ersten Landtag kam zwar das Concordat zu lebhafter Verhandlung,<lb/>
indessen gab die Regierung so bündige Versicherungen daüber, daß sich die Frei¬<lb/>
sinnigen beider Confessionen &#x2014; fast alle Mitglieder dieser ersten Ständeversamm¬<lb/>
lung scheinen dazu gerechnet werden zu müssen &#x2014; vorläufig beruhigten. &#x2014; Die<lb/>
beste Bürgschaft gegen etwaige Uebergriffe der Hierarchie oder der Ultramontanen<lb/>
lag aber wohl darin, daß unterdessen Montgelas seinen alten Einfluß auf den<lb/>
König fast ganz wiedergewonnen hatte. So lange dieser dauerte, konnten die Pro¬<lb/>
testanten ruhig schlafen, was sie auch in jenen Jahren redlich gethan haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1077"> Außer der Errichtung und möglichst knappen Dotation der im Concordate<lb/>
bedungenen bischöflichen Sprengel wurden alle anderen Punkte »6 actu gelegt.<lb/>
Die katholische Kirche blieb uach wie vor eine Magd des Staates und machte<lb/>
auch keine äußerlich sehr wahrnehmbaren Versuche, das Joch der Dienstbarkeit<lb/>
abzuschütteln. Im Stillen wurde dagegen in der ersten Hälfte der zwanziger<lb/>
Jahre vieles vorbereitet, was in der Geschichte der spätern Zeit fertig ein's<lb/>
Licht trat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1078"> Die eigentliche pfäffische Clique der bairischen katholischen Kirche verstärkte<lb/>
ihren alten Bund mit dem altbairischen Particularismus und der katholischen<lb/>
Aristokratie durch den Hinzutritt eines neuen Spießgesellen, des politischen und<lb/>
religiösen Mysticismus. Ursprünglich war ihr dieser ganz fremd und unverständ¬<lb/>
lich, und nur der Drang der Umstände hatte sie genöthigt, sich dem romantischen<lb/>
Kronprinzen durch dieses Medium zu nähern.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0327] ausdrücklich wieder anerkannt, nachdem sie durch die Gunst der Zeitumstände von selbst gefallen waren. Und was sollte man vollends dazu sagen, daß sich der Staat Montgelas' an¬ heischig machte, „einige" Klöster wieder zu errichten? Kaum wurde das Concordat in Baiern bekannt, so erhob sich von allen Seiten ein wüthenden Sturm dagegen, und das sonderbarste war es, daß es Nie¬ mand so recht zu vertheidigen wagte. Auch wollte jetzt Niemand dabei thätig ge¬ wesen sein. Die Protestanten und die aufgeklärten Katholiken, welche damals die Tagespresse des Landes in den Händen hatten, donnerten besonders gegen die in Aussicht gestellten „nnnimll-l moimstori-i," sie sahen schon im Geiste das ganze altbairische Pfaffenthum mit Sack und Pack in die verödeten Klostermauern wie¬ der einziehn. Der Sturm legte sich etwas, als dem Concordate die Verfassungsurkunde von 1818 fast auf dem Fuße folgte. Sie gewährleistete alle die bisher gesetzlich oder factisch anerkannten Rechte der protestantischen Unterthanen, d. h. ihre voll¬ kommene Gleichstellung mit den Katholiken. Baiern hörte damit verfassungsmäßig auf ein katholischer Staat zu sein, was es freilich thatsächlich schon seit 1803 nicht Mehr gewesen war. Selbst die Dynastie war nach der Konstitution an keine be¬ stimmte Konfession gebunden. Auf dem ersten Landtag kam zwar das Concordat zu lebhafter Verhandlung, indessen gab die Regierung so bündige Versicherungen daüber, daß sich die Frei¬ sinnigen beider Confessionen — fast alle Mitglieder dieser ersten Ständeversamm¬ lung scheinen dazu gerechnet werden zu müssen — vorläufig beruhigten. — Die beste Bürgschaft gegen etwaige Uebergriffe der Hierarchie oder der Ultramontanen lag aber wohl darin, daß unterdessen Montgelas seinen alten Einfluß auf den König fast ganz wiedergewonnen hatte. So lange dieser dauerte, konnten die Pro¬ testanten ruhig schlafen, was sie auch in jenen Jahren redlich gethan haben. Außer der Errichtung und möglichst knappen Dotation der im Concordate bedungenen bischöflichen Sprengel wurden alle anderen Punkte »6 actu gelegt. Die katholische Kirche blieb uach wie vor eine Magd des Staates und machte auch keine äußerlich sehr wahrnehmbaren Versuche, das Joch der Dienstbarkeit abzuschütteln. Im Stillen wurde dagegen in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre vieles vorbereitet, was in der Geschichte der spätern Zeit fertig ein's Licht trat. Die eigentliche pfäffische Clique der bairischen katholischen Kirche verstärkte ihren alten Bund mit dem altbairischen Particularismus und der katholischen Aristokratie durch den Hinzutritt eines neuen Spießgesellen, des politischen und religiösen Mysticismus. Ursprünglich war ihr dieser ganz fremd und unverständ¬ lich, und nur der Drang der Umstände hatte sie genöthigt, sich dem romantischen Kronprinzen durch dieses Medium zu nähern.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/327
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/327>, abgerufen am 05.02.2025.