Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.blicklich beseitigt war, auch für immer abgethan, und bei seiner grenzenlosen Ver¬ Der Kronprinz stand in einem ganz eigenthümlichen Verhältniß zu seinem blicklich beseitigt war, auch für immer abgethan, und bei seiner grenzenlosen Ver¬ Der Kronprinz stand in einem ganz eigenthümlichen Verhältniß zu seinem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279351"/> <p xml:id="ID_1066" prev="#ID_1065"> blicklich beseitigt war, auch für immer abgethan, und bei seiner grenzenlosen Ver¬<lb/> achtung gegen das bornirte Pfaffenthum traute er diesen Leuten höchstens brutalen<lb/> Fanatismus, keineswegs aber jene diplomatische Schlauheit zu, welche anch noch<lb/> die rohesten heutigen Vertreter des mittelalterlichen Kircheuthums zu immerhin be-<lb/> achtenswerthen Gegnern stempelt. Die Partei haßte nun auch ihrerseits Nieman¬<lb/> dem mit so tödtlicher Wuth als Montgelas. Allerdings gibt es wohl nur wenige<lb/> Minister in jver ganzen Weltgeschichte, die ihr so viel zu Leide gethan hatten.<lb/> D«ß er für seine Person an nichts glaubte und unter Umständen als Grvßvezier<lb/> regierte, hätte sie ihm so gut wie seinem Erbfeinde Metternich verziehen, daß er<lb/> im Wirrwarr der Kriegszeiten unbarmherzig säcnlarisirte, zu deutsch das Kirchen¬<lb/> gut vollständig plünderte, konnte anch noch hingehn, aber dieser offene Hohn, den<lb/> er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gegen die früheren kirchlichen<lb/> Würdenträger und den Katholizismus im Ganzen zur Schau trug, dieser conse-<lb/> gnente büreaukratische Mechanismus, mit dem er das ganze Land bis in die ent¬<lb/> legensten Winkel der Alpe» und des Böhmerwaldes überspann, diese sichtliche Be¬<lb/> vorzugung der Protestanten und Bürgerlichen konnte ihm nie vergeben werden.<lb/> Es gelang der Partei mit vielem Geschick, sich schon damals dem Kronprinzen<lb/> Ludwig zu nähern. Der romantisch-confuse Grundzug seines Wesens fand sich<lb/> von der abstracten Nüchternheit des Montgelas'schen Staates höchst unangenehm<lb/> berührt, dazu war seine grenzenlose Eitelkeit und Herrschsucht von dem Minister<lb/> mehrmals tödtlich verletzt worden. Montgelas duldete einmal keine andern Götter<lb/> neben sich, und der Kronprinz galt ihm, der in seinem Herzen von der Legitimi¬<lb/> tätsromantik so frei, wie vor jeder andern war, anch nicht mehr als jeder andere<lb/> unbefugte Eindringling. Daher der unvertilgbare Haß, den Lndivig sein ganzes<lb/> Leben gegen den Staatsmann hegte, welchem sein Hans und er doch schließlich<lb/> Alles verdankten. Ohne einen Montgelas'schen bureaukratischen Despotismus im<lb/> Innern und seine geschickten Manövers »ach Außen wäre Baiern für immer zu<lb/> der Rolle eines armseligen deutschen Mittelstaateö verdammt gewesen, während es<lb/> seit 1805 doch unleugbar ein verhältnißmäßig nicht unbedeutendes Gewicht in die<lb/> Wagschaale der gi-.into nciliti,juv gelegt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1067"> Der Kronprinz stand in einem ganz eigenthümlichen Verhältniß zu seinem<lb/> Vater. Max war ein guter Gatte und Vater, überhaupt ein Mann von weichem,<lb/> leicht zu rührendem Herzen. Er hatte seinen Ludwig im Grunde herzlich lieb, ob¬<lb/> gleich er über dessen wirkliche und vermeintliche Absonderlichkeiten oft genug den<lb/> Kopf schüttelte. Seine Neigung zur Kunst und Wissenschaft, sein intimer Verkehr<lb/> Mit jüngern und ältern Vertretern derselben, sein deutscher Patriotismus waren<lb/> dem guten Max unbegreifliche Dinge, aber er ließ ihn ruhig seinen Weg gehen,<lb/> und that ihm auch manches zu Willen, so weit es seine immer sehr leere Klasse<lb/> und MontgclaZ erlaubten. In die Staatsgeschäfte dürfte er sich freilich nicht<lb/> Mengen, dafür wußte der Minister zu sorgen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0325]
blicklich beseitigt war, auch für immer abgethan, und bei seiner grenzenlosen Ver¬
achtung gegen das bornirte Pfaffenthum traute er diesen Leuten höchstens brutalen
Fanatismus, keineswegs aber jene diplomatische Schlauheit zu, welche anch noch
die rohesten heutigen Vertreter des mittelalterlichen Kircheuthums zu immerhin be-
achtenswerthen Gegnern stempelt. Die Partei haßte nun auch ihrerseits Nieman¬
dem mit so tödtlicher Wuth als Montgelas. Allerdings gibt es wohl nur wenige
Minister in jver ganzen Weltgeschichte, die ihr so viel zu Leide gethan hatten.
D«ß er für seine Person an nichts glaubte und unter Umständen als Grvßvezier
regierte, hätte sie ihm so gut wie seinem Erbfeinde Metternich verziehen, daß er
im Wirrwarr der Kriegszeiten unbarmherzig säcnlarisirte, zu deutsch das Kirchen¬
gut vollständig plünderte, konnte anch noch hingehn, aber dieser offene Hohn, den
er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gegen die früheren kirchlichen
Würdenträger und den Katholizismus im Ganzen zur Schau trug, dieser conse-
gnente büreaukratische Mechanismus, mit dem er das ganze Land bis in die ent¬
legensten Winkel der Alpe» und des Böhmerwaldes überspann, diese sichtliche Be¬
vorzugung der Protestanten und Bürgerlichen konnte ihm nie vergeben werden.
Es gelang der Partei mit vielem Geschick, sich schon damals dem Kronprinzen
Ludwig zu nähern. Der romantisch-confuse Grundzug seines Wesens fand sich
von der abstracten Nüchternheit des Montgelas'schen Staates höchst unangenehm
berührt, dazu war seine grenzenlose Eitelkeit und Herrschsucht von dem Minister
mehrmals tödtlich verletzt worden. Montgelas duldete einmal keine andern Götter
neben sich, und der Kronprinz galt ihm, der in seinem Herzen von der Legitimi¬
tätsromantik so frei, wie vor jeder andern war, anch nicht mehr als jeder andere
unbefugte Eindringling. Daher der unvertilgbare Haß, den Lndivig sein ganzes
Leben gegen den Staatsmann hegte, welchem sein Hans und er doch schließlich
Alles verdankten. Ohne einen Montgelas'schen bureaukratischen Despotismus im
Innern und seine geschickten Manövers »ach Außen wäre Baiern für immer zu
der Rolle eines armseligen deutschen Mittelstaateö verdammt gewesen, während es
seit 1805 doch unleugbar ein verhältnißmäßig nicht unbedeutendes Gewicht in die
Wagschaale der gi-.into nciliti,juv gelegt hat.
Der Kronprinz stand in einem ganz eigenthümlichen Verhältniß zu seinem
Vater. Max war ein guter Gatte und Vater, überhaupt ein Mann von weichem,
leicht zu rührendem Herzen. Er hatte seinen Ludwig im Grunde herzlich lieb, ob¬
gleich er über dessen wirkliche und vermeintliche Absonderlichkeiten oft genug den
Kopf schüttelte. Seine Neigung zur Kunst und Wissenschaft, sein intimer Verkehr
Mit jüngern und ältern Vertretern derselben, sein deutscher Patriotismus waren
dem guten Max unbegreifliche Dinge, aber er ließ ihn ruhig seinen Weg gehen,
und that ihm auch manches zu Willen, so weit es seine immer sehr leere Klasse
und MontgclaZ erlaubten. In die Staatsgeschäfte dürfte er sich freilich nicht
Mengen, dafür wußte der Minister zu sorgen.
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