Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.billig mit der Münchner spießbürgerlichen Antipathie gegen die Fremden überhaupt Die öffentliche Meinung des Landes, so weit man damals von einer solchen Indessen war doch noch, oder vielmehr wieder eine strengkatholische billig mit der Münchner spießbürgerlichen Antipathie gegen die Fremden überhaupt Die öffentliche Meinung des Landes, so weit man damals von einer solchen Indessen war doch noch, oder vielmehr wieder eine strengkatholische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279350"/> <p xml:id="ID_1063" prev="#ID_1062"> billig mit der Münchner spießbürgerlichen Antipathie gegen die Fremden überhaupt<lb/> und der nationellen gegen das norddeutsche Wesen, bereitete sie den genannten Ko¬<lb/> ryphäen der modernen Bildung und ihrem Troß von illis nniwrum Fvntium manche<lb/> bitterböse Stunde. Damals wurde die verhängnißvolle Liga zwischen dem stock-<lb/> bauischen Particularismus und dem Pfaffeuthum zuerst mit vollem Bewußtsein<lb/> abgeschlossen, die auf ganz naive Weise Jahrhunderte laug bis zur französischen<lb/> Revolution bestanden hatte. Als der Dritte in jenem saubern Bunde, der bis<lb/> heute besteht und wohl noch auf langes Leben rechnet, reichte schon damals der<lb/> altbairische hohe Adel den beiden andern, wiewohl noch mit einiger Schüchtern¬<lb/> heit, die Bruderhand. Montgelas' bnreaukratischer Absolutismus und die von<lb/> ihm bevorzugten Protestanten und Fremden hießen die allen dreien gemeinsamen<lb/> Feinde. Die starke Hand des allmächtigen Ministers zwang die Verbündeten bald<lb/> wieder sich in die Dunkelheit zurückzuziehen. Sie hatten nichts weiter erreicht,<lb/> als daß sie manchem von der protestantischen Kolonie das Leben sauer gemacht<lb/> und einige schüchterne Seelen, wie Jacobs, aus München vertrieben hatten.<lb/> Außerdem schien sich die Stellung der Zurückgebliebenen, die bald durch neue<lb/> Ansiedler ihre Reihen ergänzten, durch jene brutalen und heimtückischen Verfol¬<lb/> gungen wo möglich noch verbessert zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1064"> Die öffentliche Meinung des Landes, so weit man damals von einer solchen<lb/> reden konnte, verhielt sich bei jenen Verfolgungen der Münchner Protestanten ent¬<lb/> weder ganz gleichgiltig, oder entschieden mißbilligend. Das Ideal der Aufklä-<lb/> rungsperiode, die unbeschränkteste gegenseitige Toleranz, schien in dem noch vor<lb/> wenigen Jahrzehnten wegen seines Fanatismus berüchtigten Baiern, wenigstens<lb/> zwischen Katholiken und Protestanten, bereits realistrt. In geselligen und Fami¬<lb/> lienbeziehungen vermochte kein Confessionsuntcrschied eine Störung hervorzubrin¬<lb/> gen; fast in allen größeren katholischen Orten lebten protestantische Beamte in<lb/> bester Harmonie mit ihren andersgläubigen Kollegen und der Bevölkerung, und<lb/> eben so umgekehrt; von Proselhtenmacherei war nirgends eine Spur zu entdecken.<lb/> Vor allem befleißigte sich die beiderseitige Geistlichkeit der freundschaftlichsten Kol¬<lb/> legialität und einer humanen Zuvorkommenheit, die beinahe über die kühnsten<lb/> Träume eines Nicolai hinüberging. Kurz, wer in jenen Jahren die bairiscken<lb/> kirchlichen Zustände beobachtete, konnte mit Fug und Recht nicht blos dies frühere<lb/> altbairische Pfasfenthnm, sondern den ganzen exclusiver und specifischen Katholi¬<lb/> zismus für immer beseitigt glauben. An eine mögliche Wiederbelebung der Leiche<lb/> der protestantischen Orthodoxie war vollends nicht zu denken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1065" next="#ID_1066"> Indessen war doch noch, oder vielmehr wieder eine strengkatholische<lb/> Partei vorhanden. Zwar hatte sie sich nach jenen verunglückten Münchner<lb/> Barthvlomäusnachtscencn in ihre Höhlen verkriechen müssen, aber dorthin konnte<lb/> ihr das Auge des Ministers nicht folgen und ihre weiteren vorbereitenden Opera¬<lb/> tionen überwachen. Nach seiner ganzen Art hielt er die Sache, nachdem sie äugen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0324]
billig mit der Münchner spießbürgerlichen Antipathie gegen die Fremden überhaupt
und der nationellen gegen das norddeutsche Wesen, bereitete sie den genannten Ko¬
ryphäen der modernen Bildung und ihrem Troß von illis nniwrum Fvntium manche
bitterböse Stunde. Damals wurde die verhängnißvolle Liga zwischen dem stock-
bauischen Particularismus und dem Pfaffeuthum zuerst mit vollem Bewußtsein
abgeschlossen, die auf ganz naive Weise Jahrhunderte laug bis zur französischen
Revolution bestanden hatte. Als der Dritte in jenem saubern Bunde, der bis
heute besteht und wohl noch auf langes Leben rechnet, reichte schon damals der
altbairische hohe Adel den beiden andern, wiewohl noch mit einiger Schüchtern¬
heit, die Bruderhand. Montgelas' bnreaukratischer Absolutismus und die von
ihm bevorzugten Protestanten und Fremden hießen die allen dreien gemeinsamen
Feinde. Die starke Hand des allmächtigen Ministers zwang die Verbündeten bald
wieder sich in die Dunkelheit zurückzuziehen. Sie hatten nichts weiter erreicht,
als daß sie manchem von der protestantischen Kolonie das Leben sauer gemacht
und einige schüchterne Seelen, wie Jacobs, aus München vertrieben hatten.
Außerdem schien sich die Stellung der Zurückgebliebenen, die bald durch neue
Ansiedler ihre Reihen ergänzten, durch jene brutalen und heimtückischen Verfol¬
gungen wo möglich noch verbessert zu haben.
Die öffentliche Meinung des Landes, so weit man damals von einer solchen
reden konnte, verhielt sich bei jenen Verfolgungen der Münchner Protestanten ent¬
weder ganz gleichgiltig, oder entschieden mißbilligend. Das Ideal der Aufklä-
rungsperiode, die unbeschränkteste gegenseitige Toleranz, schien in dem noch vor
wenigen Jahrzehnten wegen seines Fanatismus berüchtigten Baiern, wenigstens
zwischen Katholiken und Protestanten, bereits realistrt. In geselligen und Fami¬
lienbeziehungen vermochte kein Confessionsuntcrschied eine Störung hervorzubrin¬
gen; fast in allen größeren katholischen Orten lebten protestantische Beamte in
bester Harmonie mit ihren andersgläubigen Kollegen und der Bevölkerung, und
eben so umgekehrt; von Proselhtenmacherei war nirgends eine Spur zu entdecken.
Vor allem befleißigte sich die beiderseitige Geistlichkeit der freundschaftlichsten Kol¬
legialität und einer humanen Zuvorkommenheit, die beinahe über die kühnsten
Träume eines Nicolai hinüberging. Kurz, wer in jenen Jahren die bairiscken
kirchlichen Zustände beobachtete, konnte mit Fug und Recht nicht blos dies frühere
altbairische Pfasfenthnm, sondern den ganzen exclusiver und specifischen Katholi¬
zismus für immer beseitigt glauben. An eine mögliche Wiederbelebung der Leiche
der protestantischen Orthodoxie war vollends nicht zu denken.
Indessen war doch noch, oder vielmehr wieder eine strengkatholische
Partei vorhanden. Zwar hatte sie sich nach jenen verunglückten Münchner
Barthvlomäusnachtscencn in ihre Höhlen verkriechen müssen, aber dorthin konnte
ihr das Auge des Ministers nicht folgen und ihre weiteren vorbereitenden Opera¬
tionen überwachen. Nach seiner ganzen Art hielt er die Sache, nachdem sie äugen-
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