Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Versicherungen der ungestörten Glaubens- und Gewissensfreiheit und bürgerlichen Alle die zugefügten protestantischen Gebiete waren besser gelegen, bebaut, be¬ Seit 1806 und 7 siedelte sich dort eine bedeutende Anzahl literarischer Nota¬ 41*
Versicherungen der ungestörten Glaubens- und Gewissensfreiheit und bürgerlichen Alle die zugefügten protestantischen Gebiete waren besser gelegen, bebaut, be¬ Seit 1806 und 7 siedelte sich dort eine bedeutende Anzahl literarischer Nota¬ 41*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0323" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279349"/> <p xml:id="ID_1060" prev="#ID_1059"> Versicherungen der ungestörten Glaubens- und Gewissensfreiheit und bürgerlichen<lb/> Gleichberechtigung, und sie befanden sich zum Theil unter der katholischen Regie¬<lb/> rung in kirchlicher Hinsicht besser, als unter der Zuchtruthe ihrer Spezialconststo-<lb/> rien. Die Oberbehörde in München, der protestantische Kirchen- und Schulrath<lb/> kümmerte sich um ihre innern Angelegenheiten nicht viel; nur die äußeren Ver¬<lb/> waltungsgegenstände, die Besetzung der Pfarr- und Schulstellen, das Kirchen-<lb/> Vermögen :c. wurde von ihm in die Hand genommen. Man war zu sehr an eine<lb/> Bevormundung vou oben her gewöhnt, als daß man daran hätte Anstoß neh¬<lb/> men sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1061"> Alle die zugefügten protestantischen Gebiete waren besser gelegen, bebaut, be¬<lb/> völkert und brachten folglich mehr ein als Altbaiern. Ist es daher zu verwun¬<lb/> dern, daß man in München bald eine Art von Vorliebe für sie faßte? Auch zeigte<lb/> sich bald, daß die dort gebornen und gebildeten Staatsdiener in Folge der grö¬<lb/> ßeren Cultur ihrer Heimat brauchbarer und geschäftsgewandter waren, als die<lb/> Altbaiern. Natürlicherweise kamen sie in Kurzem überall oben auf: in den Mini¬<lb/> sterien, Obergerichten und Verwaltungsbehörden, im Militär und sogar an der<lb/> früher so streng katholischen Universität Ingolstadt-Landshut. In München selbst<lb/> gewann die eigentliche gute Gesellschaft von Jahr zu Jahr eine mehr Protestantin<lb/> sche Färbung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1062" next="#ID_1063"> Seit 1806 und 7 siedelte sich dort eine bedeutende Anzahl literarischer Nota¬<lb/> bilitäten ans dem Norden an, wie Jacobs, Niethammer, Schlichtegroll,<lb/> F. H. Jacobi ze. und griffen nach allen Richtungen in das geistige Leben der<lb/> Hauptstadt mächtig und nachhaltig ein, mochten sie nun zu einer mehr freien<lb/> Stellung als Mitglieder der nenerstzndenen Akademie der Wissenschaft oder zu<lb/> einer eigentlichen Beamtenthätigkeit in den Oberschnlbehörden und sonst berufen<lb/> sein. Sie gehörten ohne Ausnahme der guten Gesellschaft an, und es ist wohl nicht<lb/> zu viel gesagt: sie waren die eigentlichen Gründer einer solchen in München. Die<lb/> ältern höhern Cirkel winden jetzt mit einem Bildungselemente befruchtet, von dem<lb/> bis dahin wenig zu bemerken gewesen war, und sein Einfluß erstreckte sich bis in<lb/> die höchsten Regionen hinauf. Nur der unterdessen zum König avancirte Kurfürst<lb/> Max wurde innerlich uicht davou berührt. Er duldete die fremden Gelehrten um<lb/> sich, weil es sein Montgelas und seine Gemahlin, die wenigstens äußerlich fein¬<lb/> gebildete Königin Caroline so verlangten, sonst aber blieben sein Gesichtskreis,<lb/> seine Ideale und anch seine Manieren die eines pensionirten Dragonerrittmeisters.—<lb/> Diese Protestaulisiruug der früheren katholischen Glaubenscidatelle ging freilich<lb/> nicht ohne einige Zuckungen vor sich. Die norddeutsche Schöngeisterei und die<lb/> altbairische Derbheit waren zu heterogene Elemente, und außerdem war unterdessen<lb/> aus deu Trümmern des alten Katholizismus eine Partei emporgewachsen, die zwar<lb/> zunächst noch nicht an eine Restauration der untergegangenen Herrlichkeit dachte,<lb/> aber doch alleu weiteren Uebergriffen der Ketzerei zu wehren suchte. In Verbin-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 41*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0323]
Versicherungen der ungestörten Glaubens- und Gewissensfreiheit und bürgerlichen
Gleichberechtigung, und sie befanden sich zum Theil unter der katholischen Regie¬
rung in kirchlicher Hinsicht besser, als unter der Zuchtruthe ihrer Spezialconststo-
rien. Die Oberbehörde in München, der protestantische Kirchen- und Schulrath
kümmerte sich um ihre innern Angelegenheiten nicht viel; nur die äußeren Ver¬
waltungsgegenstände, die Besetzung der Pfarr- und Schulstellen, das Kirchen-
Vermögen :c. wurde von ihm in die Hand genommen. Man war zu sehr an eine
Bevormundung vou oben her gewöhnt, als daß man daran hätte Anstoß neh¬
men sollen.
Alle die zugefügten protestantischen Gebiete waren besser gelegen, bebaut, be¬
völkert und brachten folglich mehr ein als Altbaiern. Ist es daher zu verwun¬
dern, daß man in München bald eine Art von Vorliebe für sie faßte? Auch zeigte
sich bald, daß die dort gebornen und gebildeten Staatsdiener in Folge der grö¬
ßeren Cultur ihrer Heimat brauchbarer und geschäftsgewandter waren, als die
Altbaiern. Natürlicherweise kamen sie in Kurzem überall oben auf: in den Mini¬
sterien, Obergerichten und Verwaltungsbehörden, im Militär und sogar an der
früher so streng katholischen Universität Ingolstadt-Landshut. In München selbst
gewann die eigentliche gute Gesellschaft von Jahr zu Jahr eine mehr Protestantin
sche Färbung.
Seit 1806 und 7 siedelte sich dort eine bedeutende Anzahl literarischer Nota¬
bilitäten ans dem Norden an, wie Jacobs, Niethammer, Schlichtegroll,
F. H. Jacobi ze. und griffen nach allen Richtungen in das geistige Leben der
Hauptstadt mächtig und nachhaltig ein, mochten sie nun zu einer mehr freien
Stellung als Mitglieder der nenerstzndenen Akademie der Wissenschaft oder zu
einer eigentlichen Beamtenthätigkeit in den Oberschnlbehörden und sonst berufen
sein. Sie gehörten ohne Ausnahme der guten Gesellschaft an, und es ist wohl nicht
zu viel gesagt: sie waren die eigentlichen Gründer einer solchen in München. Die
ältern höhern Cirkel winden jetzt mit einem Bildungselemente befruchtet, von dem
bis dahin wenig zu bemerken gewesen war, und sein Einfluß erstreckte sich bis in
die höchsten Regionen hinauf. Nur der unterdessen zum König avancirte Kurfürst
Max wurde innerlich uicht davou berührt. Er duldete die fremden Gelehrten um
sich, weil es sein Montgelas und seine Gemahlin, die wenigstens äußerlich fein¬
gebildete Königin Caroline so verlangten, sonst aber blieben sein Gesichtskreis,
seine Ideale und anch seine Manieren die eines pensionirten Dragonerrittmeisters.—
Diese Protestaulisiruug der früheren katholischen Glaubenscidatelle ging freilich
nicht ohne einige Zuckungen vor sich. Die norddeutsche Schöngeisterei und die
altbairische Derbheit waren zu heterogene Elemente, und außerdem war unterdessen
aus deu Trümmern des alten Katholizismus eine Partei emporgewachsen, die zwar
zunächst noch nicht an eine Restauration der untergegangenen Herrlichkeit dachte,
aber doch alleu weiteren Uebergriffen der Ketzerei zu wehren suchte. In Verbin-
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