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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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ein völliges Stocken seiner Einnahmen stattgefunden hat, oder jeder Gulden ihm
zur Rettung seines zukünftigen Wohlstandes grade jetzt unentbehrlich geworden ist.
Man verlaßt sich in Oestreich so gern ans die große productive Kraft des Landes,
und verwechselt diese sehr häufig mit Reichthum. Das wird sich jetzt als ein
verhängnißvoller Irrthum ausweisen. Wohl hat Oestreich die Fähigkeit enorme
Summen zu erwerben, sie liegt in seinem fruchtbaren Boden und der aufblühenden
Cultur desselben; in diesem Jahr aber, und darum handelt es sich, ist die
Produktion des Bodens durch das plötzliche Umwerfen der ganzen Agricultnrver-
hältnisse und Entziehung der arbeitenden Hände durch den Krieg grade auf den
großen Gütern, ans die es doch wieder bei einer Zwangsanleihe ankommt, vollständig
gelähmt, und die Verwerthung der gewonnenen Produkte eine schlechte geworden,
folglich sind auch die Einnahmen in erschreckendem Grade verringert. Und in diesem
Jahr wird sich deshalb Oestreich als ein armes Land erweisen. -- Und ferner
kann das Ministerium Schwarzenberg es wagen, in die Geldkassen seiner einzigen
Freunde, der Tory's des Geldes und Grundbesitzes, zu greife"? -- Und endlich,
was kann der Regierung für Geld gezahlt werden? -- Nur Bankzettel und Assig¬
naten, es ist ja kein anderes Geld vorhanden. Durch die Anleihe selbst aber
muß dies Papiergeld nothwendig mehr und zwar sehr beträchtlich entwerthet wer¬
den, denn das Peinliche und Ungewöhnliche dieser Maßregel wird den letzten'
Schein von Vertrauen, den die Regierung etwa noch besitzt, zerstören, das kläg¬
liche Misere der Vermögensverhältnisse des Staats wird offen zu Tage kommen,
und die Regierung wird, wie jener arme Köhler, den ein Geist vexirte, unter
ihren Händen den Geldwert!) in Papierfetzen verwandelt seh". -- Das fürchtet
sie, das sieht sie besser ein, als ihre Völker. Nun endlich, so bleibt eine Anleihe
an fremdem Geldmarkt? Ja wohl, das Ministerium sendet jetzt in seiner Angst
nach England, nach Belgien, überall hin, wo reiche Leute wohnen. -- Vor Been¬
digung des ungarischen Kriegs aber, vor gänzlicher Pacificatio" des Landes und
der Wiederkehr eines geordneten Zustandes bekommt die Negierung kein Geld,
auf keinem Geldmarkt, nnter keinen Bedingungen, außer unter solchen, die
einem Selbstmord ähnlich sehn. Sie ist vollständig crcditlos. Das ist
eine ernste und peinliche Wahrheit, die östreichische Nation soll sich nicht darüber
täuschen. Kein Geld den Krieg zu führen, keinen Kredit, ja gar keine Möglichkeit,
eine genügende Summe zu erhalten; das ist die Katastrophe, in welche der Kai¬
serstaat getreten ist.

Bald wird das aus Symptomen erkennbar sein. Je mehr sich das Papier
entwerthet, desto größer wird das Mißverhältnis) werden zwischen dem papiernen
Lohn des Tage- und Wochenarbeiters, und zwischen den Preisen der Lebensmittel,
Brot und Fleisch. Denn die Preise dieser Urproducte, obgleich auch gedrückt,
sinken nie in demselben Maße, wie der Werth der übrigen Thätigkeiten. Schon
dadurch entsteht eine relative Theuerung mit all ihren Folgen. Der Producent,


ein völliges Stocken seiner Einnahmen stattgefunden hat, oder jeder Gulden ihm
zur Rettung seines zukünftigen Wohlstandes grade jetzt unentbehrlich geworden ist.
Man verlaßt sich in Oestreich so gern ans die große productive Kraft des Landes,
und verwechselt diese sehr häufig mit Reichthum. Das wird sich jetzt als ein
verhängnißvoller Irrthum ausweisen. Wohl hat Oestreich die Fähigkeit enorme
Summen zu erwerben, sie liegt in seinem fruchtbaren Boden und der aufblühenden
Cultur desselben; in diesem Jahr aber, und darum handelt es sich, ist die
Produktion des Bodens durch das plötzliche Umwerfen der ganzen Agricultnrver-
hältnisse und Entziehung der arbeitenden Hände durch den Krieg grade auf den
großen Gütern, ans die es doch wieder bei einer Zwangsanleihe ankommt, vollständig
gelähmt, und die Verwerthung der gewonnenen Produkte eine schlechte geworden,
folglich sind auch die Einnahmen in erschreckendem Grade verringert. Und in diesem
Jahr wird sich deshalb Oestreich als ein armes Land erweisen. — Und ferner
kann das Ministerium Schwarzenberg es wagen, in die Geldkassen seiner einzigen
Freunde, der Tory's des Geldes und Grundbesitzes, zu greife»? — Und endlich,
was kann der Regierung für Geld gezahlt werden? — Nur Bankzettel und Assig¬
naten, es ist ja kein anderes Geld vorhanden. Durch die Anleihe selbst aber
muß dies Papiergeld nothwendig mehr und zwar sehr beträchtlich entwerthet wer¬
den, denn das Peinliche und Ungewöhnliche dieser Maßregel wird den letzten'
Schein von Vertrauen, den die Regierung etwa noch besitzt, zerstören, das kläg¬
liche Misere der Vermögensverhältnisse des Staats wird offen zu Tage kommen,
und die Regierung wird, wie jener arme Köhler, den ein Geist vexirte, unter
ihren Händen den Geldwert!) in Papierfetzen verwandelt seh». — Das fürchtet
sie, das sieht sie besser ein, als ihre Völker. Nun endlich, so bleibt eine Anleihe
an fremdem Geldmarkt? Ja wohl, das Ministerium sendet jetzt in seiner Angst
nach England, nach Belgien, überall hin, wo reiche Leute wohnen. — Vor Been¬
digung des ungarischen Kriegs aber, vor gänzlicher Pacificatio» des Landes und
der Wiederkehr eines geordneten Zustandes bekommt die Negierung kein Geld,
auf keinem Geldmarkt, nnter keinen Bedingungen, außer unter solchen, die
einem Selbstmord ähnlich sehn. Sie ist vollständig crcditlos. Das ist
eine ernste und peinliche Wahrheit, die östreichische Nation soll sich nicht darüber
täuschen. Kein Geld den Krieg zu führen, keinen Kredit, ja gar keine Möglichkeit,
eine genügende Summe zu erhalten; das ist die Katastrophe, in welche der Kai¬
serstaat getreten ist.

Bald wird das aus Symptomen erkennbar sein. Je mehr sich das Papier
entwerthet, desto größer wird das Mißverhältnis) werden zwischen dem papiernen
Lohn des Tage- und Wochenarbeiters, und zwischen den Preisen der Lebensmittel,
Brot und Fleisch. Denn die Preise dieser Urproducte, obgleich auch gedrückt,
sinken nie in demselben Maße, wie der Werth der übrigen Thätigkeiten. Schon
dadurch entsteht eine relative Theuerung mit all ihren Folgen. Der Producent,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/317>, abgerufen am 05.02.2025.