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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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ein Gesetz das Recht genommen ist, gegen den zahlungsunfähigen Schuldner zu
klagen. Der Staat hat außer den Banknoten bereits Papiergeld gemacht, mit
Interessen, ohne Interessen, ja er zwingt mit Gewalt dasselbe zu nehmen, er
macht es jetzt in die Luft, ohne Maaß, ohne Ende, für seine treuen Völker,
welche durch Banknoten bereits ^ ihrer arbeitenden Capitalien, durch die neue
Scheidemünze sicher eben so viel, durch die Verwendung ihrer Menschen und Ar¬
beitskraft im unproductiven Kriege mehr als die Hälfte ihrer Productionsfähigkeit
verloren haben. Oestreich ist in einem Jahr ausgesogen und vollständig ruinirt^
worden, das soll man erkennen und sich nicht selbst durch Phrasen täuschen. Und
trotz dem, trotz ihren Anweisungen auf die Entschädigungsgelder, welche Ungarn
nach dem Kriege zahlen soll, kann die Negierung nicht bis über den Herbst beste¬
hen, ohne Geld zu schaffen. Woher das nehmen? Der Plan einer freiwilligen
Anleihe im Kaiserstaat ist eine Lächerlichkeit, welche hier nur als Kuriosität erwähnt
werden soll, ohne Zwang kommt nicht eine Million aus dem Volk zusammen,
und vom Ausland geht nicht ein Pfennig "freiwillig" in die Regierungsrassen,
Als Preußen, dessen Finanzen in dem gesündesten Zustand sind, welcher in einem
modernen Staat gedacht werden kann, im vorigen Jahr 15 Millionen gegen 5 pCt.
durch freiwilliges Anleihen auftreiben wollte, hat es ein halbes Jahr gebraucht,
um nur die Hälfte zusammen zu bekommen, erst als die Zwangsanleihe ausgespro¬
chen war, floß das Capital zögernd zusammen, und die preußischen Staats¬
schuldscheine zu 5 pCt. stehen auf den deutschen Börsen um 30 pCt.
höher, als die östreichischen Metalliqnes zu 5 pCt.

Unter den gegenwärtigen Umständen kann die östreichische Regierung weder
auf eine freiwillige Anleihe rechnen, noch auf eine Zwangsanleihe. Eine Zwaugs-
aulcihe wird erhoben von den Wohlhabenden, etwa von 500 Gulden jährlichen
Einkommens aufwärts, die Einnahmen der Einzelnen werden durch Bezirkscommis-
sionen geschätzt, oder die Selbstschätzungen der Einzelnen durch diese Commissionen
controllirt; das Erstere ist eine Riesenarbeit, welche sehr langwierig und das Ge¬
hässigste von Allem ist, was eine Negierung unternehmen kann. Ob die Regierung
z. B. in Böhmen oder gar in der Lombardei das wagen wird? Jedenfalls würde
sie gut thun, nicht ohne Bajonnette eine solche Einschätzung vorzunehmen. Eine
Selbstschätzung der Einzelnen aber setzt ein reges und gesundes Communalleben
voraus, und setzt voraus, daß der Einzelne gewöhnt ist, sich als kleiner Theil des
Staates auch in seinen Pflichten zu fühlen. Davon ist im Kaiserstaat wenig vorhanden.
-- Doch das sind nur Schwierigkeiten. Aber wie viel meint man durch solche Zwangs¬
anleihe zu erpressen? Der Handwerker, der Fabrikant, sie fristen kaum ihr Leben,
der große reiche Adel des Grundbesitzes hat im letzten Jahr durch die plötzliche
Aufhebung der Roboten und Zehnten in seinen Einnahmen einen so ungeheuern
Rückschlag erlitten, und ist durch die nothwendig gewordene neue Einrichtung seiner
Wirthschaften in diesem Jahr selbst in so großer Geldverlegenheit, daß entweder


ein Gesetz das Recht genommen ist, gegen den zahlungsunfähigen Schuldner zu
klagen. Der Staat hat außer den Banknoten bereits Papiergeld gemacht, mit
Interessen, ohne Interessen, ja er zwingt mit Gewalt dasselbe zu nehmen, er
macht es jetzt in die Luft, ohne Maaß, ohne Ende, für seine treuen Völker,
welche durch Banknoten bereits ^ ihrer arbeitenden Capitalien, durch die neue
Scheidemünze sicher eben so viel, durch die Verwendung ihrer Menschen und Ar¬
beitskraft im unproductiven Kriege mehr als die Hälfte ihrer Productionsfähigkeit
verloren haben. Oestreich ist in einem Jahr ausgesogen und vollständig ruinirt^
worden, das soll man erkennen und sich nicht selbst durch Phrasen täuschen. Und
trotz dem, trotz ihren Anweisungen auf die Entschädigungsgelder, welche Ungarn
nach dem Kriege zahlen soll, kann die Negierung nicht bis über den Herbst beste¬
hen, ohne Geld zu schaffen. Woher das nehmen? Der Plan einer freiwilligen
Anleihe im Kaiserstaat ist eine Lächerlichkeit, welche hier nur als Kuriosität erwähnt
werden soll, ohne Zwang kommt nicht eine Million aus dem Volk zusammen,
und vom Ausland geht nicht ein Pfennig „freiwillig" in die Regierungsrassen,
Als Preußen, dessen Finanzen in dem gesündesten Zustand sind, welcher in einem
modernen Staat gedacht werden kann, im vorigen Jahr 15 Millionen gegen 5 pCt.
durch freiwilliges Anleihen auftreiben wollte, hat es ein halbes Jahr gebraucht,
um nur die Hälfte zusammen zu bekommen, erst als die Zwangsanleihe ausgespro¬
chen war, floß das Capital zögernd zusammen, und die preußischen Staats¬
schuldscheine zu 5 pCt. stehen auf den deutschen Börsen um 30 pCt.
höher, als die östreichischen Metalliqnes zu 5 pCt.

Unter den gegenwärtigen Umständen kann die östreichische Regierung weder
auf eine freiwillige Anleihe rechnen, noch auf eine Zwangsanleihe. Eine Zwaugs-
aulcihe wird erhoben von den Wohlhabenden, etwa von 500 Gulden jährlichen
Einkommens aufwärts, die Einnahmen der Einzelnen werden durch Bezirkscommis-
sionen geschätzt, oder die Selbstschätzungen der Einzelnen durch diese Commissionen
controllirt; das Erstere ist eine Riesenarbeit, welche sehr langwierig und das Ge¬
hässigste von Allem ist, was eine Negierung unternehmen kann. Ob die Regierung
z. B. in Böhmen oder gar in der Lombardei das wagen wird? Jedenfalls würde
sie gut thun, nicht ohne Bajonnette eine solche Einschätzung vorzunehmen. Eine
Selbstschätzung der Einzelnen aber setzt ein reges und gesundes Communalleben
voraus, und setzt voraus, daß der Einzelne gewöhnt ist, sich als kleiner Theil des
Staates auch in seinen Pflichten zu fühlen. Davon ist im Kaiserstaat wenig vorhanden.
— Doch das sind nur Schwierigkeiten. Aber wie viel meint man durch solche Zwangs¬
anleihe zu erpressen? Der Handwerker, der Fabrikant, sie fristen kaum ihr Leben,
der große reiche Adel des Grundbesitzes hat im letzten Jahr durch die plötzliche
Aufhebung der Roboten und Zehnten in seinen Einnahmen einen so ungeheuern
Rückschlag erlitten, und ist durch die nothwendig gewordene neue Einrichtung seiner
Wirthschaften in diesem Jahr selbst in so großer Geldverlegenheit, daß entweder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/316>, abgerufen am 05.02.2025.