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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Bärte? Der lebt fer" von Mutter Slava in Paris. Oder den Verspotter des
"magyarischen Völkleins?" -- Der will k. k. Professor des Naturrechts werden.
Oder deu Mann mit dem schönen Mantel und der mystificirteu Nativnalbelvhuuug?
Der trauert über den Undank seiner Nation.

Oder etwa deu furchtbarste", aber zugleich kernigsten aller ehemaligen Pan-
slavisten, den scythischen Escamoteur mit dem schwarzrotgoldenen Sacktnche? --

Ju diesem Manu ist allerdings noch immer ein kaltes, seltsames Geheimniß
verborgen, frostig und starr, w!e die czechische Göttin selber. Und wie diese da-,
sitzt ans weißrothblauem Dreifuß, im Herzen unsäglichen Groll, in den Augen
das deutscheuseiudliche Feuer, mit der Hand das Bild Frankfurts in die Gluthen
werfend, nud mit dem Munde den gräßlichen Fluch vor sich hinmurmelnd, der
das u^slavische Ministerium verdammen soll, so steht er da, ein zweiter Alexan¬
der, groß und unüberwindlich. Was meint Herr Hawljzcek? Er sagt: "Wir
denken zwar, was wir gedacht haben, aber sind weit entfernt, die Erhöhung des
Grafen zum Unterrichtsminister zu tadeln." Das schüchterne Fannnsgesicht wird
Ihnen dabei nicht entgehen, dafür läßt der Mann seine Galle Herrn Schmerling
fühlen. "Dieser, meint er, wird aller Wahrscheinlichkeit nach seine neue Stellung
damit krönen wollen, daß er die Wahlen für .Frankfurt ausschreiben läßt. Die
Czechen werden aber nicht wählen." Du lieber Gott, das verlangt ja Nie¬
mand mehr von ihnen.

Ans die Frage: Hat das Volk Ursache, sich über diese Wahl des Monarchen
zu freuen, so wird die Antwort ungefähr so gesetzt werden müssen. Es ist sehr
unwahrscheinlich, daß der College Schwarzeubergs in einem liberalen Cabiucte
wünschenswert!) oder möglich wäre; aber bei dem Absolutismus Oestreichs, wel¬
cher nur mit constitutionellen Phrasen verblümt ist, ist Leo Graf Thun sicher die
möglichst beste Acquisition. Die Ausklärung, wie wir sie wünschen, wird in Oest¬
reich noch lange Zeit ein frommer Wunsch bleiben, die Jesuiten und Liguorianer
kriechen allmälig ans ihren Nestern hervor, die Kirchenhäupter erlassen grauen¬
erregende Bibelsprüche und Hirtenbriefe, die Consistoria predigen dem Klerus ehr¬
würdige Polizei und die Hvstieusonne der willenlosen Frömmigkeit, leuchtet über
Unserer papiernen Verfassung. ES wäre also thöricht, wenn wir bei dieser neuen
Entwicklung und Reorganisation des Jesuitismns und der geistlichen Polizei von
irgend einem Unterrichtsminister des Cabinets Schwarzenberg große Fortschritte
in der Ausbildung und Erweiterung der wahren geistigen Cultur hoffen wollten.
Würde aber ein Heisere oder ein Professor Naumann (?) dieses Portefeuille er¬
halten habe", so dürften wir gewiß sein, mit Einem Schritte vor, zwei, nein,
wehr sechs rückwärts zu machen, und der Heilige von Loyola hätte noch im Grabe
seine Freude erlebt. Bei derlei Aussichten ist Leo Thun noch immer der leidlichste,
und wir einigen, starken und freien Oestreicher haben an seiner Ernennung dem¬
nach nichts verloren.


Bärte? Der lebt fer» von Mutter Slava in Paris. Oder den Verspotter des
„magyarischen Völkleins?" — Der will k. k. Professor des Naturrechts werden.
Oder deu Mann mit dem schönen Mantel und der mystificirteu Nativnalbelvhuuug?
Der trauert über den Undank seiner Nation.

Oder etwa deu furchtbarste», aber zugleich kernigsten aller ehemaligen Pan-
slavisten, den scythischen Escamoteur mit dem schwarzrotgoldenen Sacktnche? —

Ju diesem Manu ist allerdings noch immer ein kaltes, seltsames Geheimniß
verborgen, frostig und starr, w!e die czechische Göttin selber. Und wie diese da-,
sitzt ans weißrothblauem Dreifuß, im Herzen unsäglichen Groll, in den Augen
das deutscheuseiudliche Feuer, mit der Hand das Bild Frankfurts in die Gluthen
werfend, nud mit dem Munde den gräßlichen Fluch vor sich hinmurmelnd, der
das u^slavische Ministerium verdammen soll, so steht er da, ein zweiter Alexan¬
der, groß und unüberwindlich. Was meint Herr Hawljzcek? Er sagt: „Wir
denken zwar, was wir gedacht haben, aber sind weit entfernt, die Erhöhung des
Grafen zum Unterrichtsminister zu tadeln." Das schüchterne Fannnsgesicht wird
Ihnen dabei nicht entgehen, dafür läßt der Mann seine Galle Herrn Schmerling
fühlen. „Dieser, meint er, wird aller Wahrscheinlichkeit nach seine neue Stellung
damit krönen wollen, daß er die Wahlen für .Frankfurt ausschreiben läßt. Die
Czechen werden aber nicht wählen." Du lieber Gott, das verlangt ja Nie¬
mand mehr von ihnen.

Ans die Frage: Hat das Volk Ursache, sich über diese Wahl des Monarchen
zu freuen, so wird die Antwort ungefähr so gesetzt werden müssen. Es ist sehr
unwahrscheinlich, daß der College Schwarzeubergs in einem liberalen Cabiucte
wünschenswert!) oder möglich wäre; aber bei dem Absolutismus Oestreichs, wel¬
cher nur mit constitutionellen Phrasen verblümt ist, ist Leo Graf Thun sicher die
möglichst beste Acquisition. Die Ausklärung, wie wir sie wünschen, wird in Oest¬
reich noch lange Zeit ein frommer Wunsch bleiben, die Jesuiten und Liguorianer
kriechen allmälig ans ihren Nestern hervor, die Kirchenhäupter erlassen grauen¬
erregende Bibelsprüche und Hirtenbriefe, die Consistoria predigen dem Klerus ehr¬
würdige Polizei und die Hvstieusonne der willenlosen Frömmigkeit, leuchtet über
Unserer papiernen Verfassung. ES wäre also thöricht, wenn wir bei dieser neuen
Entwicklung und Reorganisation des Jesuitismns und der geistlichen Polizei von
irgend einem Unterrichtsminister des Cabinets Schwarzenberg große Fortschritte
in der Ausbildung und Erweiterung der wahren geistigen Cultur hoffen wollten.
Würde aber ein Heisere oder ein Professor Naumann (?) dieses Portefeuille er¬
halten habe», so dürften wir gewiß sein, mit Einem Schritte vor, zwei, nein,
wehr sechs rückwärts zu machen, und der Heilige von Loyola hätte noch im Grabe
seine Freude erlebt. Bei derlei Aussichten ist Leo Thun noch immer der leidlichste,
und wir einigen, starken und freien Oestreicher haben an seiner Ernennung dem¬
nach nichts verloren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/311>, abgerufen am 05.02.2025.