Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Haben wir aber auch etwas damit gewonnen? -- Wenigstens eine Cvn- Wollen wir weiter gehen und über Lyceum, Gymnasium und die kleinen Unsere Ansicht ist daher: Mögen die Czechen durch diese Besetzung des Cul¬ Haben wir aber auch etwas damit gewonnen? — Wenigstens eine Cvn- Wollen wir weiter gehen und über Lyceum, Gymnasium und die kleinen Unsere Ansicht ist daher: Mögen die Czechen durch diese Besetzung des Cul¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279338"/> <p xml:id="ID_1020"> Haben wir aber auch etwas damit gewonnen? — Wenigstens eine Cvn-<lb/> trasignatur mehr bei k. k. Ukasen. Aber außerdem ist die endliche Besetzung des<lb/> so lange Zeit leer gebliebenen und so wichtigen Postens ein Gewinn für uns, an<lb/> welche», wenn der Minister mit Ernst aufzutreten geneigt wäre, sich weiterer Ge¬<lb/> winn reihen würde. — Es flimmert Einem wahrlich bunt vor den Augen, wenn<lb/> man unser verkümmertes Unterrichtswesen ansieht, dieses herrliche, üppige Feld<lb/> zur wilden Steppe gemacht sieht. Man gehe einmal in unserer cvlvborriiiui, et<lb/> indi«>ni5«im.'l herum und mau wird sich gewaltig wundern über die diversen Stu¬<lb/> dien, die da gemacht werden. — Unsere Theologie, halt! die kommt direkt vom<lb/> Himmel, mit der ist nicht zu scherzen; — die juridische Fakultät aber dürste<lb/> eiuer bedeutenden Kur zu unterziehen sein. Das Zopfthum, das hier seine höchste<lb/> Länge erreicht hat, erfordert mindestens eine neue, gefälligere Flechtnug, denn die<lb/> uralte ist höchst widerlich und an den Nadikalschuitt dürfen wir doch nicht denken.<lb/> Die jungen Herren Nechtshörer sind überdies durch die vielen Octroyiruugeu im<lb/> „Rechtsbegriffe" etwas confus geworden. Da studirt der gutgesinnte Jurist<lb/> seine Glückseligkeit vom 4. März, der czechische die schwarzrothblaue Verfassung<lb/> des Reichstags und den Slavencvngreß, und der Deutsche sogar die schwarzroth-<lb/> goldeue Einheit und den Reichsverweser. Wo ist ak-er da das einige Oest¬<lb/> reich? In der Medizin, die als Wissenschaft am Besten bestellt ist, sind min¬<lb/> destens die Chirurgen zwischen Thüre und Angeln, und die staatliche Stellung der<lb/> Aerzte ist ungesund.</p><lb/> <p xml:id="ID_1021"> Wollen wir weiter gehen und über Lyceum, Gymnasium und die kleinen<lb/> Schulen eine Litanei beginnen. — Erbarmen mit den „Grenzboten!" ich will sie<lb/> mit dem massenhaften Unkraut nicht betäuben, welches auf diesem Gebiete aufge¬<lb/> schossen ist und womit man die Köpfe der armen Jugend anfüllt. Doch glauben<lb/> Sie meinem Worte, es gehört ein Menschenalter dazu, um Alles wieder gut zu<lb/> machen, was durch ein schändliches Vcrdummuugssystem verdorben wurde. ES<lb/> hieße daher die menschliche Kraft überschätzen, es hieße auch den guten Willen<lb/> und den liberalen Sinn unseres Ministeriums überschätzen, würden wir eine tief<lb/> durchgreifende Reformation zu Gunsten und zum Heil unserer culturfähigen Ju¬<lb/> gend erwarten; aber wenigstens neue Schnörkeln werden zuverlässig an dem alten<lb/> Culturstaate angebracht werden müsse», ein gefälliger Anstrich, der jetzige ist völlig<lb/> verwittert; — und das wird unser Gewinn sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1022"> Unsere Ansicht ist daher: Mögen die Czechen durch diese Besetzung des Cul¬<lb/> tusministeriums sich noch so sehr gekränkt fühlen, der östreichische Kaiserstaat hat<lb/> unter den gegenwärtigen Verhältnissen dadurch nichts verloren, aber vielleicht Et¬<lb/> was gewonnen. —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
Haben wir aber auch etwas damit gewonnen? — Wenigstens eine Cvn-
trasignatur mehr bei k. k. Ukasen. Aber außerdem ist die endliche Besetzung des
so lange Zeit leer gebliebenen und so wichtigen Postens ein Gewinn für uns, an
welche», wenn der Minister mit Ernst aufzutreten geneigt wäre, sich weiterer Ge¬
winn reihen würde. — Es flimmert Einem wahrlich bunt vor den Augen, wenn
man unser verkümmertes Unterrichtswesen ansieht, dieses herrliche, üppige Feld
zur wilden Steppe gemacht sieht. Man gehe einmal in unserer cvlvborriiiui, et
indi«>ni5«im.'l herum und mau wird sich gewaltig wundern über die diversen Stu¬
dien, die da gemacht werden. — Unsere Theologie, halt! die kommt direkt vom
Himmel, mit der ist nicht zu scherzen; — die juridische Fakultät aber dürste
eiuer bedeutenden Kur zu unterziehen sein. Das Zopfthum, das hier seine höchste
Länge erreicht hat, erfordert mindestens eine neue, gefälligere Flechtnug, denn die
uralte ist höchst widerlich und an den Nadikalschuitt dürfen wir doch nicht denken.
Die jungen Herren Nechtshörer sind überdies durch die vielen Octroyiruugeu im
„Rechtsbegriffe" etwas confus geworden. Da studirt der gutgesinnte Jurist
seine Glückseligkeit vom 4. März, der czechische die schwarzrothblaue Verfassung
des Reichstags und den Slavencvngreß, und der Deutsche sogar die schwarzroth-
goldeue Einheit und den Reichsverweser. Wo ist ak-er da das einige Oest¬
reich? In der Medizin, die als Wissenschaft am Besten bestellt ist, sind min¬
destens die Chirurgen zwischen Thüre und Angeln, und die staatliche Stellung der
Aerzte ist ungesund.
Wollen wir weiter gehen und über Lyceum, Gymnasium und die kleinen
Schulen eine Litanei beginnen. — Erbarmen mit den „Grenzboten!" ich will sie
mit dem massenhaften Unkraut nicht betäuben, welches auf diesem Gebiete aufge¬
schossen ist und womit man die Köpfe der armen Jugend anfüllt. Doch glauben
Sie meinem Worte, es gehört ein Menschenalter dazu, um Alles wieder gut zu
machen, was durch ein schändliches Vcrdummuugssystem verdorben wurde. ES
hieße daher die menschliche Kraft überschätzen, es hieße auch den guten Willen
und den liberalen Sinn unseres Ministeriums überschätzen, würden wir eine tief
durchgreifende Reformation zu Gunsten und zum Heil unserer culturfähigen Ju¬
gend erwarten; aber wenigstens neue Schnörkeln werden zuverlässig an dem alten
Culturstaate angebracht werden müsse», ein gefälliger Anstrich, der jetzige ist völlig
verwittert; — und das wird unser Gewinn sein.
Unsere Ansicht ist daher: Mögen die Czechen durch diese Besetzung des Cul¬
tusministeriums sich noch so sehr gekränkt fühlen, der östreichische Kaiserstaat hat
unter den gegenwärtigen Verhältnissen dadurch nichts verloren, aber vielleicht Et¬
was gewonnen. —
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