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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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sigkeit die Grenze de- euch nur sehr schmal und locker war, und daß oft selbst
der Freisinnige vom reinsten Wasser, wenn er nnr auch menschlich dachte, in
die Verlegenheit gerieth, ob er z. B. als Deutscher, sich lieber von eurer Be¬
geisterung ohrfeigen, oder von der Regierung Hofmeistern lassen sollte. -- Der Feind
geschwollener Wangen und der Mann von Selbstgefühl wählten natürlich das weniger
schmerzliche Uebel. Doch keine Vorwürfe mehr wegen dieser tollen Vergangenheit,
die sich ohnehin nachhaltig gerächt hat; -- es waren Zeiten, wo die Ueberlegung
spazieren ging, und die Leidenschaft im Hanse herrschte. Ihr selbst nehmt das
Recht in Anspruch, seitdem weiser geworden zu sein. Seht, und deshalb sollt ihr
anch über Thun erst uach seine" neuen Thaten urtheilen. "Thörichte Furcht," meinte
letzthin eine ehrliche Swornostseele. "Thun hat ja als Unterrichtsminister ohne¬
hin blos mit Professoren und Studenten etwas zu schaffen. Diese Armen werden
es freilich büßen, daß sie ihn gefangen haben und aufknüpfen wollten, aber uns
kümmert er nicht." Und solche Leute nennen sich hier nationalen, und doch
wissen sie nicht, daß in Thun's Ressort jetzt ihr Steckenpferd "die Nationalität"
gehört, daß von seinem Departement die Gestaltung und Cultur der nachwnchsigen
Generation und des Vaterlandes selbst abhängt, und daß anch dem "Professoren¬
minister" eine gewichtige Stimme in allen inneren Staatsangelegenheiten zukommt.
Die Führer der czechischen Partei aber sind von Thun und von dessen Klugheit
eines Bessern belehrt. Diese wissen, wie wir, sehr wohl, daß Leo Graf Thu",
der czechische Opposirionsmann einst der äußersten Linken in den böhmischen Land¬
tagen, von welchem in diesem Augenblicke eine Brochüre in czechischer Sprache
die Presse beschäftigt, daß er, einst die Hoffnung seines Vaterlandes genannt,
nichts weniger als dem Czechentbnme feind ist, wenn gleich er dem Enthusiasmus
der Panslavisten nicht mehr huldigen mag. Zudem ist der improvisirte Minister,
der bereits den Entschluß gefaßt hatte, seines traurigen Geschickes halber nach der
neuen Welt zu wandern, zu klug, alö daß er nicht deu Czechen alle möglichen
Concessionen machen sollte, um sich mit heilten Landsleuten auszusöhnen, denen er
seine Versöhnlichkeit so oft entgegentrug.

Sie fragen, was die eigentlichen enragirten Panslavisten zu dieser Erhebung
noch immer für Mienen machen? Welche Panslavisten? Ein Königreich für einen
Panslavisten! Hier sind sie verschwunden, wie Klapta, wenn er dem schnurrbärti¬
gen Judenfeind zur Nevange das Vieh weggefangen hat. Ob sie nicht wieder
hervorkommen, wenn's einmal geheuer wird, ist freilich eine andere leicht zu be¬
antwortende Frage. Wen meinen Sie aber jetzt? Etwa deu Maun mit dem ver¬
blichenen Paragraphen? Der ist k. k. Appellativnsrath, ein obligater Gutgcsinuter.
Oder den "Großen" mit dem schmalen Geiste und der breiten Rede? -- Man
hat ihn nur bvöhaflerweise "den Großen" genannt, aber glauben Sie mir, er
ruht jetzt sanft ans ans den Lorbeeren seiner siegreichen parlamentarischen Schlach¬
ten und ist ein ganz unschuldiges Ding. Oder den genialen Tadler magyarischer


sigkeit die Grenze de- euch nur sehr schmal und locker war, und daß oft selbst
der Freisinnige vom reinsten Wasser, wenn er nnr auch menschlich dachte, in
die Verlegenheit gerieth, ob er z. B. als Deutscher, sich lieber von eurer Be¬
geisterung ohrfeigen, oder von der Regierung Hofmeistern lassen sollte. — Der Feind
geschwollener Wangen und der Mann von Selbstgefühl wählten natürlich das weniger
schmerzliche Uebel. Doch keine Vorwürfe mehr wegen dieser tollen Vergangenheit,
die sich ohnehin nachhaltig gerächt hat; — es waren Zeiten, wo die Ueberlegung
spazieren ging, und die Leidenschaft im Hanse herrschte. Ihr selbst nehmt das
Recht in Anspruch, seitdem weiser geworden zu sein. Seht, und deshalb sollt ihr
anch über Thun erst uach seine» neuen Thaten urtheilen. „Thörichte Furcht," meinte
letzthin eine ehrliche Swornostseele. „Thun hat ja als Unterrichtsminister ohne¬
hin blos mit Professoren und Studenten etwas zu schaffen. Diese Armen werden
es freilich büßen, daß sie ihn gefangen haben und aufknüpfen wollten, aber uns
kümmert er nicht." Und solche Leute nennen sich hier nationalen, und doch
wissen sie nicht, daß in Thun's Ressort jetzt ihr Steckenpferd „die Nationalität"
gehört, daß von seinem Departement die Gestaltung und Cultur der nachwnchsigen
Generation und des Vaterlandes selbst abhängt, und daß anch dem „Professoren¬
minister" eine gewichtige Stimme in allen inneren Staatsangelegenheiten zukommt.
Die Führer der czechischen Partei aber sind von Thun und von dessen Klugheit
eines Bessern belehrt. Diese wissen, wie wir, sehr wohl, daß Leo Graf Thu»,
der czechische Opposirionsmann einst der äußersten Linken in den böhmischen Land¬
tagen, von welchem in diesem Augenblicke eine Brochüre in czechischer Sprache
die Presse beschäftigt, daß er, einst die Hoffnung seines Vaterlandes genannt,
nichts weniger als dem Czechentbnme feind ist, wenn gleich er dem Enthusiasmus
der Panslavisten nicht mehr huldigen mag. Zudem ist der improvisirte Minister,
der bereits den Entschluß gefaßt hatte, seines traurigen Geschickes halber nach der
neuen Welt zu wandern, zu klug, alö daß er nicht deu Czechen alle möglichen
Concessionen machen sollte, um sich mit heilten Landsleuten auszusöhnen, denen er
seine Versöhnlichkeit so oft entgegentrug.

Sie fragen, was die eigentlichen enragirten Panslavisten zu dieser Erhebung
noch immer für Mienen machen? Welche Panslavisten? Ein Königreich für einen
Panslavisten! Hier sind sie verschwunden, wie Klapta, wenn er dem schnurrbärti¬
gen Judenfeind zur Nevange das Vieh weggefangen hat. Ob sie nicht wieder
hervorkommen, wenn's einmal geheuer wird, ist freilich eine andere leicht zu be¬
antwortende Frage. Wen meinen Sie aber jetzt? Etwa deu Maun mit dem ver¬
blichenen Paragraphen? Der ist k. k. Appellativnsrath, ein obligater Gutgcsinuter.
Oder den „Großen" mit dem schmalen Geiste und der breiten Rede? — Man
hat ihn nur bvöhaflerweise „den Großen" genannt, aber glauben Sie mir, er
ruht jetzt sanft ans ans den Lorbeeren seiner siegreichen parlamentarischen Schlach¬
ten und ist ein ganz unschuldiges Ding. Oder den genialen Tadler magyarischer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/310>, abgerufen am 05.02.2025.