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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Gulden in Conventionsmünze. Der Reichstag bewilligte dazu 100 Millionen.
Der große Bedarf, während die Einnahmen sich verringerten, wurde durch An¬
leihen bei der Natiomilbauk gedeckt. Die Nationalbank ist ein mit dem Privile¬
gium der Notenemission versehenes Privatinstitut; dieses Privilegium wurde
vom Staate, nach devoter Katzenl'uckeln der Bankdirektoren dahin mißbraucht, daß
er sich stets Geld auslieh, wahrend diese kein Geld hatte, sondern blos die ge¬
stempelten Papiere. Ohne also ein Aequivalent in Baarcm oder in geeigneten
einlösbaren Effecten zu haben, schnitt die Bank einen Bogen Papier nach dem
andern entzwei und so hatte sie Ende vorigen Monats 258 Millionen Gulden in
Papier in Umlauf gesetzt, in den Kellern aber lagen nur 28 Millionen in Silber.
Also für beinahe 10 Gulden Noten hat die Bank nur 1 Gulden Silber als Be¬
deckung.

Dieses Mißverhältniß drückt seit Jahr und Tag den Werth der Banknoten,
welche 20 bis 25 Prozent an Agio verlieren, wenn man sie gegen Silber umtau¬
schen will. Diesen Verlust muß das Publikum dulden und tragen, denn die Re¬
gierung anberaumte den Zwangscours; das Geschäft treibende Publikum revcmgirt
sich, indem es den Verlust an Banknoten auf den Preis der Waare schlägt, und
die östreichischen Buchhändler erlassen an alle Kunden ein Circular, wonach sie die
außeröstreichischen Werke für den Thaler, sonst 1 Fi. 27 Kr., jetzt mit 1 Fi.
45 Kr. berechnen. Bücher siud jedoch ein Luxusartikel; Fleisch hingegen gehört
zu dem nothwendigsten Lebensunterhalt, und davon kostet gegenwärtig das Pfund
15 Kr. C.-M, das voriges Jahr 10 Kr. kostete. Um nicht eine noch größere
Theuerung hervorzubringen, mußte der Minister die Ausfuhr vou Gold und Sil¬
ber nach der Moldau und Wallachei gestatten, weil die dortigen Ninderlieferanten
keine andere Zahlung annahmen.

Außer den Kaufleuten kann sich kaum Jemand eine Vorstellung machen, wel¬
chen Einfluß die Entwerthung der Banknoten auf das ganze Verkehrsleben Oest¬
reichs ausübte. Der Beamte verliert jedoch mindestens den 5. Theil seines Ge¬
haltes, eben so der Rentier. Wer vorigen Jahrs 1000 Fi. in Silber anslieh, er¬
hält jetzt nur 800 Fi. in Silber zurück u. s. w.

Die Bankactionäre, welche Geld an den Staat liehen, ohne Geld zu haben,
beziehen für ihre entwertheten Papiere die vollen Interessen. Die Bank war ban¬
kerott, denn sie konnte ihre Noten obwohl darauf gedruckt ist, daß der Ueber-
bringer Silber dafür bekömmt, nicht einlösen; dennoch lieh sie neuerdings dem
Staate uneinlösbare Noten, und ließ sich dafür Zinsen zahlen, als hätte sie baa-
res Geld geborgt.

Alle Reden auf der Tribune, die scharmantesten Journalartikel, alle Vorstel¬
lungen der Kaufmannswelt scheiterten -- am Bedarf des Staates. Der Krieg in
Italien und Ungarn kostete Geld, und der Minister fand kein anderes Aushilfs-


Grenzboten. in. 1349. 39

Gulden in Conventionsmünze. Der Reichstag bewilligte dazu 100 Millionen.
Der große Bedarf, während die Einnahmen sich verringerten, wurde durch An¬
leihen bei der Natiomilbauk gedeckt. Die Nationalbank ist ein mit dem Privile¬
gium der Notenemission versehenes Privatinstitut; dieses Privilegium wurde
vom Staate, nach devoter Katzenl'uckeln der Bankdirektoren dahin mißbraucht, daß
er sich stets Geld auslieh, wahrend diese kein Geld hatte, sondern blos die ge¬
stempelten Papiere. Ohne also ein Aequivalent in Baarcm oder in geeigneten
einlösbaren Effecten zu haben, schnitt die Bank einen Bogen Papier nach dem
andern entzwei und so hatte sie Ende vorigen Monats 258 Millionen Gulden in
Papier in Umlauf gesetzt, in den Kellern aber lagen nur 28 Millionen in Silber.
Also für beinahe 10 Gulden Noten hat die Bank nur 1 Gulden Silber als Be¬
deckung.

Dieses Mißverhältniß drückt seit Jahr und Tag den Werth der Banknoten,
welche 20 bis 25 Prozent an Agio verlieren, wenn man sie gegen Silber umtau¬
schen will. Diesen Verlust muß das Publikum dulden und tragen, denn die Re¬
gierung anberaumte den Zwangscours; das Geschäft treibende Publikum revcmgirt
sich, indem es den Verlust an Banknoten auf den Preis der Waare schlägt, und
die östreichischen Buchhändler erlassen an alle Kunden ein Circular, wonach sie die
außeröstreichischen Werke für den Thaler, sonst 1 Fi. 27 Kr., jetzt mit 1 Fi.
45 Kr. berechnen. Bücher siud jedoch ein Luxusartikel; Fleisch hingegen gehört
zu dem nothwendigsten Lebensunterhalt, und davon kostet gegenwärtig das Pfund
15 Kr. C.-M, das voriges Jahr 10 Kr. kostete. Um nicht eine noch größere
Theuerung hervorzubringen, mußte der Minister die Ausfuhr vou Gold und Sil¬
ber nach der Moldau und Wallachei gestatten, weil die dortigen Ninderlieferanten
keine andere Zahlung annahmen.

Außer den Kaufleuten kann sich kaum Jemand eine Vorstellung machen, wel¬
chen Einfluß die Entwerthung der Banknoten auf das ganze Verkehrsleben Oest¬
reichs ausübte. Der Beamte verliert jedoch mindestens den 5. Theil seines Ge¬
haltes, eben so der Rentier. Wer vorigen Jahrs 1000 Fi. in Silber anslieh, er¬
hält jetzt nur 800 Fi. in Silber zurück u. s. w.

Die Bankactionäre, welche Geld an den Staat liehen, ohne Geld zu haben,
beziehen für ihre entwertheten Papiere die vollen Interessen. Die Bank war ban¬
kerott, denn sie konnte ihre Noten obwohl darauf gedruckt ist, daß der Ueber-
bringer Silber dafür bekömmt, nicht einlösen; dennoch lieh sie neuerdings dem
Staate uneinlösbare Noten, und ließ sich dafür Zinsen zahlen, als hätte sie baa-
res Geld geborgt.

Alle Reden auf der Tribune, die scharmantesten Journalartikel, alle Vorstel¬
lungen der Kaufmannswelt scheiterten — am Bedarf des Staates. Der Krieg in
Italien und Ungarn kostete Geld, und der Minister fand kein anderes Aushilfs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/305>, abgerufen am 05.02.2025.