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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Finanzen n i" d M o r d.



Die Zusammenstellung des Titels ist wohl sonderbar, und man wird leicht
auf den Gedanken gerathen, daß hierdurch die Aufmerksamkeit der Leser angelockt
werden soll. Wir wollen nicht widersprechen, nur bemerken wir hiezu, wie es in
der ehrlichen Literatur Brauch und Regel wurde, daß es nur eine Nachahmung
ist; das Original ist Eigenthum des k. k. östreichischen Finanzministers!

Die Klagelieder über die östreichischen Finanzen sind bereits zu einem dicken
Gesangbuch angeschwollen; fromm und gläubig erbaut sich die ganze politische
Welt daran, und Freund Brandenburg stimmte als Gegensatz im weißen Saale
ein finanzielles Loblied an, das die preußischen Vertreter "minuinm Fvniinm" mit
großem Beifall begleiteten. Die schwarzgelben Gutgesinnten werden sich diesen
Stich der schwarzweißen Gutgesinnten wohl notiren und bei guter Gelegenheit eine
Retourchaise miethen; ein Vorpostengefecht hat bereits begonnen, zwischen der
Berliner constitutionellen Zeitung und der Wiener "Presse." Jene don¬
nert: Oestreich ist zerfallen, zerrissen, ruinirt, von innerem und äußerem Kriege
durchwühlt, nnr noch von Rußland gehalten, seine berühmte Olmützer Constitu-
tion ein Fetzen Papier, seine Kammern nirgend zu finden, niemals zu berufen.
Krieg, Verwirrung, Finanznoth überall -- so steht es Preußen gegenüber.

Diese blitzt dagegen: "Aber Oestreichs Constitution wurde nie ?) so oft
verletzt, wie es in Preußen geschah; Oestreichs Vertreter werden berufen werden,
aber nicht wie in Preußen, wo in allen Theilen des Landes die Majorität der
Bevölkerung das ein zweites Mal vctroyirte Wahlgesetz nicht einmal als bindend
anerkennen wollte. Oestreichs Kammern werden vielleicht (der Schalk!) viel später
zusammentreten, aber ihre Abgeordneten werden ans Wahlen hervorgehen, die
nicht künstlich ans die Partei der Regierung beschränkt sind."

Man hat seine wahre Freude an diesem ministeriellen Zankduell und die Strei¬
tenden geriethen wohl nicht in Verlegenheit, wenn sie "1^ Oro gerufen wurden,
neue Stanzen vorzutragen. Das Wiener und Berliner Cabinet haben Stoss ge¬
nug, einander Vorwürfe zu machen. Ob das deutsche Volk sich dabei amustrt?
ob Deutschlands Einheit, ob Preußens Größe, ob Oestreichs Macht dabei ge¬
winnt? -- Das vermögen am wenigsten die Claqueurs, und leider auch die Ca-
binete nicht!

Doch zurück zu Mord und Finanzen in Oestreich.

Wir haben nicht die Absicht, eine ziffervolle Abhandlung zu schreiben; nur
das Jnteressanteste sei, ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu macheu, hervorgehoben.

Die Staatsschuld Oestreichs betrug im vorigen Jahre über 1000 Millionen


Finanzen n i» d M o r d.



Die Zusammenstellung des Titels ist wohl sonderbar, und man wird leicht
auf den Gedanken gerathen, daß hierdurch die Aufmerksamkeit der Leser angelockt
werden soll. Wir wollen nicht widersprechen, nur bemerken wir hiezu, wie es in
der ehrlichen Literatur Brauch und Regel wurde, daß es nur eine Nachahmung
ist; das Original ist Eigenthum des k. k. östreichischen Finanzministers!

Die Klagelieder über die östreichischen Finanzen sind bereits zu einem dicken
Gesangbuch angeschwollen; fromm und gläubig erbaut sich die ganze politische
Welt daran, und Freund Brandenburg stimmte als Gegensatz im weißen Saale
ein finanzielles Loblied an, das die preußischen Vertreter „minuinm Fvniinm" mit
großem Beifall begleiteten. Die schwarzgelben Gutgesinnten werden sich diesen
Stich der schwarzweißen Gutgesinnten wohl notiren und bei guter Gelegenheit eine
Retourchaise miethen; ein Vorpostengefecht hat bereits begonnen, zwischen der
Berliner constitutionellen Zeitung und der Wiener „Presse." Jene don¬
nert: Oestreich ist zerfallen, zerrissen, ruinirt, von innerem und äußerem Kriege
durchwühlt, nnr noch von Rußland gehalten, seine berühmte Olmützer Constitu-
tion ein Fetzen Papier, seine Kammern nirgend zu finden, niemals zu berufen.
Krieg, Verwirrung, Finanznoth überall — so steht es Preußen gegenüber.

Diese blitzt dagegen: „Aber Oestreichs Constitution wurde nie ?) so oft
verletzt, wie es in Preußen geschah; Oestreichs Vertreter werden berufen werden,
aber nicht wie in Preußen, wo in allen Theilen des Landes die Majorität der
Bevölkerung das ein zweites Mal vctroyirte Wahlgesetz nicht einmal als bindend
anerkennen wollte. Oestreichs Kammern werden vielleicht (der Schalk!) viel später
zusammentreten, aber ihre Abgeordneten werden ans Wahlen hervorgehen, die
nicht künstlich ans die Partei der Regierung beschränkt sind."

Man hat seine wahre Freude an diesem ministeriellen Zankduell und die Strei¬
tenden geriethen wohl nicht in Verlegenheit, wenn sie «1^ Oro gerufen wurden,
neue Stanzen vorzutragen. Das Wiener und Berliner Cabinet haben Stoss ge¬
nug, einander Vorwürfe zu machen. Ob das deutsche Volk sich dabei amustrt?
ob Deutschlands Einheit, ob Preußens Größe, ob Oestreichs Macht dabei ge¬
winnt? — Das vermögen am wenigsten die Claqueurs, und leider auch die Ca-
binete nicht!

Doch zurück zu Mord und Finanzen in Oestreich.

Wir haben nicht die Absicht, eine ziffervolle Abhandlung zu schreiben; nur
das Jnteressanteste sei, ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu macheu, hervorgehoben.

Die Staatsschuld Oestreichs betrug im vorigen Jahre über 1000 Millionen


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[0304] Finanzen n i» d M o r d. Die Zusammenstellung des Titels ist wohl sonderbar, und man wird leicht auf den Gedanken gerathen, daß hierdurch die Aufmerksamkeit der Leser angelockt werden soll. Wir wollen nicht widersprechen, nur bemerken wir hiezu, wie es in der ehrlichen Literatur Brauch und Regel wurde, daß es nur eine Nachahmung ist; das Original ist Eigenthum des k. k. östreichischen Finanzministers! Die Klagelieder über die östreichischen Finanzen sind bereits zu einem dicken Gesangbuch angeschwollen; fromm und gläubig erbaut sich die ganze politische Welt daran, und Freund Brandenburg stimmte als Gegensatz im weißen Saale ein finanzielles Loblied an, das die preußischen Vertreter „minuinm Fvniinm" mit großem Beifall begleiteten. Die schwarzgelben Gutgesinnten werden sich diesen Stich der schwarzweißen Gutgesinnten wohl notiren und bei guter Gelegenheit eine Retourchaise miethen; ein Vorpostengefecht hat bereits begonnen, zwischen der Berliner constitutionellen Zeitung und der Wiener „Presse." Jene don¬ nert: Oestreich ist zerfallen, zerrissen, ruinirt, von innerem und äußerem Kriege durchwühlt, nnr noch von Rußland gehalten, seine berühmte Olmützer Constitu- tion ein Fetzen Papier, seine Kammern nirgend zu finden, niemals zu berufen. Krieg, Verwirrung, Finanznoth überall — so steht es Preußen gegenüber. Diese blitzt dagegen: „Aber Oestreichs Constitution wurde nie ?) so oft verletzt, wie es in Preußen geschah; Oestreichs Vertreter werden berufen werden, aber nicht wie in Preußen, wo in allen Theilen des Landes die Majorität der Bevölkerung das ein zweites Mal vctroyirte Wahlgesetz nicht einmal als bindend anerkennen wollte. Oestreichs Kammern werden vielleicht (der Schalk!) viel später zusammentreten, aber ihre Abgeordneten werden ans Wahlen hervorgehen, die nicht künstlich ans die Partei der Regierung beschränkt sind." Man hat seine wahre Freude an diesem ministeriellen Zankduell und die Strei¬ tenden geriethen wohl nicht in Verlegenheit, wenn sie «1^ Oro gerufen wurden, neue Stanzen vorzutragen. Das Wiener und Berliner Cabinet haben Stoss ge¬ nug, einander Vorwürfe zu machen. Ob das deutsche Volk sich dabei amustrt? ob Deutschlands Einheit, ob Preußens Größe, ob Oestreichs Macht dabei ge¬ winnt? — Das vermögen am wenigsten die Claqueurs, und leider auch die Ca- binete nicht! Doch zurück zu Mord und Finanzen in Oestreich. Wir haben nicht die Absicht, eine ziffervolle Abhandlung zu schreiben; nur das Jnteressanteste sei, ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu macheu, hervorgehoben. Die Staatsschuld Oestreichs betrug im vorigen Jahre über 1000 Millionen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/304>, abgerufen am 05.02.2025.