Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.zu behalten oder an Andere zu verschenken. Die wohlhabenden Leute, beson¬ *) Moskow, "Moskovitc" ist einer der ärgsten von den zahlreichen Schimpfnamen, mit welchen die Bosnier ihre Rede schmücken. 37*
zu behalten oder an Andere zu verschenken. Die wohlhabenden Leute, beson¬ *) Moskow, „Moskovitc" ist einer der ärgsten von den zahlreichen Schimpfnamen, mit welchen die Bosnier ihre Rede schmücken. 37*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279317"/> <p xml:id="ID_944" prev="#ID_943" next="#ID_945"> zu behalten oder an Andere zu verschenken. Die wohlhabenden Leute, beson¬<lb/> ders die christlichen Kaufleute, bringen öfter im Jahre dem Pascha oder Vezir<lb/> ansehnliche Geschenke, um sich seiner Gunst zu versichern. Will der Pascha Je¬<lb/> manden in seinem Paschalik ausrauben, so macht er steh's leicht und bewahrt dabei<lb/> einen anständigen Schein; er entbietet das erkorne Opfer seiner Habsucht zu sich<lb/> und verlangt von ihm ein Darlehn von so und so vielen Beutels je einen Beutel<lb/> zu 500 Piastern. Will oder kaun der Gerufene nicht so viel geben, so wird ihm<lb/> in Kürze der Prozeß gemacht; der Pascha läßt ihn als einen Ungehorsamen und<lb/> Widerspenstigen einsperren oder hinrichten und konfizirt ihm sein ganzes Hab und<lb/> Gut. Wer ihm aber willig das Verlangte vorschießt, erhält mündlich eine Frist<lb/> ausgesetzt, in welcher der Pascha das Darlehn zurückzuzahlen verspricht. Naht<lb/> jedoch diese Frist ihrem Eude, so läßt der Pascha gewöhnlich seinen Gläubiger<lb/> durch seine Häscher gefesselt auf die Burg bringen und empfängt ihn zornig und<lb/> wild mit dem Vorwurf: Wie konntest du Schuft dies oder jenes thun? — er<lb/> nennt hier ein willkürlich erdachtes Verbrechen, z. B. daß der Gefangene Waaren<lb/> nach der Stadt geführt, ohne Zoll zu erkünstelt, oder daß er über die Türken<lb/> geschimpft, oder daß er sich gebrüstet, der Pascha sei ihm so und so viele Beutel<lb/> schuldig. Unterfängt sich der Aermste zu widersprechen und seine Unschuld zu be¬<lb/> theuern, so ergrimmt der Pascha und schreit ihn an: „Willst Dn mich Lügen<lb/> strafen, Cbristeuhund? fort mit Dir! Packt ihn, ihr Bursche! Meßt ihm hun¬<lb/> dert Streiche über die Fußsohlen." — Der Kaufmann fällt auf die Knie nud<lb/> bittet: „Ach, wolle das nicht befehlen, ehrenwerther Pascha, thu' das nicht, bei<lb/> dem Leben Deiner und meiner Kinder, thue das nicht, ich bitte Dich, verzeih!<lb/> Ich weiß, daß ich mich gegen Dich vergangen, aber ich will zur Buße zahlen,<lb/> wie viel Dn befiehlst, nur vergib mir, ich flehe Dich, schone mein!" —<lb/> Die Scherge» aber fassen den Knienden und schleppen ihn fort nach dem Hofraum,<lb/> wo die Vorbereitungen zur Bastvnuade getroffen werden. Nun erst stellt sich der<lb/> Pascha von dem Flehen des Kaufmanns gerührt, und ruft hinab: „Es ist gut,<lb/> ihr Bursche, laßt ihn, ich verzeihe ihm, weil es das erste Mal geschah, aber<lb/> Strafe muß er mir zahlen, daß er sich's merkt für ein anderes Mal. Jetzt bin¬<lb/> det ihn los und führt ihn herauf zu mir." Und zum Kaufmann gewendet fährt<lb/> er fort: „Jetzt wirst du mir, Hund vou einem Mvskoviten") für dein Vergehen<lb/> so und so viel Beutel zahlen. Daß dn mich jetzt wieder beleidigt hast, will ich<lb/> dir verzeihen, aber künftig hin nimm dich in Acht! Du hast mir so viel Beutel<lb/> geliehen, so und so viel beträgt deine Strafe, du mußt mir also noch so und so<lb/> viele Beutel bringen." — Die christlichen Kaufleute besonders kennen leider<lb/> dieses Verfahren nur zu genau und wissen, daß sie für Borgen Stockprügel be-</p><lb/> <note xml:id="FID_31" place="foot"> *) Moskow, „Moskovitc" ist einer der ärgsten von den zahlreichen Schimpfnamen, mit<lb/> welchen die Bosnier ihre Rede schmücken.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 37*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0291]
zu behalten oder an Andere zu verschenken. Die wohlhabenden Leute, beson¬
ders die christlichen Kaufleute, bringen öfter im Jahre dem Pascha oder Vezir
ansehnliche Geschenke, um sich seiner Gunst zu versichern. Will der Pascha Je¬
manden in seinem Paschalik ausrauben, so macht er steh's leicht und bewahrt dabei
einen anständigen Schein; er entbietet das erkorne Opfer seiner Habsucht zu sich
und verlangt von ihm ein Darlehn von so und so vielen Beutels je einen Beutel
zu 500 Piastern. Will oder kaun der Gerufene nicht so viel geben, so wird ihm
in Kürze der Prozeß gemacht; der Pascha läßt ihn als einen Ungehorsamen und
Widerspenstigen einsperren oder hinrichten und konfizirt ihm sein ganzes Hab und
Gut. Wer ihm aber willig das Verlangte vorschießt, erhält mündlich eine Frist
ausgesetzt, in welcher der Pascha das Darlehn zurückzuzahlen verspricht. Naht
jedoch diese Frist ihrem Eude, so läßt der Pascha gewöhnlich seinen Gläubiger
durch seine Häscher gefesselt auf die Burg bringen und empfängt ihn zornig und
wild mit dem Vorwurf: Wie konntest du Schuft dies oder jenes thun? — er
nennt hier ein willkürlich erdachtes Verbrechen, z. B. daß der Gefangene Waaren
nach der Stadt geführt, ohne Zoll zu erkünstelt, oder daß er über die Türken
geschimpft, oder daß er sich gebrüstet, der Pascha sei ihm so und so viele Beutel
schuldig. Unterfängt sich der Aermste zu widersprechen und seine Unschuld zu be¬
theuern, so ergrimmt der Pascha und schreit ihn an: „Willst Dn mich Lügen
strafen, Cbristeuhund? fort mit Dir! Packt ihn, ihr Bursche! Meßt ihm hun¬
dert Streiche über die Fußsohlen." — Der Kaufmann fällt auf die Knie nud
bittet: „Ach, wolle das nicht befehlen, ehrenwerther Pascha, thu' das nicht, bei
dem Leben Deiner und meiner Kinder, thue das nicht, ich bitte Dich, verzeih!
Ich weiß, daß ich mich gegen Dich vergangen, aber ich will zur Buße zahlen,
wie viel Dn befiehlst, nur vergib mir, ich flehe Dich, schone mein!" —
Die Scherge» aber fassen den Knienden und schleppen ihn fort nach dem Hofraum,
wo die Vorbereitungen zur Bastvnuade getroffen werden. Nun erst stellt sich der
Pascha von dem Flehen des Kaufmanns gerührt, und ruft hinab: „Es ist gut,
ihr Bursche, laßt ihn, ich verzeihe ihm, weil es das erste Mal geschah, aber
Strafe muß er mir zahlen, daß er sich's merkt für ein anderes Mal. Jetzt bin¬
det ihn los und führt ihn herauf zu mir." Und zum Kaufmann gewendet fährt
er fort: „Jetzt wirst du mir, Hund vou einem Mvskoviten") für dein Vergehen
so und so viel Beutel zahlen. Daß dn mich jetzt wieder beleidigt hast, will ich
dir verzeihen, aber künftig hin nimm dich in Acht! Du hast mir so viel Beutel
geliehen, so und so viel beträgt deine Strafe, du mußt mir also noch so und so
viele Beutel bringen." — Die christlichen Kaufleute besonders kennen leider
dieses Verfahren nur zu genau und wissen, daß sie für Borgen Stockprügel be-
*) Moskow, „Moskovitc" ist einer der ärgsten von den zahlreichen Schimpfnamen, mit
welchen die Bosnier ihre Rede schmücken.
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