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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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es Krautstrünke?" -- Da erheben sich die Meisten und schreien: "El seht doch, bei
unserem Glauben, war uicht Kraljewic^ Marko ein Held? und was war erst Vuk
Jaicanin? und Milvs Odilia? MiloS war doch der allerstärkste, welcher einen
Schwur gethan, daß er seinen Fuß auf den Nacken des Czaren setzen und ihn
mit Speck füttern wolle! El gewiß war das ein Held! Er nahm sein Pferd
und ritt über die Ebene von Kossovo, alle Kämpfer zurückdrängend, daß sie ihm
Platz machen mußten. Er ritt bis in des Czaren Zelt und tödtete den Czar mit
seinem Messer. In der Eile hat er, bei meinen Glauben, vergessen, daß er geschwo¬
ren hatte, den Czar mit Speck zu füttern. Er sprengte fort und bahnte sich allein
mit seinem Schwert den Weg durch die Söldner des Czar; er erschlug so, hört eS,
meine Lieben, achtzig lau send Manu! Erst, als er am Ende des Kossovo-
fcldes angelangt war, fiel es ihm ein, daß er geschworen, den Kaiser mit Speck
zu füttern. Sogleich kehrt er um, reitet nach dem Zelt des Czaren, tritt der Leiche
des Czaren auf den Nacken und steckt ihr ein Stück Speck in den Mund. Ein
altes Christenweib, welches eine Zauberin war, verrieth einigen Türken, welche
sich durch die Flucht gerettet hatten, wie sie sich des Milos gefahrlos bemächtigen
könnten. Sie thaten, wie ihnen die Zauberin gerathen; während Milos im Zelte
war, gingen sie hin und steckten ihre Spieße mit gesenkten Spitzen rings um des
Czaren Zelt in die Erde fest. Als uun Milvs, seinen Schwur vollbracht hatte und
aus dem Zelte ritt, spießte sich sein Noß an den Speeren, und Milos stürzte herab.
Die Türken sprangen herbei und banden ihm die Hände aus den Rücken. Milvs
war erstaunt, woher diese Klugheit der Türken gekommen. Diese sagten ihm
ehrlich, daß dies nicht ihr eigener Gedanke gewesen, sondern daß es ihnen die
Zauberin gerathen. Milos bat sie nur, sie möchten die Zauberin vor ihn bringen,
ehe sie ihm das Haupt abschlüge", er mochte sie gar zu gerne sehen. Die Türken
führten die Zauberin herbei. Milos trat vor sie, die Hände auf den Rücken ge¬
bunden, als wolle er mit ihr sprechen, doch plötzlich dreht er sich um, packt mit
zwei Fingern der gefesselten Rechten die Hexe bei der Nase und schleudert sie mit
mächtigem Schwung bis über die weite Ebene von Kossovo, daß sie mit zerschmet¬
terten Gliedern zur Erde fiel und todt blieb, obgleich sie eine Zauberin war.
Unsere Leute aber, da sie dies sahen, schlugen dem Milvs Odilia das Haupt ab,
weil sie fürchteten, er könne ihnen ein Gleiches") thun. --

"Der Pascha hat das Recht -- oder naße es sich wenigstens an -- Jeder¬
mann das Vermögen zu konfisziren und dasselbe nach Belieben entweder selbst



*) Milos Odilia, der Schwiegersohn des serbischen Regenten Lazar, erreichte am 15. Juni
1389 während der Schlacht im Felde von Kossovo das Zelt des türkischen Kaisers Amurath
und tödtete denselben mit seinem Handzar. -- Er ist der Gott ihrer Phantasie und doch er¬
zählen sie -- es sind muhamedanische Bosniaken -- "unsere Leute," die Türken haben ihn ge-
tödtet. -- Charakteristisch ist es, daß sie die Geschichte als Muster einer unparteiischen und
wahrhaften Geschichtsbeschreibung hererzählen.

es Krautstrünke?" — Da erheben sich die Meisten und schreien: „El seht doch, bei
unserem Glauben, war uicht Kraljewic^ Marko ein Held? und was war erst Vuk
Jaicanin? und Milvs Odilia? MiloS war doch der allerstärkste, welcher einen
Schwur gethan, daß er seinen Fuß auf den Nacken des Czaren setzen und ihn
mit Speck füttern wolle! El gewiß war das ein Held! Er nahm sein Pferd
und ritt über die Ebene von Kossovo, alle Kämpfer zurückdrängend, daß sie ihm
Platz machen mußten. Er ritt bis in des Czaren Zelt und tödtete den Czar mit
seinem Messer. In der Eile hat er, bei meinen Glauben, vergessen, daß er geschwo¬
ren hatte, den Czar mit Speck zu füttern. Er sprengte fort und bahnte sich allein
mit seinem Schwert den Weg durch die Söldner des Czar; er erschlug so, hört eS,
meine Lieben, achtzig lau send Manu! Erst, als er am Ende des Kossovo-
fcldes angelangt war, fiel es ihm ein, daß er geschworen, den Kaiser mit Speck
zu füttern. Sogleich kehrt er um, reitet nach dem Zelt des Czaren, tritt der Leiche
des Czaren auf den Nacken und steckt ihr ein Stück Speck in den Mund. Ein
altes Christenweib, welches eine Zauberin war, verrieth einigen Türken, welche
sich durch die Flucht gerettet hatten, wie sie sich des Milos gefahrlos bemächtigen
könnten. Sie thaten, wie ihnen die Zauberin gerathen; während Milos im Zelte
war, gingen sie hin und steckten ihre Spieße mit gesenkten Spitzen rings um des
Czaren Zelt in die Erde fest. Als uun Milvs, seinen Schwur vollbracht hatte und
aus dem Zelte ritt, spießte sich sein Noß an den Speeren, und Milos stürzte herab.
Die Türken sprangen herbei und banden ihm die Hände aus den Rücken. Milvs
war erstaunt, woher diese Klugheit der Türken gekommen. Diese sagten ihm
ehrlich, daß dies nicht ihr eigener Gedanke gewesen, sondern daß es ihnen die
Zauberin gerathen. Milos bat sie nur, sie möchten die Zauberin vor ihn bringen,
ehe sie ihm das Haupt abschlüge», er mochte sie gar zu gerne sehen. Die Türken
führten die Zauberin herbei. Milos trat vor sie, die Hände auf den Rücken ge¬
bunden, als wolle er mit ihr sprechen, doch plötzlich dreht er sich um, packt mit
zwei Fingern der gefesselten Rechten die Hexe bei der Nase und schleudert sie mit
mächtigem Schwung bis über die weite Ebene von Kossovo, daß sie mit zerschmet¬
terten Gliedern zur Erde fiel und todt blieb, obgleich sie eine Zauberin war.
Unsere Leute aber, da sie dies sahen, schlugen dem Milvs Odilia das Haupt ab,
weil sie fürchteten, er könne ihnen ein Gleiches") thun. —

„Der Pascha hat das Recht — oder naße es sich wenigstens an — Jeder¬
mann das Vermögen zu konfisziren und dasselbe nach Belieben entweder selbst



*) Milos Odilia, der Schwiegersohn des serbischen Regenten Lazar, erreichte am 15. Juni
1389 während der Schlacht im Felde von Kossovo das Zelt des türkischen Kaisers Amurath
und tödtete denselben mit seinem Handzar. — Er ist der Gott ihrer Phantasie und doch er¬
zählen sie — es sind muhamedanische Bosniaken — „unsere Leute," die Türken haben ihn ge-
tödtet. — Charakteristisch ist es, daß sie die Geschichte als Muster einer unparteiischen und
wahrhaften Geschichtsbeschreibung hererzählen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/290>, abgerufen am 05.02.2025.