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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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KorKmaKo zu bedeuten habe und ward belehrt, es heiße soviel wie: "Sei ruhig,
fürchte dich nicht!" -- "Du wunderst dich wohl darüber," fuhr der Befragte
fort -- "daß bei uns die todten Leiber so oft zucken und brummen? Ich weiß
wohl, daß dies bei Christen niemals vorkömmt; ein Christ kann sich im Grabe
nicht mehr rühren, weil ihn gleich der Teufel in die Hölle fortschleppt. Wenn
aber ein ehrbarer Muselmann stirbt und zu Grabe gebracht wird, so kömmt
der Prophet und spricht mit ihm und nimmt ihn mit sich in's Paradies. --

"Prag nennen die Bosnier das goldene, es ist der letzte Punkt in ihrem geogriphi-
schen Wissen. In der ganzen Welt gibt eS nach ihrer Meinung nnr einen Kaiser
welcher zu Stambul sitzt. Die übrige Welt wird von sieben christlichen Königen be¬
herrscht. Nur die christlichen Einwohner in Bosnien wissen, daß es außer ihrem
Czar "och zwei Czare gibt, den der Moskowiter und den der Schwaben. Unter
dem Namen "Schwabe" verstehen sie nicht den Deutschen allein, sondern- alle Na¬
tionen jenseits der save, selbst Stamm- und Sprachverwandte, nur die Serben
der Türkei nicht, welche sie näher kennen. Sie erzählen, daß in den Ländern der sieben
christlichen Könige auf allen Hügeln und Bergen große Stangen sind und Pech-
Pfannen daran, und bei jeder Stange eine Karaule (ein Wachthaus). Ans der
einen Seite der Grenze stehen noch türkische Wachen, ans der andern Seite aber
lauter Schwaben. "Dort an der Grenze" -- sagen sie, -- "darf kein Türke
einen Schwaben anrühren, allein der Schwabe erlaubt sich des' Türken Weib und
Schwester zu schmähen. Wiedersetzt sich unser Einer mit einem Worte, so schießt
der Schwabe von der andern Seite seine Flinte los. Laufen nun Einige von uns
Türken hinüber und schlagen auch nur einen einzigen Schwaben todt, so zündet
der nächste Wachtposten seinen Pechkorb an, und sobald die Lohe davon anfflak-
kert, gehen auch alle übrigen Wachtposten hin und entzünden ihre Pechkörbe. Und
in Verlauf einer Stunde wissen alle sieben christlichen Könige, daß Krieg wird
Mit den Türken. Und wenn man sich dann nicht Mühe gäbe, die Sache in Güte
beizulegen, würde die Türkei von allen Seiten angegriffen. --

"Ost hörte ich, wie sich die Bosnier unter einander erzählten, daß die Chri¬
sten Bücher von der ganzen Welt besitzen, worin Alles geschrieben steht, was sich
von Anbeginn zugetragen. Besonders der Schwabe habe Alles wohl ausgeschrieben,
wie oft er Krieg mit den Türken geführt, wer Sieger geblieben, wie viele Men¬
schen umgekommen. Und dies Alles, sagen sie, schreibt der Schwabe genan und
gewissenhaft ans, wie es war; ist der Türke stärker gewesen, so schreibt er den
Türken als Sieger ans, ist es der Schwabe gewesen, so den Schwaben; dies
gilt ihm alles gleich. "Wozu dies?" fragen die Andern der Erzähler. -- "El,
er will, daß man es wisse" -- lautet die Antwort, "glaubst du denn, daß es
bei ihnen so ist, wie bei uns, wenn wir die Gnsle nehmen und singen, wie wir
die Christe" geschlagen und ihre Köpfe haufenweise heruntergcsäbelt haben, als waren


Grenzboten. "l. I84S. Z7

KorKmaKo zu bedeuten habe und ward belehrt, es heiße soviel wie: „Sei ruhig,
fürchte dich nicht!" — „Du wunderst dich wohl darüber," fuhr der Befragte
fort — „daß bei uns die todten Leiber so oft zucken und brummen? Ich weiß
wohl, daß dies bei Christen niemals vorkömmt; ein Christ kann sich im Grabe
nicht mehr rühren, weil ihn gleich der Teufel in die Hölle fortschleppt. Wenn
aber ein ehrbarer Muselmann stirbt und zu Grabe gebracht wird, so kömmt
der Prophet und spricht mit ihm und nimmt ihn mit sich in's Paradies. —

„Prag nennen die Bosnier das goldene, es ist der letzte Punkt in ihrem geogriphi-
schen Wissen. In der ganzen Welt gibt eS nach ihrer Meinung nnr einen Kaiser
welcher zu Stambul sitzt. Die übrige Welt wird von sieben christlichen Königen be¬
herrscht. Nur die christlichen Einwohner in Bosnien wissen, daß es außer ihrem
Czar «och zwei Czare gibt, den der Moskowiter und den der Schwaben. Unter
dem Namen „Schwabe" verstehen sie nicht den Deutschen allein, sondern- alle Na¬
tionen jenseits der save, selbst Stamm- und Sprachverwandte, nur die Serben
der Türkei nicht, welche sie näher kennen. Sie erzählen, daß in den Ländern der sieben
christlichen Könige auf allen Hügeln und Bergen große Stangen sind und Pech-
Pfannen daran, und bei jeder Stange eine Karaule (ein Wachthaus). Ans der
einen Seite der Grenze stehen noch türkische Wachen, ans der andern Seite aber
lauter Schwaben. „Dort an der Grenze" — sagen sie, — „darf kein Türke
einen Schwaben anrühren, allein der Schwabe erlaubt sich des' Türken Weib und
Schwester zu schmähen. Wiedersetzt sich unser Einer mit einem Worte, so schießt
der Schwabe von der andern Seite seine Flinte los. Laufen nun Einige von uns
Türken hinüber und schlagen auch nur einen einzigen Schwaben todt, so zündet
der nächste Wachtposten seinen Pechkorb an, und sobald die Lohe davon anfflak-
kert, gehen auch alle übrigen Wachtposten hin und entzünden ihre Pechkörbe. Und
in Verlauf einer Stunde wissen alle sieben christlichen Könige, daß Krieg wird
Mit den Türken. Und wenn man sich dann nicht Mühe gäbe, die Sache in Güte
beizulegen, würde die Türkei von allen Seiten angegriffen. —

„Ost hörte ich, wie sich die Bosnier unter einander erzählten, daß die Chri¬
sten Bücher von der ganzen Welt besitzen, worin Alles geschrieben steht, was sich
von Anbeginn zugetragen. Besonders der Schwabe habe Alles wohl ausgeschrieben,
wie oft er Krieg mit den Türken geführt, wer Sieger geblieben, wie viele Men¬
schen umgekommen. Und dies Alles, sagen sie, schreibt der Schwabe genan und
gewissenhaft ans, wie es war; ist der Türke stärker gewesen, so schreibt er den
Türken als Sieger ans, ist es der Schwabe gewesen, so den Schwaben; dies
gilt ihm alles gleich. „Wozu dies?" fragen die Andern der Erzähler. — „El,
er will, daß man es wisse" — lautet die Antwort, „glaubst du denn, daß es
bei ihnen so ist, wie bei uns, wenn wir die Gnsle nehmen und singen, wie wir
die Christe» geschlagen und ihre Köpfe haufenweise heruntergcsäbelt haben, als waren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/289>, abgerufen am 05.02.2025.