Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich gab ihm zur Antwort: ich bin aus Schwaben, meinem Zeichen nach ein Hand¬
werker und möchte gern in Eurem berühmten Land ein Plätzchen finden, wo ich
mich mit meinem Gewerk' niederlassen könnte. Der Pascha drauf: Ich dachte
schon lange daran, Handwerksmeister aus fremden Landen nach Sarajevo zu laden,
ich wollte ihnen Handwerkszeug geben zum Arbeiten. Ich werde es anch thun,
und dn sollst hier bleiben, bis ich das Zeug bekomme und mehr Handwerksmeister.
Du bleibst indeß hier auf dem Hofe. -- "Was soll ich hier ans deinem Hofe
thu", ehrenwerther Pascha?" -- Nanchst du? -- Ich antwortete: ich rauche. -- El,
wenn du rauchst, so setze dich her, wo die Andern sitzen und rauche, wie die An¬
dern rauchen. -- So blieb ich in des Pascha Dienst und erhielt von dem Tage an
Brot und Kost. --

"Liegt ein Bosnier muhamedanischen Glaubens in den letzten Zügen, so wird
ziemlich unter den Augen des Verscheidenden ein kupferner Kessel zur Tvdteuwäsche
gewärmt und ein langer hölzerner Waschzuber bereit gehalten. Beginnt der
Sterbende zu röcheln, so eilen und schreien die Angehörigen durcheinander: "Laufe
nach dem Kessel, das Wasser muß heiß sein! schnell deu Waschzuber herbei, damit
uns die Leiche nicht auskühle!" Kaum ist der letzte Athemzug gethan, so wird die
Leiche schnell in den Zuber gelegt und tüchtig mit heißem Wasser abgewaschen.
Das muß geschehen, bevor die letzte Lebenswärme völlig aus dem Körper ge¬
wichen ist, denn ist der Leib verkühle, ohne vorher abgewaschen zu sein, so zürnt
der große Prophet dem Verstorbenen und holt ihn nicht in das Paradies, in wel¬
ches tun Unreiner eingehen darf. Gleich nach der Waschung werden dem Leich¬
nam Ohren, Nasenlöcher, Mund u. s. w. sorgfältig mit Baumwolle verstopft.
Während dieser Operation haben einige Hausleute in aller Eile im Garten oder
im Hofraum oder an einem hübschen Plätzchen an der Heerstraße ein ziemlich
seichtes Grab gegraben, andere den Priester (Hodza) und die Verwandten und
Freunde des Hauses herbeigeholt. Sobald diese beisammen sind, wird die Leiche
in ein großes Liunenlacken eingewickelt und auf die Bahre gelegt. Jeder An¬
wesende hilft den Verstorbenen einige Schritte weit tragen und so wandert dieser
sehr schnell von Schulter zu Schulter dem nahen Grabe zu. Hier wird er von der
Bahre herabgenommen und in's Grab auf die bloße Erde gelegt, mit ewigen dünnen
Brettern bedeckt, und diese mit Erde zugeschaufelt. Bei einem so schnellen und
überstürzten Verfahren wird freilich nur zu oft ein Scheintodter begraben. Mir
wurde erzählt, daß der Verstorbene, wenn man ihn in's Grab senkt, nicht selten
zu mele", zu brummen und "Hin! Hin!" zu schreien anfange; da pflegt sich die
ganze Leichenbegleitung zu verlaufen, nur der Hodza muß bleiben, den unruhigen
Todten mit dem Zurufe "Ku-Ka-! KorKm-lFo!" trösten, und das Grab unter
Segenssprüchen znschaufelu. Will dann der Hodza nach Hause, so muß er rück¬
wärts gehen, das Gesicht immer dem geschlossenen Grabe zugewendet und dabei
immer noch "KorKm-r KorKmaF"!" rufen. Ich fragte, was dies KorKum


Ich gab ihm zur Antwort: ich bin aus Schwaben, meinem Zeichen nach ein Hand¬
werker und möchte gern in Eurem berühmten Land ein Plätzchen finden, wo ich
mich mit meinem Gewerk' niederlassen könnte. Der Pascha drauf: Ich dachte
schon lange daran, Handwerksmeister aus fremden Landen nach Sarajevo zu laden,
ich wollte ihnen Handwerkszeug geben zum Arbeiten. Ich werde es anch thun,
und dn sollst hier bleiben, bis ich das Zeug bekomme und mehr Handwerksmeister.
Du bleibst indeß hier auf dem Hofe. — „Was soll ich hier ans deinem Hofe
thu», ehrenwerther Pascha?" — Nanchst du? — Ich antwortete: ich rauche. — El,
wenn du rauchst, so setze dich her, wo die Andern sitzen und rauche, wie die An¬
dern rauchen. — So blieb ich in des Pascha Dienst und erhielt von dem Tage an
Brot und Kost. —

„Liegt ein Bosnier muhamedanischen Glaubens in den letzten Zügen, so wird
ziemlich unter den Augen des Verscheidenden ein kupferner Kessel zur Tvdteuwäsche
gewärmt und ein langer hölzerner Waschzuber bereit gehalten. Beginnt der
Sterbende zu röcheln, so eilen und schreien die Angehörigen durcheinander: „Laufe
nach dem Kessel, das Wasser muß heiß sein! schnell deu Waschzuber herbei, damit
uns die Leiche nicht auskühle!" Kaum ist der letzte Athemzug gethan, so wird die
Leiche schnell in den Zuber gelegt und tüchtig mit heißem Wasser abgewaschen.
Das muß geschehen, bevor die letzte Lebenswärme völlig aus dem Körper ge¬
wichen ist, denn ist der Leib verkühle, ohne vorher abgewaschen zu sein, so zürnt
der große Prophet dem Verstorbenen und holt ihn nicht in das Paradies, in wel¬
ches tun Unreiner eingehen darf. Gleich nach der Waschung werden dem Leich¬
nam Ohren, Nasenlöcher, Mund u. s. w. sorgfältig mit Baumwolle verstopft.
Während dieser Operation haben einige Hausleute in aller Eile im Garten oder
im Hofraum oder an einem hübschen Plätzchen an der Heerstraße ein ziemlich
seichtes Grab gegraben, andere den Priester (Hodza) und die Verwandten und
Freunde des Hauses herbeigeholt. Sobald diese beisammen sind, wird die Leiche
in ein großes Liunenlacken eingewickelt und auf die Bahre gelegt. Jeder An¬
wesende hilft den Verstorbenen einige Schritte weit tragen und so wandert dieser
sehr schnell von Schulter zu Schulter dem nahen Grabe zu. Hier wird er von der
Bahre herabgenommen und in's Grab auf die bloße Erde gelegt, mit ewigen dünnen
Brettern bedeckt, und diese mit Erde zugeschaufelt. Bei einem so schnellen und
überstürzten Verfahren wird freilich nur zu oft ein Scheintodter begraben. Mir
wurde erzählt, daß der Verstorbene, wenn man ihn in's Grab senkt, nicht selten
zu mele», zu brummen und „Hin! Hin!" zu schreien anfange; da pflegt sich die
ganze Leichenbegleitung zu verlaufen, nur der Hodza muß bleiben, den unruhigen
Todten mit dem Zurufe „Ku-Ka-! KorKm-lFo!" trösten, und das Grab unter
Segenssprüchen znschaufelu. Will dann der Hodza nach Hause, so muß er rück¬
wärts gehen, das Gesicht immer dem geschlossenen Grabe zugewendet und dabei
immer noch „KorKm-r KorKmaF»!" rufen. Ich fragte, was dies KorKum


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279314"/>
          <p xml:id="ID_937" prev="#ID_936"> Ich gab ihm zur Antwort: ich bin aus Schwaben, meinem Zeichen nach ein Hand¬<lb/>
werker und möchte gern in Eurem berühmten Land ein Plätzchen finden, wo ich<lb/>
mich mit meinem Gewerk' niederlassen könnte. Der Pascha drauf: Ich dachte<lb/>
schon lange daran, Handwerksmeister aus fremden Landen nach Sarajevo zu laden,<lb/>
ich wollte ihnen Handwerkszeug geben zum Arbeiten. Ich werde es anch thun,<lb/>
und dn sollst hier bleiben, bis ich das Zeug bekomme und mehr Handwerksmeister.<lb/>
Du bleibst indeß hier auf dem Hofe. &#x2014; &#x201E;Was soll ich hier ans deinem Hofe<lb/>
thu», ehrenwerther Pascha?" &#x2014; Nanchst du? &#x2014; Ich antwortete: ich rauche. &#x2014; El,<lb/>
wenn du rauchst, so setze dich her, wo die Andern sitzen und rauche, wie die An¬<lb/>
dern rauchen. &#x2014; So blieb ich in des Pascha Dienst und erhielt von dem Tage an<lb/>
Brot und Kost. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_938" next="#ID_939"> &#x201E;Liegt ein Bosnier muhamedanischen Glaubens in den letzten Zügen, so wird<lb/>
ziemlich unter den Augen des Verscheidenden ein kupferner Kessel zur Tvdteuwäsche<lb/>
gewärmt und ein langer hölzerner Waschzuber bereit gehalten. Beginnt der<lb/>
Sterbende zu röcheln, so eilen und schreien die Angehörigen durcheinander: &#x201E;Laufe<lb/>
nach dem Kessel, das Wasser muß heiß sein! schnell deu Waschzuber herbei, damit<lb/>
uns die Leiche nicht auskühle!" Kaum ist der letzte Athemzug gethan, so wird die<lb/>
Leiche schnell in den Zuber gelegt und tüchtig mit heißem Wasser abgewaschen.<lb/>
Das muß geschehen, bevor die letzte Lebenswärme völlig aus dem Körper ge¬<lb/>
wichen ist, denn ist der Leib verkühle, ohne vorher abgewaschen zu sein, so zürnt<lb/>
der große Prophet dem Verstorbenen und holt ihn nicht in das Paradies, in wel¬<lb/>
ches tun Unreiner eingehen darf. Gleich nach der Waschung werden dem Leich¬<lb/>
nam Ohren, Nasenlöcher, Mund u. s. w. sorgfältig mit Baumwolle verstopft.<lb/>
Während dieser Operation haben einige Hausleute in aller Eile im Garten oder<lb/>
im Hofraum oder an einem hübschen Plätzchen an der Heerstraße ein ziemlich<lb/>
seichtes Grab gegraben, andere den Priester (Hodza) und die Verwandten und<lb/>
Freunde des Hauses herbeigeholt. Sobald diese beisammen sind, wird die Leiche<lb/>
in ein großes Liunenlacken eingewickelt und auf die Bahre gelegt. Jeder An¬<lb/>
wesende hilft den Verstorbenen einige Schritte weit tragen und so wandert dieser<lb/>
sehr schnell von Schulter zu Schulter dem nahen Grabe zu. Hier wird er von der<lb/>
Bahre herabgenommen und in's Grab auf die bloße Erde gelegt, mit ewigen dünnen<lb/>
Brettern bedeckt, und diese mit Erde zugeschaufelt. Bei einem so schnellen und<lb/>
überstürzten Verfahren wird freilich nur zu oft ein Scheintodter begraben. Mir<lb/>
wurde erzählt, daß der Verstorbene, wenn man ihn in's Grab senkt, nicht selten<lb/>
zu mele», zu brummen und &#x201E;Hin! Hin!" zu schreien anfange; da pflegt sich die<lb/>
ganze Leichenbegleitung zu verlaufen, nur der Hodza muß bleiben, den unruhigen<lb/>
Todten mit dem Zurufe &#x201E;Ku-Ka-! KorKm-lFo!" trösten, und das Grab unter<lb/>
Segenssprüchen znschaufelu. Will dann der Hodza nach Hause, so muß er rück¬<lb/>
wärts gehen, das Gesicht immer dem geschlossenen Grabe zugewendet und dabei<lb/>
immer noch &#x201E;KorKm-r KorKmaF»!" rufen.  Ich fragte, was dies KorKum</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0288] Ich gab ihm zur Antwort: ich bin aus Schwaben, meinem Zeichen nach ein Hand¬ werker und möchte gern in Eurem berühmten Land ein Plätzchen finden, wo ich mich mit meinem Gewerk' niederlassen könnte. Der Pascha drauf: Ich dachte schon lange daran, Handwerksmeister aus fremden Landen nach Sarajevo zu laden, ich wollte ihnen Handwerkszeug geben zum Arbeiten. Ich werde es anch thun, und dn sollst hier bleiben, bis ich das Zeug bekomme und mehr Handwerksmeister. Du bleibst indeß hier auf dem Hofe. — „Was soll ich hier ans deinem Hofe thu», ehrenwerther Pascha?" — Nanchst du? — Ich antwortete: ich rauche. — El, wenn du rauchst, so setze dich her, wo die Andern sitzen und rauche, wie die An¬ dern rauchen. — So blieb ich in des Pascha Dienst und erhielt von dem Tage an Brot und Kost. — „Liegt ein Bosnier muhamedanischen Glaubens in den letzten Zügen, so wird ziemlich unter den Augen des Verscheidenden ein kupferner Kessel zur Tvdteuwäsche gewärmt und ein langer hölzerner Waschzuber bereit gehalten. Beginnt der Sterbende zu röcheln, so eilen und schreien die Angehörigen durcheinander: „Laufe nach dem Kessel, das Wasser muß heiß sein! schnell deu Waschzuber herbei, damit uns die Leiche nicht auskühle!" Kaum ist der letzte Athemzug gethan, so wird die Leiche schnell in den Zuber gelegt und tüchtig mit heißem Wasser abgewaschen. Das muß geschehen, bevor die letzte Lebenswärme völlig aus dem Körper ge¬ wichen ist, denn ist der Leib verkühle, ohne vorher abgewaschen zu sein, so zürnt der große Prophet dem Verstorbenen und holt ihn nicht in das Paradies, in wel¬ ches tun Unreiner eingehen darf. Gleich nach der Waschung werden dem Leich¬ nam Ohren, Nasenlöcher, Mund u. s. w. sorgfältig mit Baumwolle verstopft. Während dieser Operation haben einige Hausleute in aller Eile im Garten oder im Hofraum oder an einem hübschen Plätzchen an der Heerstraße ein ziemlich seichtes Grab gegraben, andere den Priester (Hodza) und die Verwandten und Freunde des Hauses herbeigeholt. Sobald diese beisammen sind, wird die Leiche in ein großes Liunenlacken eingewickelt und auf die Bahre gelegt. Jeder An¬ wesende hilft den Verstorbenen einige Schritte weit tragen und so wandert dieser sehr schnell von Schulter zu Schulter dem nahen Grabe zu. Hier wird er von der Bahre herabgenommen und in's Grab auf die bloße Erde gelegt, mit ewigen dünnen Brettern bedeckt, und diese mit Erde zugeschaufelt. Bei einem so schnellen und überstürzten Verfahren wird freilich nur zu oft ein Scheintodter begraben. Mir wurde erzählt, daß der Verstorbene, wenn man ihn in's Grab senkt, nicht selten zu mele», zu brummen und „Hin! Hin!" zu schreien anfange; da pflegt sich die ganze Leichenbegleitung zu verlaufen, nur der Hodza muß bleiben, den unruhigen Todten mit dem Zurufe „Ku-Ka-! KorKm-lFo!" trösten, und das Grab unter Segenssprüchen znschaufelu. Will dann der Hodza nach Hause, so muß er rück¬ wärts gehen, das Gesicht immer dem geschlossenen Grabe zugewendet und dabei immer noch „KorKm-r KorKmaF»!" rufen. Ich fragte, was dies KorKum

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/288
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/288>, abgerufen am 05.02.2025.