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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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schlössen und unzugänglich neben dem Haus des Mannes gebaut, dorthin ist der
Kochheerd und das kleine Leben der Wirthschaft verbannt. Auch die Hütte des
Aermsten hat zwei Abtheilungen, eine für den Mann, die andere für das Weib,
und beide Geschlechter verbringen den Tag von einander getrennt. Bei solcher
Sitte kann kein starkes, einiges Familienleben bestehn, deshalb theilt in Bosnien
der sterbende Vater sein Hab und Gut unter seine Kinder, von denen Jeder sein
Weib und seinen Haushalt gegen die übrigen abschließt. Für ein unterdrücktes
Volk ging dadurch viel verloren. Deshalb sind in Bosnien die ftböuen poetischen
Stimmungen und Gefühle, welche in Serbien auch das Leben des Aermsten adeln,
ist die zarte Anhänglichkeit an den großen Kreis verwandter Hausgenossen sehr
wenig vorhanden. Auch die Naja hat viel von diesem türkischen Brauch angenom¬
men, das Weib des Christen trägt sich wie die Türkin, um bei ihrem Gange
durch das Dorf nicht Spott zu erfahren, das weiße Tuch hängt ihr vor dem
Kopf und sie hält seinen Zipfel mit den Zähnen fest, um ihr Angesicht zu ver-,
bergen. -- Auch die Thatkraft, der Fleiß, die Freude vou der Arbeit ist durch
den Islam verringert. Was die Oswanli in das Land mitbrachten, Indolenz,
Schmutz, ein träges Kauern hinter dem Pfeifenrohr und Verachtung gegen viele
nothwendige und nützliche Handarbeit, das haben die Bosnier ihnen eifrig abgelernt.
Wer Muhamedaner ist, liebt das Nichtsthun und die schnelle Wuth träger Natu¬
ren gegen die Untergebenen. Wer Leute hat, welche ihm dienen, der verdirbt sie,
bald durch Unthätigkeit, bald durch Tyrannei. Die Verachtung gegen die Un¬
gläubigen ist beim Bosnier so groß als beim Osmanli, die Eifersucht ans die
Privilegien seines Glaubens wo möglich noch größer. -- Der Serbe hielt sich
und seiue Sitten rein dem Türken gegenüber, er ließ dem fremden Herrn die
Stadt und wohnte fern von ihm in der Landschaft, die der einzelne Moslem oft
nicht betreten durfte. In Bosnien herrscht der Türke in jedem Dorf, Abenteurer
ans allen Gegenden des Reiches, der Auswurf aller Länder, breiten sich als
Herren der Raja auch auf dem Lande, und diese Meuscheu sind es zumeist, welche
türkische Art verhaßt erhalten. Arnauten, Bulgaren, beides cutlasseuene Kriegs-
knechte, beschnittene Zigeuner und wandernde Derwische machen feige Mordthaten
häusiger, als selbst bei der schlechten Regierung des Landes zu erwarten wäre.
Die Raja lebt in dem größten Theil des Landes in steter Demüthigung. Wehe
dem Christen, dessen Hans sich stattlich erhebt neben den türkischen Nachbar¬
häusern, er würde in den Verdacht kommen ein Reicher zu sein und Habe und
Gut an die habsüchtige Macht verliere". Unscheinbar und dürftig muß er einher¬
gehen; wenn er dem Muhamedaner auf der Heerstraße begegnet, muß er sein
Gespann abführen von der Straße und warten, bis sein Herr vorbeigezogen ist;
seine Schweinchen, die unreinen Thiere, darf er im Paschalik Sarajevo nicht auf
der Straße des Dorfes laufen lassen, in der Hauptstadt selbst darf er gar keine


schlössen und unzugänglich neben dem Haus des Mannes gebaut, dorthin ist der
Kochheerd und das kleine Leben der Wirthschaft verbannt. Auch die Hütte des
Aermsten hat zwei Abtheilungen, eine für den Mann, die andere für das Weib,
und beide Geschlechter verbringen den Tag von einander getrennt. Bei solcher
Sitte kann kein starkes, einiges Familienleben bestehn, deshalb theilt in Bosnien
der sterbende Vater sein Hab und Gut unter seine Kinder, von denen Jeder sein
Weib und seinen Haushalt gegen die übrigen abschließt. Für ein unterdrücktes
Volk ging dadurch viel verloren. Deshalb sind in Bosnien die ftböuen poetischen
Stimmungen und Gefühle, welche in Serbien auch das Leben des Aermsten adeln,
ist die zarte Anhänglichkeit an den großen Kreis verwandter Hausgenossen sehr
wenig vorhanden. Auch die Naja hat viel von diesem türkischen Brauch angenom¬
men, das Weib des Christen trägt sich wie die Türkin, um bei ihrem Gange
durch das Dorf nicht Spott zu erfahren, das weiße Tuch hängt ihr vor dem
Kopf und sie hält seinen Zipfel mit den Zähnen fest, um ihr Angesicht zu ver-,
bergen. — Auch die Thatkraft, der Fleiß, die Freude vou der Arbeit ist durch
den Islam verringert. Was die Oswanli in das Land mitbrachten, Indolenz,
Schmutz, ein träges Kauern hinter dem Pfeifenrohr und Verachtung gegen viele
nothwendige und nützliche Handarbeit, das haben die Bosnier ihnen eifrig abgelernt.
Wer Muhamedaner ist, liebt das Nichtsthun und die schnelle Wuth träger Natu¬
ren gegen die Untergebenen. Wer Leute hat, welche ihm dienen, der verdirbt sie,
bald durch Unthätigkeit, bald durch Tyrannei. Die Verachtung gegen die Un¬
gläubigen ist beim Bosnier so groß als beim Osmanli, die Eifersucht ans die
Privilegien seines Glaubens wo möglich noch größer. — Der Serbe hielt sich
und seiue Sitten rein dem Türken gegenüber, er ließ dem fremden Herrn die
Stadt und wohnte fern von ihm in der Landschaft, die der einzelne Moslem oft
nicht betreten durfte. In Bosnien herrscht der Türke in jedem Dorf, Abenteurer
ans allen Gegenden des Reiches, der Auswurf aller Länder, breiten sich als
Herren der Raja auch auf dem Lande, und diese Meuscheu sind es zumeist, welche
türkische Art verhaßt erhalten. Arnauten, Bulgaren, beides cutlasseuene Kriegs-
knechte, beschnittene Zigeuner und wandernde Derwische machen feige Mordthaten
häusiger, als selbst bei der schlechten Regierung des Landes zu erwarten wäre.
Die Raja lebt in dem größten Theil des Landes in steter Demüthigung. Wehe
dem Christen, dessen Hans sich stattlich erhebt neben den türkischen Nachbar¬
häusern, er würde in den Verdacht kommen ein Reicher zu sein und Habe und
Gut an die habsüchtige Macht verliere». Unscheinbar und dürftig muß er einher¬
gehen; wenn er dem Muhamedaner auf der Heerstraße begegnet, muß er sein
Gespann abführen von der Straße und warten, bis sein Herr vorbeigezogen ist;
seine Schweinchen, die unreinen Thiere, darf er im Paschalik Sarajevo nicht auf
der Straße des Dorfes laufen lassen, in der Hauptstadt selbst darf er gar keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/285>, abgerufen am 05.02.2025.