Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Theil des Volkes. Allerdings sind sie nur halbe Muhamedaner und haben viel Keine Veränderung zum Guten! Ueberall erscheinen die Formen des einhei¬ Theil des Volkes. Allerdings sind sie nur halbe Muhamedaner und haben viel Keine Veränderung zum Guten! Ueberall erscheinen die Formen des einhei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279310"/> <p xml:id="ID_928" prev="#ID_927"> Theil des Volkes. Allerdings sind sie nur halbe Muhamedaner und haben viel<lb/> christliche Ketzerei in Gebräuchen und Sagen behalten. Die großen Helden der<lb/> serbischen Sagen füllen ihre Phantasie, wie die ihrer christlichen Brüder, und da<lb/> die Heldenthaten ihres Stammes fast immer ans dem Kampf mit den „ungläubi¬<lb/> gen" Türken hervorgingen, so sind sie in der eigenthümlichen Lage, grade das<lb/> bewundern zu müssen, »räh gegen ihren eigenen Glauben unternommen wurde.<lb/> Dadurch kommt zuweilen eine große Confusion in ihre Vorstellungen; man muß<lb/> ihnen aber einräumen, daß sie alle solche logische Schwierigkeiten mit großer Nai¬<lb/> vität und Gemüthlichkeit durchmachen. Die Sprache aller Bosnier ist serbisch,<lb/> sehr Wenige versteh» türkisch, aber viele türkische Wörter haben sich bei ihnen<lb/> eingebürgert, und sie behaupten mit großer Zuversicht, daß die Türken diese erst<lb/> von ihnen gelernt haben und daß das ganze Türkisch nur verschlechtertes Bosnisch sei.<lb/> Aber ihr Zusammenhang mit den übrigen südslaviscken Stämmen ist ihnen nicht<lb/> mehr klar, alles was jenseit der weißen save wohnt, selbst ihre Stammgenossen,<lb/> Kroaten und Slavonier, nennen sie Schwaben, und da sie entdeckt haben, daß<lb/> diese „schwäbischen" Nachbarn dieselbe Sprache reden, wie sie selbst, so schließen<lb/> sie mit mehr Selbstgefühl als Wahrheit, daß auch die Schwaben und alle übrigen<lb/> Völker die böhmische Sprache reden und daß diese die Hauptsprache der Welt sei.<lb/> In Sitten, Wohnung und Lebensweise, welche die Bosnier mit den Serben des<lb/> Fürstenthums gemein hatten, hat natürlich der Islam viel Veränderungen ein-,<lb/> geführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_929" next="#ID_930"> Keine Veränderung zum Guten! Ueberall erscheinen die Formen des einhei¬<lb/> mischen Lebens verschoben und zerbrochen, der Zwiespalt im Glauben hat auch eiuen<lb/> Riß gemacht durch die Seele des Volkes und viele Entartung und Verdorbenheit<lb/> befördert. Im Familienleben, im Geschäft, in der Negierung. In Serbien<lb/> wohnte die Familie zusammen auf dem ungeteilten Grundstück, das Haus war<lb/> wie ein Bienenkorb, und jeder Sohn und Enkel baute für sich und sein junges<lb/> Weib eine neue Zelle an den alten Stock; um einen Heerd versammelte sich die<lb/> ganze Familie; beim Tode des Familienhauptes wurde das Gut nicht zerschlagen,<lb/> es blieb Familienbesitz, die Repräsentation und das Eigenthumsrecht gingen<lb/> durch Geburt, oder Wahl der Familiengenossen an einen der Nachkommen über;<lb/> die Brüder und Vettern gehorchten ihm und ehrten ihn. Daher stammt jene<lb/> eigenthümliche Ausbildung der Familiengefühle, welche uns befremdet. Das Ver¬<lb/> hältniß zwischen Bruder und Schwester ist idealer und zärtlicher, als das zwischen<lb/> Manu und Weib, der Bruder folgt seinem Bruder bis zum Tode, der Sohn sei¬<lb/> nem Vater, den Tod eines Familiengliedes zu rächen ist heilige Pflicht. In Bos¬<lb/> nien dagegen steht das Haus des einzelnen Mannes mitten im Gehöft, von einer<lb/> Mauer umschlossen, durch die nur eine kleine Thüre am verriegelten Thorweg hin¬<lb/> einführt. In dem Hause sitzt der Herr allein auf dem Polster, hat er Diener,<lb/> so lungern diese an den Wänden; für die Weiber ist ein eigenes Gebäude, v?r-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0284]
Theil des Volkes. Allerdings sind sie nur halbe Muhamedaner und haben viel
christliche Ketzerei in Gebräuchen und Sagen behalten. Die großen Helden der
serbischen Sagen füllen ihre Phantasie, wie die ihrer christlichen Brüder, und da
die Heldenthaten ihres Stammes fast immer ans dem Kampf mit den „ungläubi¬
gen" Türken hervorgingen, so sind sie in der eigenthümlichen Lage, grade das
bewundern zu müssen, »räh gegen ihren eigenen Glauben unternommen wurde.
Dadurch kommt zuweilen eine große Confusion in ihre Vorstellungen; man muß
ihnen aber einräumen, daß sie alle solche logische Schwierigkeiten mit großer Nai¬
vität und Gemüthlichkeit durchmachen. Die Sprache aller Bosnier ist serbisch,
sehr Wenige versteh» türkisch, aber viele türkische Wörter haben sich bei ihnen
eingebürgert, und sie behaupten mit großer Zuversicht, daß die Türken diese erst
von ihnen gelernt haben und daß das ganze Türkisch nur verschlechtertes Bosnisch sei.
Aber ihr Zusammenhang mit den übrigen südslaviscken Stämmen ist ihnen nicht
mehr klar, alles was jenseit der weißen save wohnt, selbst ihre Stammgenossen,
Kroaten und Slavonier, nennen sie Schwaben, und da sie entdeckt haben, daß
diese „schwäbischen" Nachbarn dieselbe Sprache reden, wie sie selbst, so schließen
sie mit mehr Selbstgefühl als Wahrheit, daß auch die Schwaben und alle übrigen
Völker die böhmische Sprache reden und daß diese die Hauptsprache der Welt sei.
In Sitten, Wohnung und Lebensweise, welche die Bosnier mit den Serben des
Fürstenthums gemein hatten, hat natürlich der Islam viel Veränderungen ein-,
geführt.
Keine Veränderung zum Guten! Ueberall erscheinen die Formen des einhei¬
mischen Lebens verschoben und zerbrochen, der Zwiespalt im Glauben hat auch eiuen
Riß gemacht durch die Seele des Volkes und viele Entartung und Verdorbenheit
befördert. Im Familienleben, im Geschäft, in der Negierung. In Serbien
wohnte die Familie zusammen auf dem ungeteilten Grundstück, das Haus war
wie ein Bienenkorb, und jeder Sohn und Enkel baute für sich und sein junges
Weib eine neue Zelle an den alten Stock; um einen Heerd versammelte sich die
ganze Familie; beim Tode des Familienhauptes wurde das Gut nicht zerschlagen,
es blieb Familienbesitz, die Repräsentation und das Eigenthumsrecht gingen
durch Geburt, oder Wahl der Familiengenossen an einen der Nachkommen über;
die Brüder und Vettern gehorchten ihm und ehrten ihn. Daher stammt jene
eigenthümliche Ausbildung der Familiengefühle, welche uns befremdet. Das Ver¬
hältniß zwischen Bruder und Schwester ist idealer und zärtlicher, als das zwischen
Manu und Weib, der Bruder folgt seinem Bruder bis zum Tode, der Sohn sei¬
nem Vater, den Tod eines Familiengliedes zu rächen ist heilige Pflicht. In Bos¬
nien dagegen steht das Haus des einzelnen Mannes mitten im Gehöft, von einer
Mauer umschlossen, durch die nur eine kleine Thüre am verriegelten Thorweg hin¬
einführt. In dem Hause sitzt der Herr allein auf dem Polster, hat er Diener,
so lungern diese an den Wänden; für die Weiber ist ein eigenes Gebäude, v?r-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |