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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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fruchtbar wird, ist es zugleich sehr coupirt, oft von romantischer Naturschönheit.
Unter den blühenden, gebauten Feldern erheben sich fast überall Reihen von wald-
bedeckten Hügeln und Bergen, deren Wurzeln von kleinen Seen oder von zahl¬
reichen Bächen bespült werden, die in vielfachen Krümmungen zum Meere hinab
eilen. Diese vom Wasser eingefaßten Höhen bilden sür ein Vertheidigungöcorps
sehr günstige Positionen, im Schutz der kleinen Gewässer ist es ihm leicht sich
die Nückzugslinien zu sichern und offen zu erhalten. Aber noch mehr, die
Ostseeküste bietet in ihrer weiten Ausdehnung unzählige Landungspunkte, tief in
das Land schneidende Buchten und Flußmündungen, so daß eine Operationsarmee,
welche ungefährdet gegen Norden vorrücken will, überall an der Küste Besatzungen
zurücklassen oder eine Unmasse von Batterien errichten muß. Die Preußen haben,
wie jeder Feind, der dorthin vordrang, diese eigenthümliche Sachlage anerkennen
müssen. Um nicht jeden Augenblick durch einen Augriff im Rücken genirt, oder
von zwei Seiten bedroht zu werden, haben sie sich bei jedem Schritt vorwärts
zuerst decken müssen, dadurch ist die Hauptstärke immer geschwächt und das so
energisch geforderte Vorrücken gehindert worden. Auch das Belagerungscorps vor
Fridericia war nicht ein dem Untergang geweihtes Detachement, sondern eine
unvermeidliche nothwendige Bedingung des so eifrig ersehnten Vorrückens der
Reichstruppen.

Als endlich der General Prittwitz mit Hinterlassung der nöthigen Observa-
tionscorps so weit nach Norden vorgedrungen war, daß er ernstlich daran denken
konnte, den Nye aufzusuchen, war seine Hauptmacht so stark zusammengeschmolzen,
daß seine Ueberlegenheit schon zweifelhaft scheinen konnte, besonders da er nie ge¬
wußt hat, wie groß das Nye'sche Corps war, welches obendrein, durch seine
Verbindungen mit der See, sich fast jeden Tag "ach Belieben zu vergrößern und
zu verkleinern vermochte. Wäre es auch die Absicht des preußischen Feldherrn
gewesen, jenes Corps zu umgehen und abzuschneiden, er mußte es schon deswegen
bei dem guten Willen bleiben lassen, weil er nie den Feind auf einem Platz ver¬
sammelt fand. Während Nye sich mit einem Theil seiner Truppen ans Narhus
kämpfend zurückzog und die preußische Kavallerie in ein Feld hinauslockte, wo
sie mit beträchtlichem Verlust an Verwundeten und Gefangenen zurückgeworfen
wurde, beunruhigte er gleichzeitig mit anderen Abtheilungen viele Meilen west¬
licher Baiern und Hessen, welche Requisitionen eintrieben, so daß sie sich so ziem¬
lich mit dem begnügen mußten, was von der Bevölkerung freiwillig verabreicht
wurde. Wenn er hier von überlegenen Kräften angegriffen wurde, zog er sich
schnell in die große Heide zurück, wohin ihm die Deutschen nicht folgen konnten,
denn, wie schon anderswo bemerkt, "wenn sie auch einige Lorbeeren dort gepflückt
hätten, läßt sich doch aus Lorbeern und Heidegras keine Suppe kochen," und
immer hatte er von den Ost- und Westoperatiouen den freien Rückzug über Wi-
borg nach Aalborg oder nach Räubers, wo er sich einschiffen konnte, um entweder


fruchtbar wird, ist es zugleich sehr coupirt, oft von romantischer Naturschönheit.
Unter den blühenden, gebauten Feldern erheben sich fast überall Reihen von wald-
bedeckten Hügeln und Bergen, deren Wurzeln von kleinen Seen oder von zahl¬
reichen Bächen bespült werden, die in vielfachen Krümmungen zum Meere hinab
eilen. Diese vom Wasser eingefaßten Höhen bilden sür ein Vertheidigungöcorps
sehr günstige Positionen, im Schutz der kleinen Gewässer ist es ihm leicht sich
die Nückzugslinien zu sichern und offen zu erhalten. Aber noch mehr, die
Ostseeküste bietet in ihrer weiten Ausdehnung unzählige Landungspunkte, tief in
das Land schneidende Buchten und Flußmündungen, so daß eine Operationsarmee,
welche ungefährdet gegen Norden vorrücken will, überall an der Küste Besatzungen
zurücklassen oder eine Unmasse von Batterien errichten muß. Die Preußen haben,
wie jeder Feind, der dorthin vordrang, diese eigenthümliche Sachlage anerkennen
müssen. Um nicht jeden Augenblick durch einen Augriff im Rücken genirt, oder
von zwei Seiten bedroht zu werden, haben sie sich bei jedem Schritt vorwärts
zuerst decken müssen, dadurch ist die Hauptstärke immer geschwächt und das so
energisch geforderte Vorrücken gehindert worden. Auch das Belagerungscorps vor
Fridericia war nicht ein dem Untergang geweihtes Detachement, sondern eine
unvermeidliche nothwendige Bedingung des so eifrig ersehnten Vorrückens der
Reichstruppen.

Als endlich der General Prittwitz mit Hinterlassung der nöthigen Observa-
tionscorps so weit nach Norden vorgedrungen war, daß er ernstlich daran denken
konnte, den Nye aufzusuchen, war seine Hauptmacht so stark zusammengeschmolzen,
daß seine Ueberlegenheit schon zweifelhaft scheinen konnte, besonders da er nie ge¬
wußt hat, wie groß das Nye'sche Corps war, welches obendrein, durch seine
Verbindungen mit der See, sich fast jeden Tag »ach Belieben zu vergrößern und
zu verkleinern vermochte. Wäre es auch die Absicht des preußischen Feldherrn
gewesen, jenes Corps zu umgehen und abzuschneiden, er mußte es schon deswegen
bei dem guten Willen bleiben lassen, weil er nie den Feind auf einem Platz ver¬
sammelt fand. Während Nye sich mit einem Theil seiner Truppen ans Narhus
kämpfend zurückzog und die preußische Kavallerie in ein Feld hinauslockte, wo
sie mit beträchtlichem Verlust an Verwundeten und Gefangenen zurückgeworfen
wurde, beunruhigte er gleichzeitig mit anderen Abtheilungen viele Meilen west¬
licher Baiern und Hessen, welche Requisitionen eintrieben, so daß sie sich so ziem¬
lich mit dem begnügen mußten, was von der Bevölkerung freiwillig verabreicht
wurde. Wenn er hier von überlegenen Kräften angegriffen wurde, zog er sich
schnell in die große Heide zurück, wohin ihm die Deutschen nicht folgen konnten,
denn, wie schon anderswo bemerkt, „wenn sie auch einige Lorbeeren dort gepflückt
hätten, läßt sich doch aus Lorbeern und Heidegras keine Suppe kochen," und
immer hatte er von den Ost- und Westoperatiouen den freien Rückzug über Wi-
borg nach Aalborg oder nach Räubers, wo er sich einschiffen konnte, um entweder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/268>, abgerufen am 05.02.2025.