Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.kriege zurückgehn und die Nachkommen einer Horde von Fanatikern sind, welche Was die Auffassung der gegenwärtigen Zustände anbelangt, so hat das! Landvolk Aber auch in der Stadt geht es nicht viel besser zu. Der Bauer, wen" kriege zurückgehn und die Nachkommen einer Horde von Fanatikern sind, welche Was die Auffassung der gegenwärtigen Zustände anbelangt, so hat das! Landvolk Aber auch in der Stadt geht es nicht viel besser zu. Der Bauer, wen» <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279258"/> <p xml:id="ID_743" prev="#ID_742"> kriege zurückgehn und die Nachkommen einer Horde von Fanatikern sind, welche<lb/> Ziska selbst ihrer gräulichen Moral wegen verbrennen ließ. Ich weiß nicht, ob<lb/> diese Ansicht zweifellos ist, unwahrscheinlich ist sie nicht. In der Tiefe des trotzi¬<lb/> gen und verschlossenen Herzens, in welches das czechische Landvolk sich allem Frem¬<lb/> den gegenüber zurückzieht, liegen noch manche Geheimnisse begraben, welche der<lb/> deutschen Welt sehr wenig, unsern gelehrten Czechen nur zum Theil bekannt sind.<lb/> Wie ein Räthsel sitzt das czechische Volk selbst unter den deutschen Stämmen und<lb/> sein Geist, gebannt durch die verhaßten Zauberformeln der deutschen Sprache hat<lb/> sich in sich selbst zurückgezogen und liegt in einem tausendjährigen Schlaf, dessen<lb/> Ende wir auch jetzt, im Jahre 4U noch nicht absehn können.</p><lb/> <p xml:id="ID_744"> Was die Auffassung der gegenwärtigen Zustände anbelangt, so hat das! Landvolk<lb/> gewiß eine weit pfiffigere und gesündere Anschauungsweise, als die gestriegelten,<lb/> bevatermörderten und journalistischen Städter, die sich in Allem täuschen lassen.<lb/> Ich erinnere mich jetzt noch mit wahrer Befriedigung meiner letzten Wasserfahrt<lb/> nach Podol, welches eine kurze Strecke von der Stadt entfernt ist, und am Fuße<lb/> von LibussaS Felsen liegt, wo man gute gebackene Grundeln um 38 Kr. bekömmt,<lb/> passables Bier und einen zunftmäßig beleibten Gastwirth. Solche Portionen<lb/> Deutsche oder Magyaren, dachte ich bei mir, als ich eben ein kleines Kiemcnthier-<lb/> chen meinen Gaumen preisgab, die wären für unsern geliebten Hawlizck Delika¬<lb/> tessen, die er mit Löffeln speisen möchte. Unterdeß machten sich meine Nachbarn,<lb/> ehrliche Bauern, die Freude, mir einige Aufklärung über den ungarischen Krieg<lb/> zu geben. So hören Sie und staunen Sie über die schnelle Lösung großer Räthsel.<lb/> Es gibt keinen Kossuth und es hat nie einen solchen gegeben; seine Person ist<lb/> falsch, sein Name ist falsch, die Bilder find falsch, die Zeitungen sind falsch, Alles<lb/> ist falsch; denn der, den man Kossuth nennt, ist kein Anderer, als — Erzherzog<lb/> Stephan. Wagen Sie darüber zu lachen, so raunt.man sich Pfiffig in die Ohren,<lb/> daß Sie das Pulver nicht erfunden haben, daß nur Unsereiner von den hohen<lb/> Herren bei Hofe sich täuschen lasse, welche freilich in ihre Karten nicht blicken<lb/> lassen; und daß diese Vermuthung trotz.aller Verstellungskünste des kaiserlichen<lb/> Prinzen so wahr sei, als die bekannte Thatsache, daß der alte Pascha von Aegyp-<lb/> ten kein Anderer als Napoleon I. ist u. tgi. in. Es liegt traun viel Humor in<lb/> dieser Philosophie, welche bei einem großen Theile des böhmischen Landvolkes so<lb/> eingewurzelt ist, daß sie durch keine Dokumente und Vernunftgründe aus den harten<lb/> Hussitenköpfen gebannt werden könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_745" next="#ID_746"> Aber auch in der Stadt geht es nicht viel besser zu. Der Bauer, wen»<lb/> er an etwas zweifelt, kratzt sich erst hinter's Ohr und citirt dann seine hyperkluge<lb/> oder simple Staatsweisheit, die er aus den beredten Wirthshanslehren des Schul¬<lb/> meisters oder den salbnngsreichen Worten des Pfarrers schöpfte, darum sind seine<lb/> Irrthümer und Fehler auch simpler Natur und wenig schädlich. Der Städter hin-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0232]
kriege zurückgehn und die Nachkommen einer Horde von Fanatikern sind, welche
Ziska selbst ihrer gräulichen Moral wegen verbrennen ließ. Ich weiß nicht, ob
diese Ansicht zweifellos ist, unwahrscheinlich ist sie nicht. In der Tiefe des trotzi¬
gen und verschlossenen Herzens, in welches das czechische Landvolk sich allem Frem¬
den gegenüber zurückzieht, liegen noch manche Geheimnisse begraben, welche der
deutschen Welt sehr wenig, unsern gelehrten Czechen nur zum Theil bekannt sind.
Wie ein Räthsel sitzt das czechische Volk selbst unter den deutschen Stämmen und
sein Geist, gebannt durch die verhaßten Zauberformeln der deutschen Sprache hat
sich in sich selbst zurückgezogen und liegt in einem tausendjährigen Schlaf, dessen
Ende wir auch jetzt, im Jahre 4U noch nicht absehn können.
Was die Auffassung der gegenwärtigen Zustände anbelangt, so hat das! Landvolk
gewiß eine weit pfiffigere und gesündere Anschauungsweise, als die gestriegelten,
bevatermörderten und journalistischen Städter, die sich in Allem täuschen lassen.
Ich erinnere mich jetzt noch mit wahrer Befriedigung meiner letzten Wasserfahrt
nach Podol, welches eine kurze Strecke von der Stadt entfernt ist, und am Fuße
von LibussaS Felsen liegt, wo man gute gebackene Grundeln um 38 Kr. bekömmt,
passables Bier und einen zunftmäßig beleibten Gastwirth. Solche Portionen
Deutsche oder Magyaren, dachte ich bei mir, als ich eben ein kleines Kiemcnthier-
chen meinen Gaumen preisgab, die wären für unsern geliebten Hawlizck Delika¬
tessen, die er mit Löffeln speisen möchte. Unterdeß machten sich meine Nachbarn,
ehrliche Bauern, die Freude, mir einige Aufklärung über den ungarischen Krieg
zu geben. So hören Sie und staunen Sie über die schnelle Lösung großer Räthsel.
Es gibt keinen Kossuth und es hat nie einen solchen gegeben; seine Person ist
falsch, sein Name ist falsch, die Bilder find falsch, die Zeitungen sind falsch, Alles
ist falsch; denn der, den man Kossuth nennt, ist kein Anderer, als — Erzherzog
Stephan. Wagen Sie darüber zu lachen, so raunt.man sich Pfiffig in die Ohren,
daß Sie das Pulver nicht erfunden haben, daß nur Unsereiner von den hohen
Herren bei Hofe sich täuschen lasse, welche freilich in ihre Karten nicht blicken
lassen; und daß diese Vermuthung trotz.aller Verstellungskünste des kaiserlichen
Prinzen so wahr sei, als die bekannte Thatsache, daß der alte Pascha von Aegyp-
ten kein Anderer als Napoleon I. ist u. tgi. in. Es liegt traun viel Humor in
dieser Philosophie, welche bei einem großen Theile des böhmischen Landvolkes so
eingewurzelt ist, daß sie durch keine Dokumente und Vernunftgründe aus den harten
Hussitenköpfen gebannt werden könnte.
Aber auch in der Stadt geht es nicht viel besser zu. Der Bauer, wen»
er an etwas zweifelt, kratzt sich erst hinter's Ohr und citirt dann seine hyperkluge
oder simple Staatsweisheit, die er aus den beredten Wirthshanslehren des Schul¬
meisters oder den salbnngsreichen Worten des Pfarrers schöpfte, darum sind seine
Irrthümer und Fehler auch simpler Natur und wenig schädlich. Der Städter hin-
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