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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Nie hat es einen Kampf für Deutschland gegeben, welcher vernünftiger
in seinen Motiven war, und nie einen Waffenstillstand, welcher die Hoffnun¬
gen der Deutschen mehr getäuscht hat; -- es ist eine Pause im Kampf, welche
jetzt beschlossen worden ist, aber kein Frieden kann darauf folgen. Weder Preußen
noch Dänemark, "och die Herzogtümer können die naturgemäße Entwicklung die¬
ses großen politischen Actes jeht noch auf die Länge aufhalten oder regieren. Wenn
ein solches politisches Problem, so verhängnißvoll für das Gedeihn mehrerer Völ¬
ker, erst einmal in der Geschichte sich herausgehoben hat, so stellt es sich wie ein Fra¬
gezeichen in aller Zukunft den Völkern so lange entgegen, bis es gelöst ist. Das
Verhältniß der Herzogthümer zu Dänemark darf nicht stehn bleiben im Interesse
Norddeutschlands, Dänemark und seine Freunde dürfen die Verbindung mit Deutsch¬
land nicht dulden, so lange Dänemarks Ehrgeiz ist, den Schein eines selbststän-
digen Staates Deutschland gegenüber zu erhalten. Mag der Waffenstillstand,
welcher jetzt geschlossen ist, kurz oder lauge dauern, es muß ihm ein neuer Kampf
folgen, bis die unklare und unvernünftige Situation der Herzogthümer sich ent¬
schieden hat, so oder so.

Wie der Krieg gegen Dänemark bis jetzt geführt wurde, war kaum ein bes¬
seres Resultat sür den Waffenstillstand, eine Lösung dieser Frage aber sicher nicht
zu erwarten. Es ist höchst ungerecht, wenn man Preußen allein die Schuld bei-
mißt, alle deutschen Stämme, das Frankfurter Parlament von 48, die ganze Be¬
wegung des letzten Jahres, die gemüthliche Weise, wie in Frankfurt und in
Berlin und in der Seele des deutscheu Volks die Politik bis jetzt getrieben wurde,
Alles das trägt die Schuld.

In den konservativen Blättern Preußens ist sehr richtig bemerkt worden, daß
die bloße Occupation des gesammten Jütlands, selbst wenn sie für ein Landheer
rathsam gewesen wäre, an sich nicht hinreichen konnte, einen entscheidenden Frie¬
den herbeizuführen. Der preußische General Wrangel erkannte schon im vorigen
Jahre vor dem Waffenstillstand von Malmve, daß die Besetzung einer Halbinsel,
welche in ihrer ganzen Länge von drei Seiten den Schissen des Feindes blos liegt
und in der Mitte kein Terrain für militärische Operationen gewährt, einer ener¬
gischen Kriegführung fast unübersteigliche Hindernisse in den Weg lege. Ihm half
seine damalige Popularität, eine gewisse epigrammatische Derbheit und der verrufene
Waffenstillstand von 48 über die Schwierigkeiten hinweg. Sein Nachfolger Pritt-
witz war nicht so glücklich. Allerdings ist zu beklagen, daß Prittwitz diesen
Krieg mehr als Höfling, wie als Feldherr geführt hat, er kannte die veränderte
Stimmung seines gefühlvollen Königs gegen den bedrängten Herrn von Dänemark,
und seine Jnstructionen waren sicher mehr darauf berechnet zu schonen als zu be¬
schädigen. Aber auch bei anderer Leitung des Kampfes war ein vollständiges Re¬
sultat in der Gegenwart nicht zu erwarte".

Die Deutschen empfanden, daß Dänemark nur zur See zu besiegen sei, sie


Grenzboten. >u. 184". 28

Nie hat es einen Kampf für Deutschland gegeben, welcher vernünftiger
in seinen Motiven war, und nie einen Waffenstillstand, welcher die Hoffnun¬
gen der Deutschen mehr getäuscht hat; — es ist eine Pause im Kampf, welche
jetzt beschlossen worden ist, aber kein Frieden kann darauf folgen. Weder Preußen
noch Dänemark, «och die Herzogtümer können die naturgemäße Entwicklung die¬
ses großen politischen Actes jeht noch auf die Länge aufhalten oder regieren. Wenn
ein solches politisches Problem, so verhängnißvoll für das Gedeihn mehrerer Völ¬
ker, erst einmal in der Geschichte sich herausgehoben hat, so stellt es sich wie ein Fra¬
gezeichen in aller Zukunft den Völkern so lange entgegen, bis es gelöst ist. Das
Verhältniß der Herzogthümer zu Dänemark darf nicht stehn bleiben im Interesse
Norddeutschlands, Dänemark und seine Freunde dürfen die Verbindung mit Deutsch¬
land nicht dulden, so lange Dänemarks Ehrgeiz ist, den Schein eines selbststän-
digen Staates Deutschland gegenüber zu erhalten. Mag der Waffenstillstand,
welcher jetzt geschlossen ist, kurz oder lauge dauern, es muß ihm ein neuer Kampf
folgen, bis die unklare und unvernünftige Situation der Herzogthümer sich ent¬
schieden hat, so oder so.

Wie der Krieg gegen Dänemark bis jetzt geführt wurde, war kaum ein bes¬
seres Resultat sür den Waffenstillstand, eine Lösung dieser Frage aber sicher nicht
zu erwarten. Es ist höchst ungerecht, wenn man Preußen allein die Schuld bei-
mißt, alle deutschen Stämme, das Frankfurter Parlament von 48, die ganze Be¬
wegung des letzten Jahres, die gemüthliche Weise, wie in Frankfurt und in
Berlin und in der Seele des deutscheu Volks die Politik bis jetzt getrieben wurde,
Alles das trägt die Schuld.

In den konservativen Blättern Preußens ist sehr richtig bemerkt worden, daß
die bloße Occupation des gesammten Jütlands, selbst wenn sie für ein Landheer
rathsam gewesen wäre, an sich nicht hinreichen konnte, einen entscheidenden Frie¬
den herbeizuführen. Der preußische General Wrangel erkannte schon im vorigen
Jahre vor dem Waffenstillstand von Malmve, daß die Besetzung einer Halbinsel,
welche in ihrer ganzen Länge von drei Seiten den Schissen des Feindes blos liegt
und in der Mitte kein Terrain für militärische Operationen gewährt, einer ener¬
gischen Kriegführung fast unübersteigliche Hindernisse in den Weg lege. Ihm half
seine damalige Popularität, eine gewisse epigrammatische Derbheit und der verrufene
Waffenstillstand von 48 über die Schwierigkeiten hinweg. Sein Nachfolger Pritt-
witz war nicht so glücklich. Allerdings ist zu beklagen, daß Prittwitz diesen
Krieg mehr als Höfling, wie als Feldherr geführt hat, er kannte die veränderte
Stimmung seines gefühlvollen Königs gegen den bedrängten Herrn von Dänemark,
und seine Jnstructionen waren sicher mehr darauf berechnet zu schonen als zu be¬
schädigen. Aber auch bei anderer Leitung des Kampfes war ein vollständiges Re¬
sultat in der Gegenwart nicht zu erwarte».

Die Deutschen empfanden, daß Dänemark nur zur See zu besiegen sei, sie


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[0221] Nie hat es einen Kampf für Deutschland gegeben, welcher vernünftiger in seinen Motiven war, und nie einen Waffenstillstand, welcher die Hoffnun¬ gen der Deutschen mehr getäuscht hat; — es ist eine Pause im Kampf, welche jetzt beschlossen worden ist, aber kein Frieden kann darauf folgen. Weder Preußen noch Dänemark, «och die Herzogtümer können die naturgemäße Entwicklung die¬ ses großen politischen Actes jeht noch auf die Länge aufhalten oder regieren. Wenn ein solches politisches Problem, so verhängnißvoll für das Gedeihn mehrerer Völ¬ ker, erst einmal in der Geschichte sich herausgehoben hat, so stellt es sich wie ein Fra¬ gezeichen in aller Zukunft den Völkern so lange entgegen, bis es gelöst ist. Das Verhältniß der Herzogthümer zu Dänemark darf nicht stehn bleiben im Interesse Norddeutschlands, Dänemark und seine Freunde dürfen die Verbindung mit Deutsch¬ land nicht dulden, so lange Dänemarks Ehrgeiz ist, den Schein eines selbststän- digen Staates Deutschland gegenüber zu erhalten. Mag der Waffenstillstand, welcher jetzt geschlossen ist, kurz oder lauge dauern, es muß ihm ein neuer Kampf folgen, bis die unklare und unvernünftige Situation der Herzogthümer sich ent¬ schieden hat, so oder so. Wie der Krieg gegen Dänemark bis jetzt geführt wurde, war kaum ein bes¬ seres Resultat sür den Waffenstillstand, eine Lösung dieser Frage aber sicher nicht zu erwarten. Es ist höchst ungerecht, wenn man Preußen allein die Schuld bei- mißt, alle deutschen Stämme, das Frankfurter Parlament von 48, die ganze Be¬ wegung des letzten Jahres, die gemüthliche Weise, wie in Frankfurt und in Berlin und in der Seele des deutscheu Volks die Politik bis jetzt getrieben wurde, Alles das trägt die Schuld. In den konservativen Blättern Preußens ist sehr richtig bemerkt worden, daß die bloße Occupation des gesammten Jütlands, selbst wenn sie für ein Landheer rathsam gewesen wäre, an sich nicht hinreichen konnte, einen entscheidenden Frie¬ den herbeizuführen. Der preußische General Wrangel erkannte schon im vorigen Jahre vor dem Waffenstillstand von Malmve, daß die Besetzung einer Halbinsel, welche in ihrer ganzen Länge von drei Seiten den Schissen des Feindes blos liegt und in der Mitte kein Terrain für militärische Operationen gewährt, einer ener¬ gischen Kriegführung fast unübersteigliche Hindernisse in den Weg lege. Ihm half seine damalige Popularität, eine gewisse epigrammatische Derbheit und der verrufene Waffenstillstand von 48 über die Schwierigkeiten hinweg. Sein Nachfolger Pritt- witz war nicht so glücklich. Allerdings ist zu beklagen, daß Prittwitz diesen Krieg mehr als Höfling, wie als Feldherr geführt hat, er kannte die veränderte Stimmung seines gefühlvollen Königs gegen den bedrängten Herrn von Dänemark, und seine Jnstructionen waren sicher mehr darauf berechnet zu schonen als zu be¬ schädigen. Aber auch bei anderer Leitung des Kampfes war ein vollständiges Re¬ sultat in der Gegenwart nicht zu erwarte». Die Deutschen empfanden, daß Dänemark nur zur See zu besiegen sei, sie Grenzboten. >u. 184«. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/221>, abgerufen am 05.02.2025.