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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Stands mitzutheilen und vom Parteistandpunkt ans zu kritisiren. Sie sind bekannt
genug und die Bestürzung über dieselben ist allgemein. Von den Forderungen,
welche Friedrich Wilhelm IV. selbst als maßgebend ausgestellt hat, ist sehr wenig
erreicht. Der Waffenstillstand trennt die Doppelsterne Schleswig-Holstein nicht
nur gegenwärtig, sondern ist auch in den Bestimmungen über die Zukunft dieser
Grenzländer so unbestimmt, unklar und vieldeutig, daß voraussichtlich selbst da,
wo der Wille Preußens durchscheint, den Zusammenhang der Herzogthümer zu
wahren, in der Praxis eine vollständige Trennung uicht aufzuhalten sein würde.
Ist doch selbst Holstein's Verbindung mit einem dentschen Bundesstaat unsicher
und zweifelhaft geworden. Alle Schuld dieses unseligen Vertrages wird Preußen
zugeschoben, und die Erbitterung gegen seine Politik ist heftiger, als je.

Wer einen Krieg führt muß wissen, wofür er ihn führt; weder die deutsche
Centralgewalt in Frankfurt, noch in diesem Jahre Preußen haben die Kühnheit
gehabt in die politischen Consequenzen dieses Kampfes einzugehn. -- Wenn zwei
Länder durch alte Verträge und Brüderschaft so mit einander verwachsen sind, wie
Schleswig und Holstein, und jedes davon dcmuiigcachtet einem andern Staats-
kövpcr angehört, Schleswig zu Dänemark, Holstein zum deutschen Bunde, so ist
dieses Verhältniß ein unvernünftiges. Jeder vou beiden Staatskörpern wird ver¬
suchen müssen, das Ganze an sich zu fesseln. Dänemark hat dies bekanntlich mit
den vereinigten Herzogthümern versucht und dadurch die Veranlassung zum Kriege
gegeben. Der Krieg wurde von uus geführt, um das vereinigte Schleswig-Hol¬
stein zu dentschen Staaten zu machen. Ja noch mehr, die Existenz Däne- >
marks an der nördlichen Jnselspitze Deutschlands ist mit der Bildung eines
großen deutscheu Bundesstaats unverträglich, denn Dänemark ist ein gefährlicher
Stützpunkt für russische oder englische Macht, welche gegen Deutschland operiren
will, seine politische Existenz ist von dem Sundzoll abhängig, es ist ein Schma-
rotzcrdasein ans Kosten unserer Produktion und Consumtion. Durch die Vereini¬
gung der Herzogthümer mit Deutschland aber wurde das selbstständige Bestehn
Dänemarks unmöglich, es konnte sich einer Capitalisirnng des Sundzolles dann
nicht mehr entziehn, weil es deutschen Händen möglich war, eine Verbindung der
Nord - und Ostsee durch die Herzogthümer zu graben. Durch die Verwandlung
einer jährlichen Revenue in ein mäßiges Capital aber, würde bei den zerrütteten
Finanzen Dänemarks ein Verfall des Staats unvermeidlich und die Folge davon
mußte zuletzt ein Anschluß des gesammten Dänemarks an den deutschen Bundes¬
staat sein, das größte Glück für Dänemark wie für Deutschland. So calkulirte
im Jahr 48 der Deutsche. Die Friedensbedingungen, auf welche wir losgehn
mußten, waren Aufnahme der vereinigten Herzogthümer in den deutschen Bundes¬
staat unter einer Statthalterschaft und der nomineller Oberhoheit des jetzigen Kö¬
nigs von Dänemark, bis zu seinem Tode. Ferner aber Capitalisirnng des Sund¬
zolles für die Schifffahrt deutscher Staaten.


Stands mitzutheilen und vom Parteistandpunkt ans zu kritisiren. Sie sind bekannt
genug und die Bestürzung über dieselben ist allgemein. Von den Forderungen,
welche Friedrich Wilhelm IV. selbst als maßgebend ausgestellt hat, ist sehr wenig
erreicht. Der Waffenstillstand trennt die Doppelsterne Schleswig-Holstein nicht
nur gegenwärtig, sondern ist auch in den Bestimmungen über die Zukunft dieser
Grenzländer so unbestimmt, unklar und vieldeutig, daß voraussichtlich selbst da,
wo der Wille Preußens durchscheint, den Zusammenhang der Herzogthümer zu
wahren, in der Praxis eine vollständige Trennung uicht aufzuhalten sein würde.
Ist doch selbst Holstein's Verbindung mit einem dentschen Bundesstaat unsicher
und zweifelhaft geworden. Alle Schuld dieses unseligen Vertrages wird Preußen
zugeschoben, und die Erbitterung gegen seine Politik ist heftiger, als je.

Wer einen Krieg führt muß wissen, wofür er ihn führt; weder die deutsche
Centralgewalt in Frankfurt, noch in diesem Jahre Preußen haben die Kühnheit
gehabt in die politischen Consequenzen dieses Kampfes einzugehn. — Wenn zwei
Länder durch alte Verträge und Brüderschaft so mit einander verwachsen sind, wie
Schleswig und Holstein, und jedes davon dcmuiigcachtet einem andern Staats-
kövpcr angehört, Schleswig zu Dänemark, Holstein zum deutschen Bunde, so ist
dieses Verhältniß ein unvernünftiges. Jeder vou beiden Staatskörpern wird ver¬
suchen müssen, das Ganze an sich zu fesseln. Dänemark hat dies bekanntlich mit
den vereinigten Herzogthümern versucht und dadurch die Veranlassung zum Kriege
gegeben. Der Krieg wurde von uus geführt, um das vereinigte Schleswig-Hol¬
stein zu dentschen Staaten zu machen. Ja noch mehr, die Existenz Däne- >
marks an der nördlichen Jnselspitze Deutschlands ist mit der Bildung eines
großen deutscheu Bundesstaats unverträglich, denn Dänemark ist ein gefährlicher
Stützpunkt für russische oder englische Macht, welche gegen Deutschland operiren
will, seine politische Existenz ist von dem Sundzoll abhängig, es ist ein Schma-
rotzcrdasein ans Kosten unserer Produktion und Consumtion. Durch die Vereini¬
gung der Herzogthümer mit Deutschland aber wurde das selbstständige Bestehn
Dänemarks unmöglich, es konnte sich einer Capitalisirnng des Sundzolles dann
nicht mehr entziehn, weil es deutschen Händen möglich war, eine Verbindung der
Nord - und Ostsee durch die Herzogthümer zu graben. Durch die Verwandlung
einer jährlichen Revenue in ein mäßiges Capital aber, würde bei den zerrütteten
Finanzen Dänemarks ein Verfall des Staats unvermeidlich und die Folge davon
mußte zuletzt ein Anschluß des gesammten Dänemarks an den deutschen Bundes¬
staat sein, das größte Glück für Dänemark wie für Deutschland. So calkulirte
im Jahr 48 der Deutsche. Die Friedensbedingungen, auf welche wir losgehn
mußten, waren Aufnahme der vereinigten Herzogthümer in den deutschen Bundes¬
staat unter einer Statthalterschaft und der nomineller Oberhoheit des jetzigen Kö¬
nigs von Dänemark, bis zu seinem Tode. Ferner aber Capitalisirnng des Sund¬
zolles für die Schifffahrt deutscher Staaten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/220>, abgerufen am 05.02.2025.