Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Pointe fehlte noch. Lamartine fand sie, indem er auf Abschaffung der Todes¬
strafe antrug.

Ich habe den Inhalt des Werkes, der viel zu denken gibt, nur oberflächlich
berührt, um ihn wieder aufzunehmen, sobald eine Fortsetzung dieses denkwürdigen
Beitrags zu den Verwirrungen unsers Jahrhunderts uns vorliegt.

Wenn Lamartine nicht seiner ganzen Natur nach zu sanguinisch wäre, nicht
zu geneigt, in die unmittelbaren Zustände und Stimmungen völlig aufzugehen,
um den scharfen Kontrast der Gegenwart und VcrganAcnheit mit dem Ernst zu
empfinden, wie er einem tragischen Conflict geziemt, so müßte die suffisance sei¬
nes Wesens im Verlauf seines Werkes stark erschüttert werden. Die Führer der
Revolution haben sich als unfähig bewiesen, sie zu bändigen, wie sie zu leiten;
das Militär hat dem wilden französischen Gaul Zügel und Gebiß angelegt. Die
Vertreter des Volks, hervorgegangen aus dem allgemeinen Stimmrecht, haben
gegen die Revolution Protest eingelegt, die träumerische rothe Fahne der absolu¬
ten Republik liegt zerfetzt unter den Trümmern des alten Königthums, ihre An¬
hänger weilen im Kerker oder in der Verbannung, und die Tricolore breitet sich
nur uoch wie ein matter Flor über deu Silberglanz der weißen Lilien. Noch hallt
der Kanonendonner von Rom, der die Vernichtung der Republik durch ein fran¬
zösisches Heer, die Restauration des Nachfolgers Christi deu Völkern verkündet.
Vielleicht wird noch der Tag kommen, wo Lamartine sich seiner Jngend erinnert,
wo er als loyaler Edelmann die Sache des alten Hauses vertrat, und er wird
seine Lyra wieder hervorsuchen und ein Lied anstimmen zur Feier der schönen
Frau, für deren mütterliche Rechte er mit so ritterlicher Galanterie in die Schran¬
ken getreten ist, bis er sie im entscheidenden Augenblick der Republik opfert, oder
für die andere, mehr legitime und mehr romantische Fürstin, deren Beschimpfung
durch das Juliköniglhmn er als einen der moralischen Gründe angeführt hat, daß
Louis Philipp gefallen ist. Schon meldete ein Blatt die Rückkehr der Herzogin
von Berry, und die legitimistische Gazette de France begnügte sich mit der Er¬
wiederung : i?-t8 vncore!




Schleswig-Holstein und Preußen.



Das Blatt hat es vermieden, den ersten Schrei des Unwillens über den preu¬
ßischen Vertrag mit Dänemark zu wiederholen; es ist schwer besonnen zu sein,
wenn die Nöthe der Schaam auf den Wangen liegt.

Die Tagespresse hat ihre Pflicht gethan, die Bedingungen des Waffenstill-


Pointe fehlte noch. Lamartine fand sie, indem er auf Abschaffung der Todes¬
strafe antrug.

Ich habe den Inhalt des Werkes, der viel zu denken gibt, nur oberflächlich
berührt, um ihn wieder aufzunehmen, sobald eine Fortsetzung dieses denkwürdigen
Beitrags zu den Verwirrungen unsers Jahrhunderts uns vorliegt.

Wenn Lamartine nicht seiner ganzen Natur nach zu sanguinisch wäre, nicht
zu geneigt, in die unmittelbaren Zustände und Stimmungen völlig aufzugehen,
um den scharfen Kontrast der Gegenwart und VcrganAcnheit mit dem Ernst zu
empfinden, wie er einem tragischen Conflict geziemt, so müßte die suffisance sei¬
nes Wesens im Verlauf seines Werkes stark erschüttert werden. Die Führer der
Revolution haben sich als unfähig bewiesen, sie zu bändigen, wie sie zu leiten;
das Militär hat dem wilden französischen Gaul Zügel und Gebiß angelegt. Die
Vertreter des Volks, hervorgegangen aus dem allgemeinen Stimmrecht, haben
gegen die Revolution Protest eingelegt, die träumerische rothe Fahne der absolu¬
ten Republik liegt zerfetzt unter den Trümmern des alten Königthums, ihre An¬
hänger weilen im Kerker oder in der Verbannung, und die Tricolore breitet sich
nur uoch wie ein matter Flor über deu Silberglanz der weißen Lilien. Noch hallt
der Kanonendonner von Rom, der die Vernichtung der Republik durch ein fran¬
zösisches Heer, die Restauration des Nachfolgers Christi deu Völkern verkündet.
Vielleicht wird noch der Tag kommen, wo Lamartine sich seiner Jngend erinnert,
wo er als loyaler Edelmann die Sache des alten Hauses vertrat, und er wird
seine Lyra wieder hervorsuchen und ein Lied anstimmen zur Feier der schönen
Frau, für deren mütterliche Rechte er mit so ritterlicher Galanterie in die Schran¬
ken getreten ist, bis er sie im entscheidenden Augenblick der Republik opfert, oder
für die andere, mehr legitime und mehr romantische Fürstin, deren Beschimpfung
durch das Juliköniglhmn er als einen der moralischen Gründe angeführt hat, daß
Louis Philipp gefallen ist. Schon meldete ein Blatt die Rückkehr der Herzogin
von Berry, und die legitimistische Gazette de France begnügte sich mit der Er¬
wiederung : i?-t8 vncore!




Schleswig-Holstein und Preußen.



Das Blatt hat es vermieden, den ersten Schrei des Unwillens über den preu¬
ßischen Vertrag mit Dänemark zu wiederholen; es ist schwer besonnen zu sein,
wenn die Nöthe der Schaam auf den Wangen liegt.

Die Tagespresse hat ihre Pflicht gethan, die Bedingungen des Waffenstill-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279245"/>
          <p xml:id="ID_702" prev="#ID_701"> Pointe fehlte noch. Lamartine fand sie, indem er auf Abschaffung der Todes¬<lb/>
strafe antrug.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_703"> Ich habe den Inhalt des Werkes, der viel zu denken gibt, nur oberflächlich<lb/>
berührt, um ihn wieder aufzunehmen, sobald eine Fortsetzung dieses denkwürdigen<lb/>
Beitrags zu den Verwirrungen unsers Jahrhunderts uns vorliegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_704"> Wenn Lamartine nicht seiner ganzen Natur nach zu sanguinisch wäre, nicht<lb/>
zu geneigt, in die unmittelbaren Zustände und Stimmungen völlig aufzugehen,<lb/>
um den scharfen Kontrast der Gegenwart und VcrganAcnheit mit dem Ernst zu<lb/>
empfinden, wie er einem tragischen Conflict geziemt, so müßte die suffisance sei¬<lb/>
nes Wesens im Verlauf seines Werkes stark erschüttert werden. Die Führer der<lb/>
Revolution haben sich als unfähig bewiesen, sie zu bändigen, wie sie zu leiten;<lb/>
das Militär hat dem wilden französischen Gaul Zügel und Gebiß angelegt. Die<lb/>
Vertreter des Volks, hervorgegangen aus dem allgemeinen Stimmrecht, haben<lb/>
gegen die Revolution Protest eingelegt, die träumerische rothe Fahne der absolu¬<lb/>
ten Republik liegt zerfetzt unter den Trümmern des alten Königthums, ihre An¬<lb/>
hänger weilen im Kerker oder in der Verbannung, und die Tricolore breitet sich<lb/>
nur uoch wie ein matter Flor über deu Silberglanz der weißen Lilien. Noch hallt<lb/>
der Kanonendonner von Rom, der die Vernichtung der Republik durch ein fran¬<lb/>
zösisches Heer, die Restauration des Nachfolgers Christi deu Völkern verkündet.<lb/>
Vielleicht wird noch der Tag kommen, wo Lamartine sich seiner Jngend erinnert,<lb/>
wo er als loyaler Edelmann die Sache des alten Hauses vertrat, und er wird<lb/>
seine Lyra wieder hervorsuchen und ein Lied anstimmen zur Feier der schönen<lb/>
Frau, für deren mütterliche Rechte er mit so ritterlicher Galanterie in die Schran¬<lb/>
ken getreten ist, bis er sie im entscheidenden Augenblick der Republik opfert, oder<lb/>
für die andere, mehr legitime und mehr romantische Fürstin, deren Beschimpfung<lb/>
durch das Juliköniglhmn er als einen der moralischen Gründe angeführt hat, daß<lb/>
Louis Philipp gefallen ist. Schon meldete ein Blatt die Rückkehr der Herzogin<lb/>
von Berry, und die legitimistische Gazette de France begnügte sich mit der Er¬<lb/>
wiederung : i?-t8 vncore!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Schleswig-Holstein und Preußen.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_705"> Das Blatt hat es vermieden, den ersten Schrei des Unwillens über den preu¬<lb/>
ßischen Vertrag mit Dänemark zu wiederholen; es ist schwer besonnen zu sein,<lb/>
wenn die Nöthe der Schaam auf den Wangen liegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_706" next="#ID_707"> Die Tagespresse hat ihre Pflicht gethan, die Bedingungen des Waffenstill-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0219] Pointe fehlte noch. Lamartine fand sie, indem er auf Abschaffung der Todes¬ strafe antrug. Ich habe den Inhalt des Werkes, der viel zu denken gibt, nur oberflächlich berührt, um ihn wieder aufzunehmen, sobald eine Fortsetzung dieses denkwürdigen Beitrags zu den Verwirrungen unsers Jahrhunderts uns vorliegt. Wenn Lamartine nicht seiner ganzen Natur nach zu sanguinisch wäre, nicht zu geneigt, in die unmittelbaren Zustände und Stimmungen völlig aufzugehen, um den scharfen Kontrast der Gegenwart und VcrganAcnheit mit dem Ernst zu empfinden, wie er einem tragischen Conflict geziemt, so müßte die suffisance sei¬ nes Wesens im Verlauf seines Werkes stark erschüttert werden. Die Führer der Revolution haben sich als unfähig bewiesen, sie zu bändigen, wie sie zu leiten; das Militär hat dem wilden französischen Gaul Zügel und Gebiß angelegt. Die Vertreter des Volks, hervorgegangen aus dem allgemeinen Stimmrecht, haben gegen die Revolution Protest eingelegt, die träumerische rothe Fahne der absolu¬ ten Republik liegt zerfetzt unter den Trümmern des alten Königthums, ihre An¬ hänger weilen im Kerker oder in der Verbannung, und die Tricolore breitet sich nur uoch wie ein matter Flor über deu Silberglanz der weißen Lilien. Noch hallt der Kanonendonner von Rom, der die Vernichtung der Republik durch ein fran¬ zösisches Heer, die Restauration des Nachfolgers Christi deu Völkern verkündet. Vielleicht wird noch der Tag kommen, wo Lamartine sich seiner Jngend erinnert, wo er als loyaler Edelmann die Sache des alten Hauses vertrat, und er wird seine Lyra wieder hervorsuchen und ein Lied anstimmen zur Feier der schönen Frau, für deren mütterliche Rechte er mit so ritterlicher Galanterie in die Schran¬ ken getreten ist, bis er sie im entscheidenden Augenblick der Republik opfert, oder für die andere, mehr legitime und mehr romantische Fürstin, deren Beschimpfung durch das Juliköniglhmn er als einen der moralischen Gründe angeführt hat, daß Louis Philipp gefallen ist. Schon meldete ein Blatt die Rückkehr der Herzogin von Berry, und die legitimistische Gazette de France begnügte sich mit der Er¬ wiederung : i?-t8 vncore! Schleswig-Holstein und Preußen. Das Blatt hat es vermieden, den ersten Schrei des Unwillens über den preu¬ ßischen Vertrag mit Dänemark zu wiederholen; es ist schwer besonnen zu sein, wenn die Nöthe der Schaam auf den Wangen liegt. Die Tagespresse hat ihre Pflicht gethan, die Bedingungen des Waffenstill-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/219
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/219>, abgerufen am 05.02.2025.