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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Der Ungar zerdrückt eine Thräne, er denkt an das frische Blut ans der Haide
und setzt sich links. ^

Der Deutsche aber hat in der letzten reichstagslosen Zeit die Politik Habs-
burgs am gründlichsten studirt, er setzt sich links.

Rechts sitzen einige schwarze Herrn aus Tyrol und etwelche Beamte aus allen
Provinzen. Nach drei Tagen ist die Kammer aufgelöst, denn das Ministerium hat die
Ueberzeugung gewonnen, daß sich mit dieser Versammlung nicht regieren läßt. Es
werden neue Wahlen ausgeschrieben. Sie fallen in demselben Sinne ans. Glau¬
ben Sie noch an ein einiges und -- constitutionelles Oestreich? -

"Ja wohl" werden Sie sagen "glaube ich daran. Der nüchternseinwollend"
Oestreicher hat an zwei Dinge vergessen. Es kauu ein anderes Ministerium oder
ein anderes Wahlgesetz an die Reihe kommen."

Wir wollen beide Fälle in Erwägung ziehn.

Das Ministerium Schwarzenberg-Bach tritt ab. Es wird angeklagt, ver¬
dammt, exilirt, geköpft oder meinetwegen pardvnirt. An seine Stelle kommt ein
Volksthümliches, d. h. Völkerthümliches, das Ideal eiues Ministeriums, das alle
Nationalitäten zufrieden stellt. Wir wollen Ihnen die Ministerliste entwerfen:

Aeußeres: Bathyany -- Lubomirsty -- Dobblhof. Inneres: Pillers-
dorf --Mamin. Finanzen: Kossuth. Krieg: Jellachich -- Pepe -- Dembinsky.
Justiz: Pinkas -- Smolka -- D^ak. Unterricht: Palacky -- Eötwös --
Feuchterslcbek. Handel: ein ruthenischer Banquier.

Sie lächeln über diese Combination, und daß ich so viel revolutionäre Ele¬
mente zusammengeklaubt habe, welche freilich wenig sür el" einiges Oestreich thun
werden, nachdem die meisten von ihnen so lange offen oder geheim die Waffen
gegen dasselbe geführt haben. Aber das ist ja eben der Knoten, daß die großen,
anerkannten, gefeierten, vergötterten Männer, welche die ungeheure Majorität der
nationalen repräsentiren, gegen das octrvyirte Gesammtöstreich stehn, und auf¬
hören würden, populär und mächtig zu sein, sobald sie Oestreich höher stellen als
ihr eigenes Volk. Es ist kein östreichisches Ministerium denkbar, das mit einer
Kammer voll Polen, Italienern und Ungarn östreichisch regieren kann. Oder wol^
kam Sie um Oestreich nicht zu opfern, die Freiheit auf den Biot legen und Met-
ternichs System wieder zu Ehren bringen? Dann freilich ist vieles möglich, aber
auch dann nicht alles. Ein Ministerium Metternich-Haynau wird auch den März
1848 nicht ungeschehen machen können. ' .

Zweiter Fall: Das Ministerium Schwarzenberg - Bach bleibt am N"der.
Bach wird zur Belohnung seiner Verdienste in den Grafenstand erhoben und er¬
hält ein uraltes Hoffräulein zur Gemahlin, für Schwarzenberg aber macht das
dankbare östreichische Volk eine Kollekte, um die 60,000 L. zu zahlen, die er in
England schuldig geblieben ist. Das Ministerium bleibt, und das Wahlgesetz
wird geändert.


Der Ungar zerdrückt eine Thräne, er denkt an das frische Blut ans der Haide
und setzt sich links. ^

Der Deutsche aber hat in der letzten reichstagslosen Zeit die Politik Habs-
burgs am gründlichsten studirt, er setzt sich links.

Rechts sitzen einige schwarze Herrn aus Tyrol und etwelche Beamte aus allen
Provinzen. Nach drei Tagen ist die Kammer aufgelöst, denn das Ministerium hat die
Ueberzeugung gewonnen, daß sich mit dieser Versammlung nicht regieren läßt. Es
werden neue Wahlen ausgeschrieben. Sie fallen in demselben Sinne ans. Glau¬
ben Sie noch an ein einiges und — constitutionelles Oestreich? -

„Ja wohl" werden Sie sagen „glaube ich daran. Der nüchternseinwollend«
Oestreicher hat an zwei Dinge vergessen. Es kauu ein anderes Ministerium oder
ein anderes Wahlgesetz an die Reihe kommen."

Wir wollen beide Fälle in Erwägung ziehn.

Das Ministerium Schwarzenberg-Bach tritt ab. Es wird angeklagt, ver¬
dammt, exilirt, geköpft oder meinetwegen pardvnirt. An seine Stelle kommt ein
Volksthümliches, d. h. Völkerthümliches, das Ideal eiues Ministeriums, das alle
Nationalitäten zufrieden stellt. Wir wollen Ihnen die Ministerliste entwerfen:

Aeußeres: Bathyany — Lubomirsty — Dobblhof. Inneres: Pillers-
dorf —Mamin. Finanzen: Kossuth. Krieg: Jellachich — Pepe — Dembinsky.
Justiz: Pinkas — Smolka — D^ak. Unterricht: Palacky — Eötwös —
Feuchterslcbek. Handel: ein ruthenischer Banquier.

Sie lächeln über diese Combination, und daß ich so viel revolutionäre Ele¬
mente zusammengeklaubt habe, welche freilich wenig sür el» einiges Oestreich thun
werden, nachdem die meisten von ihnen so lange offen oder geheim die Waffen
gegen dasselbe geführt haben. Aber das ist ja eben der Knoten, daß die großen,
anerkannten, gefeierten, vergötterten Männer, welche die ungeheure Majorität der
nationalen repräsentiren, gegen das octrvyirte Gesammtöstreich stehn, und auf¬
hören würden, populär und mächtig zu sein, sobald sie Oestreich höher stellen als
ihr eigenes Volk. Es ist kein östreichisches Ministerium denkbar, das mit einer
Kammer voll Polen, Italienern und Ungarn östreichisch regieren kann. Oder wol^
kam Sie um Oestreich nicht zu opfern, die Freiheit auf den Biot legen und Met-
ternichs System wieder zu Ehren bringen? Dann freilich ist vieles möglich, aber
auch dann nicht alles. Ein Ministerium Metternich-Haynau wird auch den März
1848 nicht ungeschehen machen können. ' .

Zweiter Fall: Das Ministerium Schwarzenberg - Bach bleibt am N"der.
Bach wird zur Belohnung seiner Verdienste in den Grafenstand erhoben und er¬
hält ein uraltes Hoffräulein zur Gemahlin, für Schwarzenberg aber macht das
dankbare östreichische Volk eine Kollekte, um die 60,000 L. zu zahlen, die er in
England schuldig geblieben ist. Das Ministerium bleibt, und das Wahlgesetz
wird geändert.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/200>, abgerufen am 10.02.2025.