Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.wie er jene als zweite verbesserte Auflage in Preußen erscheint, läßt bei der Per- Man wirft den liberalen Oestreichern vor, daß sie GesülMpolitik treiben, Jetzt baut man für dieses octroyirte Oestreich ein prachtvolles Stäudehaus Der Pole singt stille vor sich hin: "Noch ist Polen nicht verloren," und Der Italiener murmelt etwas von Brescia, schlägt ein Kreuz und setzt sich links. Der Nord - und Südslave will sich nicht zum zweiten Male narren lassen, er wie er jene als zweite verbesserte Auflage in Preußen erscheint, läßt bei der Per- Man wirft den liberalen Oestreichern vor, daß sie GesülMpolitik treiben, Jetzt baut man für dieses octroyirte Oestreich ein prachtvolles Stäudehaus Der Pole singt stille vor sich hin: „Noch ist Polen nicht verloren," und Der Italiener murmelt etwas von Brescia, schlägt ein Kreuz und setzt sich links. Der Nord - und Südslave will sich nicht zum zweiten Male narren lassen, er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279225"/> <p xml:id="ID_626" prev="#ID_625"> wie er jene als zweite verbesserte Auflage in Preußen erscheint, läßt bei der Per-<lb/> tinazität pes Ministeriums Manteuffel auch kein großes Resultat erwarten. Zu<lb/> erörtern, worin der Fehler liegt, ist nicht die Aufgabe dieser Zeilen. Woher es<lb/> aber kommt, daß die bevorzugte deutsche Presse in ihrem Urtheile über Oestreich<lb/> und speziell über den ungarischen Krieg in immer mehr verwickelte Jrrgänge der<lb/> Spekulation hiueiugcräth, das ist in wenig Worten gesagt. Es liegt der Grund<lb/> einfach darin, daß immer von „Oestreich" gesprochen wird. Wir empfehlen be¬<lb/> scheiden der deutschen Journalistik, diesen concreten Begriff jedesmal gewissenhaft<lb/> in seine Bestandtheile zu zerlegen und statt von „Oestceichern" lieber von „Polen,<lb/> Italienern, Czechen, Deutschen und Magyaren" zu sprechen. Geht dadurch anch<lb/> die Schönheit und Nundung mancher Periode verloren, die Klarheit des Räson-<lb/> nements wird durch dieses einfache stylistische Manöver unendlich viel gewinnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_627"> Man wirft den liberalen Oestreichern vor, daß sie GesülMpolitik treiben,<lb/> und sich hoch im romantischen Sattel so wohl gefallen, daß sie über ihre eigenen<lb/> Kornfelder lustig dahingallopircn. Man thut auch hierin den Oestreichern gewal-<lb/> tig Unrecht. Wir sind im Gegentheil ganz prosaische, nüchterne Analytiker, und<lb/> die Analyse führte uus zur Ueberzeugung, daß der Begriff Oestreich keinen Kör¬<lb/> per chemischer Wahlverwandschaft repräsentire, höchstens ein mechanisches Conglo-<lb/> merat, das durch einen Stoß in seine Bestandtheile zerfallen muß. Hätte Stadion<lb/> die Wage und den Neagenzkasten gewissenhaft zur Hand genommen, als er die<lb/> Verfassung octrvyirte, hätte er bei Abfassung seiner Memoires den von uns em¬<lb/> pfohlenen stylistischen Kunstgriff angewendet, er hätte nicht vctroyirt, am allerwe¬<lb/> nigsten aber hätte das Cabinet den Stoß selber führen dürfen — durch Herbei¬<lb/> ziehe» der Nüssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_628"> Jetzt baut man für dieses octroyirte Oestreich ein prachtvolles Stäudehaus<lb/> auf der Bastei. Ein Schalk von Baumeister, der um den Preis des besten Pla¬<lb/> nes mitconkurrirte, wollte das Gebände nach Art des schiefen Thurmes von Pisa<lb/> ausgeführt wissen, aber mit der Neigung nach Rechts. Sonst, meinte er, könnten<lb/> anch die solidesten Quadern das Uebergewicht nach Links nicht auf die Dauer<lb/> aushalten. Und berauschen auch Sie sich jetzt einen Augenblick mit östreichischer<lb/> Nüchternheit. Denken Sie sich einen goldnen Frühlingsmorgen. Vom Balkone<lb/> des neuen Neichstagspallastes flattern schwarzgelbe Fahnen, und schmettern tausend<lb/> Trompeten. Das Volk jubelt, deun Ungarn und Italien hat sich für bezwungen<lb/> erklärt und die Vertreter aller Nationen ziehen paarweise in das Heiligthum ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_629"> Der Pole singt stille vor sich hin: „Noch ist Polen nicht verloren," und<lb/> setzt sich links.</p><lb/> <p xml:id="ID_630"> Der Italiener murmelt etwas von Brescia, schlägt ein Kreuz und setzt sich links.</p><lb/> <p xml:id="ID_631"> Der Nord - und Südslave will sich nicht zum zweiten Male narren lassen, er<lb/> lächelt hämisch und setzt sich links.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
wie er jene als zweite verbesserte Auflage in Preußen erscheint, läßt bei der Per-
tinazität pes Ministeriums Manteuffel auch kein großes Resultat erwarten. Zu
erörtern, worin der Fehler liegt, ist nicht die Aufgabe dieser Zeilen. Woher es
aber kommt, daß die bevorzugte deutsche Presse in ihrem Urtheile über Oestreich
und speziell über den ungarischen Krieg in immer mehr verwickelte Jrrgänge der
Spekulation hiueiugcräth, das ist in wenig Worten gesagt. Es liegt der Grund
einfach darin, daß immer von „Oestreich" gesprochen wird. Wir empfehlen be¬
scheiden der deutschen Journalistik, diesen concreten Begriff jedesmal gewissenhaft
in seine Bestandtheile zu zerlegen und statt von „Oestceichern" lieber von „Polen,
Italienern, Czechen, Deutschen und Magyaren" zu sprechen. Geht dadurch anch
die Schönheit und Nundung mancher Periode verloren, die Klarheit des Räson-
nements wird durch dieses einfache stylistische Manöver unendlich viel gewinnen.
Man wirft den liberalen Oestreichern vor, daß sie GesülMpolitik treiben,
und sich hoch im romantischen Sattel so wohl gefallen, daß sie über ihre eigenen
Kornfelder lustig dahingallopircn. Man thut auch hierin den Oestreichern gewal-
tig Unrecht. Wir sind im Gegentheil ganz prosaische, nüchterne Analytiker, und
die Analyse führte uus zur Ueberzeugung, daß der Begriff Oestreich keinen Kör¬
per chemischer Wahlverwandschaft repräsentire, höchstens ein mechanisches Conglo-
merat, das durch einen Stoß in seine Bestandtheile zerfallen muß. Hätte Stadion
die Wage und den Neagenzkasten gewissenhaft zur Hand genommen, als er die
Verfassung octrvyirte, hätte er bei Abfassung seiner Memoires den von uns em¬
pfohlenen stylistischen Kunstgriff angewendet, er hätte nicht vctroyirt, am allerwe¬
nigsten aber hätte das Cabinet den Stoß selber führen dürfen — durch Herbei¬
ziehe» der Nüssen.
Jetzt baut man für dieses octroyirte Oestreich ein prachtvolles Stäudehaus
auf der Bastei. Ein Schalk von Baumeister, der um den Preis des besten Pla¬
nes mitconkurrirte, wollte das Gebände nach Art des schiefen Thurmes von Pisa
ausgeführt wissen, aber mit der Neigung nach Rechts. Sonst, meinte er, könnten
anch die solidesten Quadern das Uebergewicht nach Links nicht auf die Dauer
aushalten. Und berauschen auch Sie sich jetzt einen Augenblick mit östreichischer
Nüchternheit. Denken Sie sich einen goldnen Frühlingsmorgen. Vom Balkone
des neuen Neichstagspallastes flattern schwarzgelbe Fahnen, und schmettern tausend
Trompeten. Das Volk jubelt, deun Ungarn und Italien hat sich für bezwungen
erklärt und die Vertreter aller Nationen ziehen paarweise in das Heiligthum ein.
Der Pole singt stille vor sich hin: „Noch ist Polen nicht verloren," und
setzt sich links.
Der Italiener murmelt etwas von Brescia, schlägt ein Kreuz und setzt sich links.
Der Nord - und Südslave will sich nicht zum zweiten Male narren lassen, er
lächelt hämisch und setzt sich links.
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