Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.zustand befinde, und wie jene ans die Barrikaden, so hatte sie sich aus die Ba- Ganz anders verhält es sich mit der constitutionellen Partei. Wenn z. B. Daß sie so handeln muß, verlangt nicht nur das formale Recht, sondern auch Man könnte freilich sagen, es stehe ja den Kammern frei, dieses schlechte Der Einwand, daß daraus eine Kammer hervorgehen würde, deren demokra- zustand befinde, und wie jene ans die Barrikaden, so hatte sie sich aus die Ba- Ganz anders verhält es sich mit der constitutionellen Partei. Wenn z. B. Daß sie so handeln muß, verlangt nicht nur das formale Recht, sondern auch Man könnte freilich sagen, es stehe ja den Kammern frei, dieses schlechte Der Einwand, daß daraus eine Kammer hervorgehen würde, deren demokra- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279201"/> <p xml:id="ID_547" prev="#ID_546"> zustand befinde, und wie jene ans die Barrikaden, so hatte sie sich aus die Ba-<lb/> jonnette berufen. Der Rechtsgrund der Demokraten, sich an den Wahlen nicht zu<lb/> betheiligen, konnte also nicht der formale sein, daß dadurch die Verfassung vom<lb/> 5. December verletzt war — denn diese hatten sie nicht anerkannt — sondern der<lb/> materielle, daß der Inhalt des neuen Wahlgesetzes den durch die Revolution be¬<lb/> haupteten Rechten des Volkes zuwider sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_548"> Ganz anders verhält es sich mit der constitutionellen Partei. Wenn z. B.<lb/> Vincke, wie erzählt wird, sich an den Wahlen gleichfalls nicht betheiligt hat, so<lb/> ist darin das Rechtsprincip, durch welches er sich in seiner Politik überhaupt lei¬<lb/> ten läßt, nicht zu verkeimen, und wir hoffen von den übrigen Constitutionellen<lb/> mit Zuversicht, daß sich ihre Theilnahme nicht auf den materiellen Gewinn grün¬<lb/> det, welcher der Partei durch den neuen Wahlmodus erwächst, sondern auf die<lb/> bestimmte Absicht, auf friedlichem Wege das verletzte Recht wieder herzustellen,<lb/> d. h. gegen die Regierung so lange Opposition zu machen, bis das alte Wahl¬<lb/> gesetz wieder in Kraft getreten ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_549"> Daß sie so handeln muß, verlangt nicht nur das formale Recht, sondern auch<lb/> die politische Vernunft. Denn es hat sich auf das Klarste herausgestellt, daß die<lb/> moderne Centuriatverfafsung eine Absurdität ist. Abgesehen davon, daß in dieser<lb/> Form die zweite Kammer nichts vorstellt, als eine verschlechterte Auflage der ersten,<lb/> daß es eine schreiende Ungerechtigkeit ist, wenn ein einzelner, hochbesteuerter Brant-<lb/> weinbrenner oder Bordellwirth einen bis zwei Wahlmänner ernennt, während sämmt¬<lb/> liche Richter, Lehrer, Geistliche mit den Bauern und Tagelöhnern zusammen selb 1000<lb/> gleichfalls nur Einen zu wählen haben, so wird auch das Princip, nach welchem das<lb/> ganze Gesetz entworfen sein soll, nicht erfüllt. Die drei Classen repräsentiren kei¬<lb/> neswegs drei verschiedene Bildungsstufen, ja bei dem verwickelten Steuersystem<lb/> nicht einmal drei Stufen des Besitzes, es macht sich nur der Zufall in ihnen gel¬<lb/> tend, u'ut die Bevorzugung der Eine» vor den Andern verstößt nicht nur gegen das<lb/> Recht, sondern auch gegen die politische Logik.</p><lb/> <p xml:id="ID_550"> Man könnte freilich sagen, es stehe ja den Kammern frei, dieses schlechte<lb/> Wahlgesetz zu amendircn. Aber dann hätten wir eine Rechtsgrundlage, die eben<lb/> fo fraglich und unsicher ist als alle frühern. Die so zusammengesetzte Kammer<lb/> hat so wenig das Recht, die Verfassung festzustellen, als das Ministerium, und ihr<lb/> Ausspruch würde auf die allgemeine Anerkennung, worauf es hier vor allem<lb/> ankommt, nicht von dem hinlänglichen Gewicht sein. Die Verwirrung in dem<lb/> Rechtsbewußtsein der Nation könnte dadurch nur noch größer werden. Es bleibt<lb/> nichts anderes übrig, als auf die letzte, anerkannte Form der Verfassung zu recur-<lb/> riren, deren Princip bereits in dem zweiten Vereinigten Landtag festgestellt und<lb/> bei den Wahlen zur Constituante festgehalten ist, und das im Wesentlichen mit<lb/> den von der Nationalversammlung vertretenen Grundsätzen übereinstimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_551" next="#ID_552"> Der Einwand, daß daraus eine Kammer hervorgehen würde, deren demokra-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0175]
zustand befinde, und wie jene ans die Barrikaden, so hatte sie sich aus die Ba-
jonnette berufen. Der Rechtsgrund der Demokraten, sich an den Wahlen nicht zu
betheiligen, konnte also nicht der formale sein, daß dadurch die Verfassung vom
5. December verletzt war — denn diese hatten sie nicht anerkannt — sondern der
materielle, daß der Inhalt des neuen Wahlgesetzes den durch die Revolution be¬
haupteten Rechten des Volkes zuwider sei.
Ganz anders verhält es sich mit der constitutionellen Partei. Wenn z. B.
Vincke, wie erzählt wird, sich an den Wahlen gleichfalls nicht betheiligt hat, so
ist darin das Rechtsprincip, durch welches er sich in seiner Politik überhaupt lei¬
ten läßt, nicht zu verkeimen, und wir hoffen von den übrigen Constitutionellen
mit Zuversicht, daß sich ihre Theilnahme nicht auf den materiellen Gewinn grün¬
det, welcher der Partei durch den neuen Wahlmodus erwächst, sondern auf die
bestimmte Absicht, auf friedlichem Wege das verletzte Recht wieder herzustellen,
d. h. gegen die Regierung so lange Opposition zu machen, bis das alte Wahl¬
gesetz wieder in Kraft getreten ist.
Daß sie so handeln muß, verlangt nicht nur das formale Recht, sondern auch
die politische Vernunft. Denn es hat sich auf das Klarste herausgestellt, daß die
moderne Centuriatverfafsung eine Absurdität ist. Abgesehen davon, daß in dieser
Form die zweite Kammer nichts vorstellt, als eine verschlechterte Auflage der ersten,
daß es eine schreiende Ungerechtigkeit ist, wenn ein einzelner, hochbesteuerter Brant-
weinbrenner oder Bordellwirth einen bis zwei Wahlmänner ernennt, während sämmt¬
liche Richter, Lehrer, Geistliche mit den Bauern und Tagelöhnern zusammen selb 1000
gleichfalls nur Einen zu wählen haben, so wird auch das Princip, nach welchem das
ganze Gesetz entworfen sein soll, nicht erfüllt. Die drei Classen repräsentiren kei¬
neswegs drei verschiedene Bildungsstufen, ja bei dem verwickelten Steuersystem
nicht einmal drei Stufen des Besitzes, es macht sich nur der Zufall in ihnen gel¬
tend, u'ut die Bevorzugung der Eine» vor den Andern verstößt nicht nur gegen das
Recht, sondern auch gegen die politische Logik.
Man könnte freilich sagen, es stehe ja den Kammern frei, dieses schlechte
Wahlgesetz zu amendircn. Aber dann hätten wir eine Rechtsgrundlage, die eben
fo fraglich und unsicher ist als alle frühern. Die so zusammengesetzte Kammer
hat so wenig das Recht, die Verfassung festzustellen, als das Ministerium, und ihr
Ausspruch würde auf die allgemeine Anerkennung, worauf es hier vor allem
ankommt, nicht von dem hinlänglichen Gewicht sein. Die Verwirrung in dem
Rechtsbewußtsein der Nation könnte dadurch nur noch größer werden. Es bleibt
nichts anderes übrig, als auf die letzte, anerkannte Form der Verfassung zu recur-
riren, deren Princip bereits in dem zweiten Vereinigten Landtag festgestellt und
bei den Wahlen zur Constituante festgehalten ist, und das im Wesentlichen mit
den von der Nationalversammlung vertretenen Grundsätzen übereinstimmt.
Der Einwand, daß daraus eine Kammer hervorgehen würde, deren demokra-
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