Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Preußische Briefe. Siebzehnter Vries. Prospect auf die neuen Kammern. Mit einer Consequenz, wie man sie nach den bisherigen Erscheinungen kaum In der Politik ist nichts gefährlicher als Unklarheit. Nur aus diesem Grunde Aber hatten denn die Demokraten jene Verfassung für rechtsgiltig anerkannt? Preußische Briefe. Siebzehnter Vries. Prospect auf die neuen Kammern. Mit einer Consequenz, wie man sie nach den bisherigen Erscheinungen kaum In der Politik ist nichts gefährlicher als Unklarheit. Nur aus diesem Grunde Aber hatten denn die Demokraten jene Verfassung für rechtsgiltig anerkannt? <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279200"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Preußische Briefe.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> Siebzehnter Vries.<lb/> Prospect auf die neuen Kammern.</head><lb/> <p xml:id="ID_544"> Mit einer Consequenz, wie man sie nach den bisherigen Erscheinungen kaum<lb/> hätte erwarten sollen, haben sich am 17. Juli die Demokraten der Wahlen ent¬<lb/> halten. Die wenigen Ausnahmen sind auf das Endresultat ohne allen Einfluß.<lb/> Auf der einen Seite wird nun darüber triumphirt, daß die Wahlen fast alle in<lb/> conservativen Sinn ausgefallen sind, auf der andern hält man mit eben so großem<lb/> Jubel den Gegnern das Verzeichniß der nichtwählenden entgegen, und sucht nach¬<lb/> zuweisen , daß sich bei weitem nicht die Hälfte der zur Wahl Berechtigte» an der¬<lb/> selben betheiligt habe. Hier und dort bestreitet man einzelne Posten der Rechnung,<lb/> aber bei dem Facit bleibt man stehen; was nun mit demselben weiter anzufangen<lb/> sei, darüber machen sich unsere werthen Politiker keine Gedanken.</p><lb/> <p xml:id="ID_545"> In der Politik ist nichts gefährlicher als Unklarheit. Nur aus diesem Grunde<lb/> muß ich das Verfahren der Demokraten angreifen. Gegen die Rechtmäßigkeit des¬<lb/> selben ist nichts einzuwenden. Denn der offenbare Rechtsbruch in der willkürlichen<lb/> Abänderung des Wahlgesetzes wurde um nichts kleiner durch die Versicherung der<lb/> Regierung, es sei eigentlich das alte, weil es auf Urwähler bastre, und es seien<lb/> nur einige Formalien anders geworden. Es war diese Versicherung vielmehr ein<lb/> Hohn gegen den gefunden Menschenverstand und gegen das Rechtsgefühl des Vol¬<lb/> kes, und für diejenigen, welche die preußische Verfassung vom 5. De¬<lb/> cember für rechts giltig anerkannten, war der Schritt des Ministeriums<lb/> eine schwere Rechtsverletzung, welche in gewöhnlichen Zeiten die Strafe des Hoch¬<lb/> verraths treffen müßte.</p><lb/> <p xml:id="ID_546" next="#ID_547"> Aber hatten denn die Demokraten jene Verfassung für rechtsgiltig anerkannt?<lb/> Im Gegentheil! Selbst nach dem Ausspruch der Kammer in der Adresse, durch<lb/> den sie für diejenigen, welche sich gegen die einseitige Verleihung sträubten, die<lb/> nachträglich Rechtsverbindlichkeit erhalten sollte, erklärten die Hauptsprecher der<lb/> Opposition, daß sie sich in keiner Weise dnrch die Majorität gebunden fehlten.<lb/> Schon damals hätten sie sich von den Wahlen ausgeschlossen, wenn sie nicht den<lb/> einen Theil der Verfassung, das Wahlgesetz, für rechtmäßig anerkannt hätten:<lb/> nicht als ein Geschenk der Regierung, sondern als ein immanentes Recht des Vol¬<lb/> kes, zur Wahrheit geworden in der großen Revolution des 18. März. Den De¬<lb/> mokraten gegenüber war also die Schuld der Regierung kleiner: sie hat die Ansicht<lb/> derselben cicceptirt, daß man sich nicht im Zustand des Rechts, sondern im Kriegs-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0174]
Preußische Briefe.
Siebzehnter Vries.
Prospect auf die neuen Kammern.
Mit einer Consequenz, wie man sie nach den bisherigen Erscheinungen kaum
hätte erwarten sollen, haben sich am 17. Juli die Demokraten der Wahlen ent¬
halten. Die wenigen Ausnahmen sind auf das Endresultat ohne allen Einfluß.
Auf der einen Seite wird nun darüber triumphirt, daß die Wahlen fast alle in
conservativen Sinn ausgefallen sind, auf der andern hält man mit eben so großem
Jubel den Gegnern das Verzeichniß der nichtwählenden entgegen, und sucht nach¬
zuweisen , daß sich bei weitem nicht die Hälfte der zur Wahl Berechtigte» an der¬
selben betheiligt habe. Hier und dort bestreitet man einzelne Posten der Rechnung,
aber bei dem Facit bleibt man stehen; was nun mit demselben weiter anzufangen
sei, darüber machen sich unsere werthen Politiker keine Gedanken.
In der Politik ist nichts gefährlicher als Unklarheit. Nur aus diesem Grunde
muß ich das Verfahren der Demokraten angreifen. Gegen die Rechtmäßigkeit des¬
selben ist nichts einzuwenden. Denn der offenbare Rechtsbruch in der willkürlichen
Abänderung des Wahlgesetzes wurde um nichts kleiner durch die Versicherung der
Regierung, es sei eigentlich das alte, weil es auf Urwähler bastre, und es seien
nur einige Formalien anders geworden. Es war diese Versicherung vielmehr ein
Hohn gegen den gefunden Menschenverstand und gegen das Rechtsgefühl des Vol¬
kes, und für diejenigen, welche die preußische Verfassung vom 5. De¬
cember für rechts giltig anerkannten, war der Schritt des Ministeriums
eine schwere Rechtsverletzung, welche in gewöhnlichen Zeiten die Strafe des Hoch¬
verraths treffen müßte.
Aber hatten denn die Demokraten jene Verfassung für rechtsgiltig anerkannt?
Im Gegentheil! Selbst nach dem Ausspruch der Kammer in der Adresse, durch
den sie für diejenigen, welche sich gegen die einseitige Verleihung sträubten, die
nachträglich Rechtsverbindlichkeit erhalten sollte, erklärten die Hauptsprecher der
Opposition, daß sie sich in keiner Weise dnrch die Majorität gebunden fehlten.
Schon damals hätten sie sich von den Wahlen ausgeschlossen, wenn sie nicht den
einen Theil der Verfassung, das Wahlgesetz, für rechtmäßig anerkannt hätten:
nicht als ein Geschenk der Regierung, sondern als ein immanentes Recht des Vol¬
kes, zur Wahrheit geworden in der großen Revolution des 18. März. Den De¬
mokraten gegenüber war also die Schuld der Regierung kleiner: sie hat die Ansicht
derselben cicceptirt, daß man sich nicht im Zustand des Rechts, sondern im Kriegs-
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