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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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was ihn seitdem veranlaßte, sich "Ritter" (Ovalere) zu nennen, eine Eitelkeit,
die er nnr mit Spontini und einigen andern theilt.

In dem nun folgenden Kölnischen Streit hat Bunsen eine, wie es scheint,
etwas zweideutige Rolle gespielt. Er kam zur Ausführung des im Zahr 1830
von Preußen mit der römischen Curie vereinbarten und absichtlich doppelsinnig
abgefaßten Breve's über die gemischten Ehen im Jahr 1834 nach Berlin, und
ging von da, nachdem er mit dem Minister v. Alten stein die erforderliche Rück¬
sprache genommen, nach Koblenz. Hier schloß er mit dem damaligen freisinnigen
Erzbischof von Köln, Graf Spiegel, mit dem Bischof v. Hammer von Trier
und dem Bischof Droste von Münster (Bruder des Clemens August v. Droste)
den bekannten Vertrag über die Interpretation jenes Breve's. Diese Ueberein-
kunft sollte verabredetermaßen tiefes Geheimniß bleiben, was man mit unbe¬
greiflicher Naivetät also für möglich gehalten haben muß! Bald genug wurde
die Existenz dieses geheimen Vertrags durch das unter Leitung des Bischofs
v. Bommel in Lüttich erscheinende ^ourml! lüstori^no ac I^.le<;v verrathen, und
in Folge davon entstand der Kölnische Streit. Die Curie durste die mit den
Bischöfen verabredete Interpretation, die sie insgeheim zugestanden, öffentlich
nicht billigen und fragte Herrn Bunsen, ob er d lesen Vertrag geschlossen. Bunsen
stellte das in Abrede--- weil im Journal cle ^le^e einige Nebenpunkte
unrichtig angegeben waren! In Folge des Conflictes kam Bunsen, der seit seinem
ersten Austreten in Berlin mit dem "Cirkel der Wilhelmsstraße," namentlich mit
Herrn v. Thile und mit Eichhorn eng liirt war, im Jahr 1837 wieder nach
Berlin. Nach Rom zurückkehrend, ging er über Wien, um die Vermittlung des
östreichischen Hofes nachzusuchen. Hier sprach er sich noch sehr muthig und mit
der festen Zuversicht auf eiuen günstigen Ausgang des Streites mit Rom ans.
Kaum war er aber über Trieft nach Ankona gekommen, so erfuhr er aus der A.
A. Z. den Pöbelaufstaud zu Münster. Dieser entmuthigte ihn so gänzlich, daß
er die von den Gegnern alsbald mit triumphirender Miene veröffentlichte demü¬
thige Note an den päbstlichen Hof richtete, welche seine plötzliche Abberufung zur
unvermeidlichen Folge hatte. Er würde wahrscheinlich ganz pensionirt worden sein,
wenn nicht die Vermittlung seines hohen Gönners, des Kronprinzen, ihm den
unschuldigen Gesandtschaftsposten bei der Schweiz verschafft hätte. Daselbst blieb
er etwa drei Jahre, hauptsächlich beschäftigt mit Stiftung von Kleinkinderbewahr-
cmstalten und andern frommen Geschäften, wozu die Nähe von Basel reiche Ver¬
anlassung darbot.

Begreiflicherweise fand sein Ehrgeiz unter den Schweizer Bauern keine son¬
derliche Befriedigung. Auf einer Reise nach Berlin legte er dem jetzigen König
den unglücklichen Gedanken eines evangelischen Bisthums zu Jerusalem ius Ohr,
und wußte sich in dieser Angelegenheit eine Spccialmisston nach London zu ver¬
schaffen, wo er als außerordentlicher Gesandter der preußischen Krone nicht etwa


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was ihn seitdem veranlaßte, sich „Ritter" (Ovalere) zu nennen, eine Eitelkeit,
die er nnr mit Spontini und einigen andern theilt.

In dem nun folgenden Kölnischen Streit hat Bunsen eine, wie es scheint,
etwas zweideutige Rolle gespielt. Er kam zur Ausführung des im Zahr 1830
von Preußen mit der römischen Curie vereinbarten und absichtlich doppelsinnig
abgefaßten Breve's über die gemischten Ehen im Jahr 1834 nach Berlin, und
ging von da, nachdem er mit dem Minister v. Alten stein die erforderliche Rück¬
sprache genommen, nach Koblenz. Hier schloß er mit dem damaligen freisinnigen
Erzbischof von Köln, Graf Spiegel, mit dem Bischof v. Hammer von Trier
und dem Bischof Droste von Münster (Bruder des Clemens August v. Droste)
den bekannten Vertrag über die Interpretation jenes Breve's. Diese Ueberein-
kunft sollte verabredetermaßen tiefes Geheimniß bleiben, was man mit unbe¬
greiflicher Naivetät also für möglich gehalten haben muß! Bald genug wurde
die Existenz dieses geheimen Vertrags durch das unter Leitung des Bischofs
v. Bommel in Lüttich erscheinende ^ourml! lüstori^no ac I^.le<;v verrathen, und
in Folge davon entstand der Kölnische Streit. Die Curie durste die mit den
Bischöfen verabredete Interpretation, die sie insgeheim zugestanden, öffentlich
nicht billigen und fragte Herrn Bunsen, ob er d lesen Vertrag geschlossen. Bunsen
stellte das in Abrede-— weil im Journal cle ^le^e einige Nebenpunkte
unrichtig angegeben waren! In Folge des Conflictes kam Bunsen, der seit seinem
ersten Austreten in Berlin mit dem „Cirkel der Wilhelmsstraße," namentlich mit
Herrn v. Thile und mit Eichhorn eng liirt war, im Jahr 1837 wieder nach
Berlin. Nach Rom zurückkehrend, ging er über Wien, um die Vermittlung des
östreichischen Hofes nachzusuchen. Hier sprach er sich noch sehr muthig und mit
der festen Zuversicht auf eiuen günstigen Ausgang des Streites mit Rom ans.
Kaum war er aber über Trieft nach Ankona gekommen, so erfuhr er aus der A.
A. Z. den Pöbelaufstaud zu Münster. Dieser entmuthigte ihn so gänzlich, daß
er die von den Gegnern alsbald mit triumphirender Miene veröffentlichte demü¬
thige Note an den päbstlichen Hof richtete, welche seine plötzliche Abberufung zur
unvermeidlichen Folge hatte. Er würde wahrscheinlich ganz pensionirt worden sein,
wenn nicht die Vermittlung seines hohen Gönners, des Kronprinzen, ihm den
unschuldigen Gesandtschaftsposten bei der Schweiz verschafft hätte. Daselbst blieb
er etwa drei Jahre, hauptsächlich beschäftigt mit Stiftung von Kleinkinderbewahr-
cmstalten und andern frommen Geschäften, wozu die Nähe von Basel reiche Ver¬
anlassung darbot.

Begreiflicherweise fand sein Ehrgeiz unter den Schweizer Bauern keine son¬
derliche Befriedigung. Auf einer Reise nach Berlin legte er dem jetzigen König
den unglücklichen Gedanken eines evangelischen Bisthums zu Jerusalem ius Ohr,
und wußte sich in dieser Angelegenheit eine Spccialmisston nach London zu ver¬
schaffen, wo er als außerordentlicher Gesandter der preußischen Krone nicht etwa


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/171>, abgerufen am 05.02.2025.