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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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die Universität, die kühngewölbte Geistesbrücke, die aus Karls Jahrhundert in
das unsrige hinübergeführt; im Hintergrunde als romantische Dekoratiouswand
der Hradschin, der vom andern Ufer mittelalterlich finster herut'erschaut -- und
zu unsern Füßen der Mvldaustrom, dieses murmelnde Orakel, welches in unver¬
ständlichen Monologen vvrüberranscht, als hätte man eine altböhmische Reimchronik
in die Wellen geworfen, aus der Ms nun die Moldaunympfe verworrene Sagen
erzählt.

Die Enthüllnngsfeier des Monuments und die conventionellen Festlichkeiten des
Jubeljahrs unterblieben bei den Stürmen des vorigen Jahres. Es ist so besser;
sie wären viel zu kleinlich ausgefallen, neben den gewaltigen Ereignissen, die das
Jahr 1848 zum Ueberfluß markirten.

Der Schöpfer dieses Kunstwerkes ist der Bildhauer I. C. Hähnel ans
Dresden, durch das Beethoven-Monument zu Bonn hinreichend bekannt. Er ließ
es an geistreicher Conception und äußerst sorgfältiger Ausführung auch bei diesem
Werke seiner Hand nicht fehlen und bemühte sich mit lobenswerther Gewissenhaf¬
tigkeit, durch ein genaues Studium der Zeit Karls IV. und der vorhandenen
Portraite (namentlich der Büste an der Prager Domkirche und mehrerer Fresken
zu Prag und Nürnberg) das wahrhafte Bild des Kaisers von den Todten zu erwecken.

Der Kaiser steht nach seiner gewohnten Weise sanft nach vorne geneigt und
bietet uns mit einem gewinnenden Lächeln den Stiftungsbrief der Universität in
der rechten Hand dar, während er die Lin?e nachlässig und leicht in seine Hüfte
stutzt. In seinem weichlächelndcn Gesichte vermissen wir keinen jener individuellen
Züge, die uns ans gelungenen Portraits geläufig siud, aber auch uicht jenen
idealen Anhauch, mit dem der Pygmalionskuß der Kunst die starre Gestalt beseelt.
Eben so treu, wie der Typus und die Haltung, ist auch die zeitgemäße Ausstat¬
tung des Kostüms. Eine geschmackvolle, reichverzierte HauSlrone, unter der die
langen Haare reichlich hervorwallen, bedeckt das Haupt; der kostbare, durch eine
Schließe zusammengehaltene Mantel von schwerem Stoffe ist in natürlichem Falten^
wurf umgeschlagen; ein mit reichen Ornamenten geziertes Wehrgehänge schließt sich
an den GürK-l des Untergewandes an und trägt ein mächtiges Nitterschwert.

So wie sich das Fleisch mit dem Himmel durch einzelne gute Werke, durch
Gebete und Opfer nach der religiöse" Anschauung des Mittelalters abzufinden
wußte, so versöhnt sich hier ans ähnliche Weise das unmittelbare, empirische Da¬
sein mit den Forderungen des Ideals. Der Stiftungsbrief der Universität, den
der Kaiser mildlächelnd in der Hand hält, sichert ihm den Eintritt in das Pan¬
theon der christlichen Kunst.

Ich behaupte, daß wir, wenn ihm diese Urkunde aus der Hand genommen
würde, nicht mehr den milden Sonntag, der uus aus dem Lächeln seines Ant¬
litzes entgegeugelenchtet, mitfeiern könnten. Aber auch in diesem Falle wäre leicht
eine andere raüo snkliüeus dieses Lächelns zu finden. Wir könnten ihm eben so


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die Universität, die kühngewölbte Geistesbrücke, die aus Karls Jahrhundert in
das unsrige hinübergeführt; im Hintergrunde als romantische Dekoratiouswand
der Hradschin, der vom andern Ufer mittelalterlich finster herut'erschaut — und
zu unsern Füßen der Mvldaustrom, dieses murmelnde Orakel, welches in unver¬
ständlichen Monologen vvrüberranscht, als hätte man eine altböhmische Reimchronik
in die Wellen geworfen, aus der Ms nun die Moldaunympfe verworrene Sagen
erzählt.

Die Enthüllnngsfeier des Monuments und die conventionellen Festlichkeiten des
Jubeljahrs unterblieben bei den Stürmen des vorigen Jahres. Es ist so besser;
sie wären viel zu kleinlich ausgefallen, neben den gewaltigen Ereignissen, die das
Jahr 1848 zum Ueberfluß markirten.

Der Schöpfer dieses Kunstwerkes ist der Bildhauer I. C. Hähnel ans
Dresden, durch das Beethoven-Monument zu Bonn hinreichend bekannt. Er ließ
es an geistreicher Conception und äußerst sorgfältiger Ausführung auch bei diesem
Werke seiner Hand nicht fehlen und bemühte sich mit lobenswerther Gewissenhaf¬
tigkeit, durch ein genaues Studium der Zeit Karls IV. und der vorhandenen
Portraite (namentlich der Büste an der Prager Domkirche und mehrerer Fresken
zu Prag und Nürnberg) das wahrhafte Bild des Kaisers von den Todten zu erwecken.

Der Kaiser steht nach seiner gewohnten Weise sanft nach vorne geneigt und
bietet uns mit einem gewinnenden Lächeln den Stiftungsbrief der Universität in
der rechten Hand dar, während er die Lin?e nachlässig und leicht in seine Hüfte
stutzt. In seinem weichlächelndcn Gesichte vermissen wir keinen jener individuellen
Züge, die uns ans gelungenen Portraits geläufig siud, aber auch uicht jenen
idealen Anhauch, mit dem der Pygmalionskuß der Kunst die starre Gestalt beseelt.
Eben so treu, wie der Typus und die Haltung, ist auch die zeitgemäße Ausstat¬
tung des Kostüms. Eine geschmackvolle, reichverzierte HauSlrone, unter der die
langen Haare reichlich hervorwallen, bedeckt das Haupt; der kostbare, durch eine
Schließe zusammengehaltene Mantel von schwerem Stoffe ist in natürlichem Falten^
wurf umgeschlagen; ein mit reichen Ornamenten geziertes Wehrgehänge schließt sich
an den GürK-l des Untergewandes an und trägt ein mächtiges Nitterschwert.

So wie sich das Fleisch mit dem Himmel durch einzelne gute Werke, durch
Gebete und Opfer nach der religiöse» Anschauung des Mittelalters abzufinden
wußte, so versöhnt sich hier ans ähnliche Weise das unmittelbare, empirische Da¬
sein mit den Forderungen des Ideals. Der Stiftungsbrief der Universität, den
der Kaiser mildlächelnd in der Hand hält, sichert ihm den Eintritt in das Pan¬
theon der christlichen Kunst.

Ich behaupte, daß wir, wenn ihm diese Urkunde aus der Hand genommen
würde, nicht mehr den milden Sonntag, der uus aus dem Lächeln seines Ant¬
litzes entgegeugelenchtet, mitfeiern könnten. Aber auch in diesem Falle wäre leicht
eine andere raüo snkliüeus dieses Lächelns zu finden. Wir könnten ihm eben so


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[0163] die Universität, die kühngewölbte Geistesbrücke, die aus Karls Jahrhundert in das unsrige hinübergeführt; im Hintergrunde als romantische Dekoratiouswand der Hradschin, der vom andern Ufer mittelalterlich finster herut'erschaut — und zu unsern Füßen der Mvldaustrom, dieses murmelnde Orakel, welches in unver¬ ständlichen Monologen vvrüberranscht, als hätte man eine altböhmische Reimchronik in die Wellen geworfen, aus der Ms nun die Moldaunympfe verworrene Sagen erzählt. Die Enthüllnngsfeier des Monuments und die conventionellen Festlichkeiten des Jubeljahrs unterblieben bei den Stürmen des vorigen Jahres. Es ist so besser; sie wären viel zu kleinlich ausgefallen, neben den gewaltigen Ereignissen, die das Jahr 1848 zum Ueberfluß markirten. Der Schöpfer dieses Kunstwerkes ist der Bildhauer I. C. Hähnel ans Dresden, durch das Beethoven-Monument zu Bonn hinreichend bekannt. Er ließ es an geistreicher Conception und äußerst sorgfältiger Ausführung auch bei diesem Werke seiner Hand nicht fehlen und bemühte sich mit lobenswerther Gewissenhaf¬ tigkeit, durch ein genaues Studium der Zeit Karls IV. und der vorhandenen Portraite (namentlich der Büste an der Prager Domkirche und mehrerer Fresken zu Prag und Nürnberg) das wahrhafte Bild des Kaisers von den Todten zu erwecken. Der Kaiser steht nach seiner gewohnten Weise sanft nach vorne geneigt und bietet uns mit einem gewinnenden Lächeln den Stiftungsbrief der Universität in der rechten Hand dar, während er die Lin?e nachlässig und leicht in seine Hüfte stutzt. In seinem weichlächelndcn Gesichte vermissen wir keinen jener individuellen Züge, die uns ans gelungenen Portraits geläufig siud, aber auch uicht jenen idealen Anhauch, mit dem der Pygmalionskuß der Kunst die starre Gestalt beseelt. Eben so treu, wie der Typus und die Haltung, ist auch die zeitgemäße Ausstat¬ tung des Kostüms. Eine geschmackvolle, reichverzierte HauSlrone, unter der die langen Haare reichlich hervorwallen, bedeckt das Haupt; der kostbare, durch eine Schließe zusammengehaltene Mantel von schwerem Stoffe ist in natürlichem Falten^ wurf umgeschlagen; ein mit reichen Ornamenten geziertes Wehrgehänge schließt sich an den GürK-l des Untergewandes an und trägt ein mächtiges Nitterschwert. So wie sich das Fleisch mit dem Himmel durch einzelne gute Werke, durch Gebete und Opfer nach der religiöse» Anschauung des Mittelalters abzufinden wußte, so versöhnt sich hier ans ähnliche Weise das unmittelbare, empirische Da¬ sein mit den Forderungen des Ideals. Der Stiftungsbrief der Universität, den der Kaiser mildlächelnd in der Hand hält, sichert ihm den Eintritt in das Pan¬ theon der christlichen Kunst. Ich behaupte, daß wir, wenn ihm diese Urkunde aus der Hand genommen würde, nicht mehr den milden Sonntag, der uus aus dem Lächeln seines Ant¬ litzes entgegeugelenchtet, mitfeiern könnten. Aber auch in diesem Falle wäre leicht eine andere raüo snkliüeus dieses Lächelns zu finden. Wir könnten ihm eben so 20*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/163>, abgerufen am 05.02.2025.