Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.gut eine Blume in die Hand legen, die er einem spielenden Kinde darreicht, oder Auf 4 schlanken Säulchen, die an den abgefallen Ecken des Postamentes an¬ gut eine Blume in die Hand legen, die er einem spielenden Kinde darreicht, oder Auf 4 schlanken Säulchen, die an den abgefallen Ecken des Postamentes an¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279190"/> <p xml:id="ID_514" prev="#ID_513"> gut eine Blume in die Hand legen, die er einem spielenden Kinde darreicht, oder<lb/> eine milde Gabe, die er in edler Freudigkeit, der Vorschrift der Kirche gemäß,<lb/> einem Armen spendet, der ihn eben um ein Almosen ansieht. So meisterhaft ist<lb/> die Arbeit des Künstlers und doch steht dieser Kaiser fremd da, inmitten eines<lb/> fremden Geschlechtes. Das weiche, fast süßliche Lächeln, welches um den Mund<lb/> des klugen Karls spielte, ist es ein guter Vorwurf für die Sculptur? Paßt der<lb/> historische Karl IV. zu einer Statur in großen Verhältnissen? Das Piedestal ist<lb/> mit vortrefflichen Sculpturen nud reichem architektonischen Schmucke verziert. An<lb/> den 4 Seiten desselben sitzen in 4 Nischen, die allegorisch personificirten Fakultäten<lb/> und deuten uns so den Inhalt jeuer Urkunde, die Karl IV. verschlossen in seiner<lb/> Hand hält. Sie sind meisterhaft charakterisirt und treten lebendig, in höchster<lb/> plastischer Bestimmtheit, ans dem farblosen Schattenreich der Allegorie heraus.<lb/> Die Theologie, die geweihte Sybille voll ascetischen Ernstes, sitzt da in der<lb/> heiligen Gewißheit des Glaubens, die Rechte mit dem Kreuze auf die Bibel<lb/> stützend, in der Linken das Buch des heiligen Thomas Aquin, das verzückte Auge<lb/> zum Himmel erhoben. Die Philosophie, die ernste Griechin, hat sich eben¬<lb/> falls aus der weltlichen Zerstreuung gesammelt und in-den ideellen Frieden des<lb/> Geistes zurückgezogen. Aber sie versenkt sich in das eigene Innere, um hier des<lb/> wirren Lebens Einheit zu finden. Statt der Verzückung des Betens finden wir<lb/> die bei ihr denkende Betrachtung, statt dem Kreuz und den heiligen Büchern eine<lb/> leuchtende Fackel und die Werke des Plato und Aristoteles. Der abstrakten In¬<lb/> nerlichkeit der Theologie und Philosophie stehen die beiden andern Fakultäten ge¬<lb/> genüber, die in praktischer Thätigkeit in die Weite der Welt hinausstreben. Die<lb/> Jurisprudenz, die ernste Römerin mit der Wage in der einen und den Nechts-<lb/> sammlnngen des Kaisers Justinianus in der andern Hand, deutet mit rücksichts¬<lb/> loser Strenge auf eine Gesetzesstelle und die Medizin, die Weltbürgerin, voll<lb/> allgemeiner Menschenliebe, mit dem unvermeidlichen Symbol der Schlange an der<lb/> Rechten und dem Buche des Hyppvkrates im Schooße, blickt Vertrauen einflößend<lb/> und zur Hilfe bereit vor sich hin. —</p><lb/> <p xml:id="ID_515"> Auf 4 schlanken Säulchen, die an den abgefallen Ecken des Postamentes an¬<lb/> gelehnt ruhen, befinden sich ebenso viele sehr sorgfältig ausgeführte und mit<lb/> größter historischer Genauigkeit behandelte Statuetten. Sie stellen 4 berühmte<lb/> Zeitgenossen dar, durch die in lebendiger Weise der Umfang und die Hauptrich-<lb/> tungen von Karls geistiger Thätigkeit veranschaulicht werden. An der andern<lb/> Seite rechts steht Ernest von Tardnbitz, der erste Kanzler der Universität, zur<lb/> Linken J-1n Ockv von Wlasjm Erzbischof von Prag; ans der Rückseite rechts der<lb/> ritterliche Beiles von Kolowrat, links der Erbauer des Prager Doms, Meister<lb/> Aras. Schlanke gothische Baldachine überdecken diese kleinen, in echt romantischen<lb/> Style gehaltenen Gebilde. Aehnliche Bilderdächer, nur reicher ornamentirt und<lb/> breiter ausgedehnt, erheben sich auch über den allegorischen Gestalten der Fakultäten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
gut eine Blume in die Hand legen, die er einem spielenden Kinde darreicht, oder
eine milde Gabe, die er in edler Freudigkeit, der Vorschrift der Kirche gemäß,
einem Armen spendet, der ihn eben um ein Almosen ansieht. So meisterhaft ist
die Arbeit des Künstlers und doch steht dieser Kaiser fremd da, inmitten eines
fremden Geschlechtes. Das weiche, fast süßliche Lächeln, welches um den Mund
des klugen Karls spielte, ist es ein guter Vorwurf für die Sculptur? Paßt der
historische Karl IV. zu einer Statur in großen Verhältnissen? Das Piedestal ist
mit vortrefflichen Sculpturen nud reichem architektonischen Schmucke verziert. An
den 4 Seiten desselben sitzen in 4 Nischen, die allegorisch personificirten Fakultäten
und deuten uns so den Inhalt jeuer Urkunde, die Karl IV. verschlossen in seiner
Hand hält. Sie sind meisterhaft charakterisirt und treten lebendig, in höchster
plastischer Bestimmtheit, ans dem farblosen Schattenreich der Allegorie heraus.
Die Theologie, die geweihte Sybille voll ascetischen Ernstes, sitzt da in der
heiligen Gewißheit des Glaubens, die Rechte mit dem Kreuze auf die Bibel
stützend, in der Linken das Buch des heiligen Thomas Aquin, das verzückte Auge
zum Himmel erhoben. Die Philosophie, die ernste Griechin, hat sich eben¬
falls aus der weltlichen Zerstreuung gesammelt und in-den ideellen Frieden des
Geistes zurückgezogen. Aber sie versenkt sich in das eigene Innere, um hier des
wirren Lebens Einheit zu finden. Statt der Verzückung des Betens finden wir
die bei ihr denkende Betrachtung, statt dem Kreuz und den heiligen Büchern eine
leuchtende Fackel und die Werke des Plato und Aristoteles. Der abstrakten In¬
nerlichkeit der Theologie und Philosophie stehen die beiden andern Fakultäten ge¬
genüber, die in praktischer Thätigkeit in die Weite der Welt hinausstreben. Die
Jurisprudenz, die ernste Römerin mit der Wage in der einen und den Nechts-
sammlnngen des Kaisers Justinianus in der andern Hand, deutet mit rücksichts¬
loser Strenge auf eine Gesetzesstelle und die Medizin, die Weltbürgerin, voll
allgemeiner Menschenliebe, mit dem unvermeidlichen Symbol der Schlange an der
Rechten und dem Buche des Hyppvkrates im Schooße, blickt Vertrauen einflößend
und zur Hilfe bereit vor sich hin. —
Auf 4 schlanken Säulchen, die an den abgefallen Ecken des Postamentes an¬
gelehnt ruhen, befinden sich ebenso viele sehr sorgfältig ausgeführte und mit
größter historischer Genauigkeit behandelte Statuetten. Sie stellen 4 berühmte
Zeitgenossen dar, durch die in lebendiger Weise der Umfang und die Hauptrich-
tungen von Karls geistiger Thätigkeit veranschaulicht werden. An der andern
Seite rechts steht Ernest von Tardnbitz, der erste Kanzler der Universität, zur
Linken J-1n Ockv von Wlasjm Erzbischof von Prag; ans der Rückseite rechts der
ritterliche Beiles von Kolowrat, links der Erbauer des Prager Doms, Meister
Aras. Schlanke gothische Baldachine überdecken diese kleinen, in echt romantischen
Style gehaltenen Gebilde. Aehnliche Bilderdächer, nur reicher ornamentirt und
breiter ausgedehnt, erheben sich auch über den allegorischen Gestalten der Fakultäten.
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