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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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terlandeS niedergelegt. Seine Prosa zeichnete sich durch das nnuntcrbrochne biedre
Pathos aus, dem wir bei den Oestreichern in der Regel begegnen, wenn sie sich
nicht zu humoristischen Da.übles ausgebildet haben, durch eine gelinde Neigung
zur Weitschweifigkeit, und durch ein hin und wieder mitten in den gründlichsten
Erguß des Unwillens eingeflochtenes poetisches Blümlein, wie es in Frankfurt
Fürst Lichuowski an ihm zu bewundern Gelegenheit fand. Diese literarische Be¬
schäftigung war übrigens sein sait>Jo; er war sehr empfindlich gegen jede, auch
die gelindeste Kritik, und darin ein Schrecken aller Redacteure.

Von Leipzig wandte er sich nach Stuttgart, um dort bei Crabbe seine Ge¬
schichte der östreichischen Censur herauszugeben, später nach Heidelberg, wo er
in Verbindung mit der deutscheu Zeitung trat, und sich an die Partei Gervinus
anschloß: eine Verbindung, die zu seinem politischen System vollkommen stimmte,
denn so bitter er in den Formen seiner Polemik war, so gemäßigt blieb der In¬
halt seiner politischen Ueberzeugung, und die kosmopolitische ^iilixie jivliticjuo deS
Donnersberges, dem er später angehörte, lag ihm damals so fern, als die phi¬
losophische Bildung, die Rüge in demselben zu vertreten suchte.

Seine Verbindung mit der deutschen Zeitung war die Veranlassung, daß er
nach dem Ausbruch der Februarrevolution zu der Versanunlnng der 51 Patnoten
gezogen wurde, die am 5. März zu Heidelberg zusammentrat, um die Grundlage
der künftigen deutschen Nationalvertretung, das Vorparlament, zu berathen. Da¬
mals war Wiesner's Stellung noch eine apokryphische, denn die kühnsten Hoffauu-
gen gingen damals noch nicht so weit, daß ein regcnerirtes Oestreich sich dem
neuen System anschließen könne.

Da kam der 14. März -- ein so unerwartetes und unglaubliches Factum,
daß die meisten östreichischen "Ausländer" die Bestnnnng verloren. Wiesner er¬
ließ in diesem Taumel ein Sendschreiben an ein Wiener Journal, in welchem der
Gruß deö gestimmten Deutschland dein nenerstandenen, herrlichen, freien Oestreich
mitgetheilt, und die Verheißung hinzugefügt wurde, ganz Deutschland sei bereit,
sich der Hegemonie dieses herrlichen Staats zu unterwerfen, und nur der Neid
der Preußen, die selber nicht den Muth gehabt hatten (-- es war vor dem 18. März--),
das zu unternehmen, was ihre so lange geschmähten und verachteten Nebenbuhler
auf das Herrlichste durchgeführt, störe die vollständige Einigkeit des Vaterlandes.

Unter diesen Auspicien kam das Vorparlament zusammen. Auch damals
war Wiesner der einzige Vertreter des regenerirtcn Oestreich, denn von einem
zweiten, Graf Bissingen, war die Abstammung zweifelhaft. Es war die Zeit, wo
in allen Städten Deutschlands die einzelnen zerstreuten Oestreicher im Triumph
herumgeführt wurden. Ein freier Oestreicher mit der schwarzrothgoldnen Schärpe
und dem Federhut war eine ganz neue Erscheinung. Es war im Vorparlament
wie in der Versammlung der Universitäten zu Jena, wie in den deutschen Vereinen
in Sachsen, alles, was Oestreicher war, mußte wenigstens einmal auf die Tri-


terlandeS niedergelegt. Seine Prosa zeichnete sich durch das nnuntcrbrochne biedre
Pathos aus, dem wir bei den Oestreichern in der Regel begegnen, wenn sie sich
nicht zu humoristischen Da.übles ausgebildet haben, durch eine gelinde Neigung
zur Weitschweifigkeit, und durch ein hin und wieder mitten in den gründlichsten
Erguß des Unwillens eingeflochtenes poetisches Blümlein, wie es in Frankfurt
Fürst Lichuowski an ihm zu bewundern Gelegenheit fand. Diese literarische Be¬
schäftigung war übrigens sein sait>Jo; er war sehr empfindlich gegen jede, auch
die gelindeste Kritik, und darin ein Schrecken aller Redacteure.

Von Leipzig wandte er sich nach Stuttgart, um dort bei Crabbe seine Ge¬
schichte der östreichischen Censur herauszugeben, später nach Heidelberg, wo er
in Verbindung mit der deutscheu Zeitung trat, und sich an die Partei Gervinus
anschloß: eine Verbindung, die zu seinem politischen System vollkommen stimmte,
denn so bitter er in den Formen seiner Polemik war, so gemäßigt blieb der In¬
halt seiner politischen Ueberzeugung, und die kosmopolitische ^iilixie jivliticjuo deS
Donnersberges, dem er später angehörte, lag ihm damals so fern, als die phi¬
losophische Bildung, die Rüge in demselben zu vertreten suchte.

Seine Verbindung mit der deutschen Zeitung war die Veranlassung, daß er
nach dem Ausbruch der Februarrevolution zu der Versanunlnng der 51 Patnoten
gezogen wurde, die am 5. März zu Heidelberg zusammentrat, um die Grundlage
der künftigen deutschen Nationalvertretung, das Vorparlament, zu berathen. Da¬
mals war Wiesner's Stellung noch eine apokryphische, denn die kühnsten Hoffauu-
gen gingen damals noch nicht so weit, daß ein regcnerirtes Oestreich sich dem
neuen System anschließen könne.

Da kam der 14. März — ein so unerwartetes und unglaubliches Factum,
daß die meisten östreichischen „Ausländer" die Bestnnnng verloren. Wiesner er¬
ließ in diesem Taumel ein Sendschreiben an ein Wiener Journal, in welchem der
Gruß deö gestimmten Deutschland dein nenerstandenen, herrlichen, freien Oestreich
mitgetheilt, und die Verheißung hinzugefügt wurde, ganz Deutschland sei bereit,
sich der Hegemonie dieses herrlichen Staats zu unterwerfen, und nur der Neid
der Preußen, die selber nicht den Muth gehabt hatten (— es war vor dem 18. März—),
das zu unternehmen, was ihre so lange geschmähten und verachteten Nebenbuhler
auf das Herrlichste durchgeführt, störe die vollständige Einigkeit des Vaterlandes.

Unter diesen Auspicien kam das Vorparlament zusammen. Auch damals
war Wiesner der einzige Vertreter des regenerirtcn Oestreich, denn von einem
zweiten, Graf Bissingen, war die Abstammung zweifelhaft. Es war die Zeit, wo
in allen Städten Deutschlands die einzelnen zerstreuten Oestreicher im Triumph
herumgeführt wurden. Ein freier Oestreicher mit der schwarzrothgoldnen Schärpe
und dem Federhut war eine ganz neue Erscheinung. Es war im Vorparlament
wie in der Versammlung der Universitäten zu Jena, wie in den deutschen Vereinen
in Sachsen, alles, was Oestreicher war, mußte wenigstens einmal auf die Tri-


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[0149] terlandeS niedergelegt. Seine Prosa zeichnete sich durch das nnuntcrbrochne biedre Pathos aus, dem wir bei den Oestreichern in der Regel begegnen, wenn sie sich nicht zu humoristischen Da.übles ausgebildet haben, durch eine gelinde Neigung zur Weitschweifigkeit, und durch ein hin und wieder mitten in den gründlichsten Erguß des Unwillens eingeflochtenes poetisches Blümlein, wie es in Frankfurt Fürst Lichuowski an ihm zu bewundern Gelegenheit fand. Diese literarische Be¬ schäftigung war übrigens sein sait>Jo; er war sehr empfindlich gegen jede, auch die gelindeste Kritik, und darin ein Schrecken aller Redacteure. Von Leipzig wandte er sich nach Stuttgart, um dort bei Crabbe seine Ge¬ schichte der östreichischen Censur herauszugeben, später nach Heidelberg, wo er in Verbindung mit der deutscheu Zeitung trat, und sich an die Partei Gervinus anschloß: eine Verbindung, die zu seinem politischen System vollkommen stimmte, denn so bitter er in den Formen seiner Polemik war, so gemäßigt blieb der In¬ halt seiner politischen Ueberzeugung, und die kosmopolitische ^iilixie jivliticjuo deS Donnersberges, dem er später angehörte, lag ihm damals so fern, als die phi¬ losophische Bildung, die Rüge in demselben zu vertreten suchte. Seine Verbindung mit der deutschen Zeitung war die Veranlassung, daß er nach dem Ausbruch der Februarrevolution zu der Versanunlnng der 51 Patnoten gezogen wurde, die am 5. März zu Heidelberg zusammentrat, um die Grundlage der künftigen deutschen Nationalvertretung, das Vorparlament, zu berathen. Da¬ mals war Wiesner's Stellung noch eine apokryphische, denn die kühnsten Hoffauu- gen gingen damals noch nicht so weit, daß ein regcnerirtes Oestreich sich dem neuen System anschließen könne. Da kam der 14. März — ein so unerwartetes und unglaubliches Factum, daß die meisten östreichischen „Ausländer" die Bestnnnng verloren. Wiesner er¬ ließ in diesem Taumel ein Sendschreiben an ein Wiener Journal, in welchem der Gruß deö gestimmten Deutschland dein nenerstandenen, herrlichen, freien Oestreich mitgetheilt, und die Verheißung hinzugefügt wurde, ganz Deutschland sei bereit, sich der Hegemonie dieses herrlichen Staats zu unterwerfen, und nur der Neid der Preußen, die selber nicht den Muth gehabt hatten (— es war vor dem 18. März—), das zu unternehmen, was ihre so lange geschmähten und verachteten Nebenbuhler auf das Herrlichste durchgeführt, störe die vollständige Einigkeit des Vaterlandes. Unter diesen Auspicien kam das Vorparlament zusammen. Auch damals war Wiesner der einzige Vertreter des regenerirtcn Oestreich, denn von einem zweiten, Graf Bissingen, war die Abstammung zweifelhaft. Es war die Zeit, wo in allen Städten Deutschlands die einzelnen zerstreuten Oestreicher im Triumph herumgeführt wurden. Ein freier Oestreicher mit der schwarzrothgoldnen Schärpe und dem Federhut war eine ganz neue Erscheinung. Es war im Vorparlament wie in der Versammlung der Universitäten zu Jena, wie in den deutschen Vereinen in Sachsen, alles, was Oestreicher war, mußte wenigstens einmal auf die Tri-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/149>, abgerufen am 05.02.2025.