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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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hunc, um den donnernden Applaus der Versammlung hinzunehmen. Konnte man
es ihnen verargen, wenn sich die Ansicht, sie seien doch eigentlich zur Leitung
Deutschlands berufen, bei ihnen wie ein Glaubensartikel festsetzte?

Mit welchem Gefühl Wiesner als der einzige Repräsentant dieses neuen herr¬
lichen Staats auftrat, läßt sich denken. Nur einige Beispiele. Schulz aus Darm¬
stadt hatte deu Antrag gestellt, die Wahlen in Oestreich den ständischen Versamm¬
lungen anheim zu geben, weil bei der großen Zahl roher slavischer Bauern von
den Urwähler kein gutes Resultat zu erwarten sei. Mit sittlicher Entrüstung trat
Wiesner auf die Tribüne ... es war sein nuutlvii-^oval!. "Der Redner hat seine
Bemerkungen über Oestreich damit begonnen, daß er eine ganze Classe Staats¬
bürger, die Bauern, als unfähig erklärte. Das ist eine Unbill, gegen die ich
protestire, die ich nicht dulde! (Factische Fragen durch das Gemüth erledigt!)
Wir sind lange genng in Deutschland verkannt worden, wir haben aber die Ver-
kennung ruhig ertragen. .. . Aber wir haben uus erhoben, und, allen Gefahren
spottend, die Freiheit auch uns errungen, -- wir haben gezeigt, daß wir mit der
Zeit vorgeschritten sind und uns auf die Hohe der Zeit zu schwingen wußten, trotz
Metternich und Sedlenitzky. Im Angesicht der Thatsachen, daß die Bürgerschaft
von Wien, daß die akademische Jugend Wiens ungeachtet der tausend Barrieren,
die sie vom Zeitgeist abzusperren suchten, so herrlich sich zeigte, ... kurz, daß
Oestreich zeigte, daß man es mißkannt hat, im Angesichte dieser Thatsachen u. s. w.
(Allgemeiner Beifall). . .. Wir müssen Aufrufe ergehen lassen und zwar an Jene,
die das Volk in den glorreichen Revolutionen in Prag, den geladenen Kanonen
und zu Wien, den ungarischen und italienischen Cürassiren gegenüber, anerkannt
hat, das werden die Männer des Vertrauens sein.... Dies wollte ich sagen,
um mein Oestreich, mein Vaterland, soviel als möglich zu vertreten." (Allgemei¬
ner donnernder Beifall.) -- So gemüthlich wurde damals Politik gemacht. --
"Man hat stets über Oestreich falsche Ansichten gehabt und in Deutschland geglaubt,
wenn wir in Oestreich eine Verfassung erhielten, so müsse der starke Koloß aus-
einanderbrechen und seine letzte Stunde habe geschlagen. Nun erfolgte die Revo¬
lution und es hat sich gezeigt, daß die einzelnen Provinzen ihrer Stellung bewußt
waren und fest aneinander hielten. Das ist meines Erachtens das größte Ereig-
niß, daß wir hier in's Auge fassen müssen. Diese Nationalität wird noch länger
zu ihrem eigenen Heil und zum Heil anderer zusammenhalten. Man muß aber
auch Anderen Gelegen heit g eben, sich anzuschließen. Die östreichische
Regierung wird dies begreifen und den Wahlen kein Hinderniß in den Weg le¬
gen." -- Wicsner wurde, als Oestreicher, unter allen Abgeordneten mit der
größten Stimmenzahl (457), in den Fünfziger-Ausschuß gewählt.

Als auf seinen Auftrag noch weitere sechs Oestreicher in denselben aufgenom¬
men wurden, statteten sie ihm im Namen Oestreichs ihren Dank ab. Er erwie¬
derte unter dem Bravo der Versammlung. Ueber seine weitere Thätigkeit in dem-


hunc, um den donnernden Applaus der Versammlung hinzunehmen. Konnte man
es ihnen verargen, wenn sich die Ansicht, sie seien doch eigentlich zur Leitung
Deutschlands berufen, bei ihnen wie ein Glaubensartikel festsetzte?

Mit welchem Gefühl Wiesner als der einzige Repräsentant dieses neuen herr¬
lichen Staats auftrat, läßt sich denken. Nur einige Beispiele. Schulz aus Darm¬
stadt hatte deu Antrag gestellt, die Wahlen in Oestreich den ständischen Versamm¬
lungen anheim zu geben, weil bei der großen Zahl roher slavischer Bauern von
den Urwähler kein gutes Resultat zu erwarten sei. Mit sittlicher Entrüstung trat
Wiesner auf die Tribüne ... es war sein nuutlvii-^oval!. „Der Redner hat seine
Bemerkungen über Oestreich damit begonnen, daß er eine ganze Classe Staats¬
bürger, die Bauern, als unfähig erklärte. Das ist eine Unbill, gegen die ich
protestire, die ich nicht dulde! (Factische Fragen durch das Gemüth erledigt!)
Wir sind lange genng in Deutschland verkannt worden, wir haben aber die Ver-
kennung ruhig ertragen. .. . Aber wir haben uus erhoben, und, allen Gefahren
spottend, die Freiheit auch uns errungen, -- wir haben gezeigt, daß wir mit der
Zeit vorgeschritten sind und uns auf die Hohe der Zeit zu schwingen wußten, trotz
Metternich und Sedlenitzky. Im Angesicht der Thatsachen, daß die Bürgerschaft
von Wien, daß die akademische Jugend Wiens ungeachtet der tausend Barrieren,
die sie vom Zeitgeist abzusperren suchten, so herrlich sich zeigte, ... kurz, daß
Oestreich zeigte, daß man es mißkannt hat, im Angesichte dieser Thatsachen u. s. w.
(Allgemeiner Beifall). . .. Wir müssen Aufrufe ergehen lassen und zwar an Jene,
die das Volk in den glorreichen Revolutionen in Prag, den geladenen Kanonen
und zu Wien, den ungarischen und italienischen Cürassiren gegenüber, anerkannt
hat, das werden die Männer des Vertrauens sein.... Dies wollte ich sagen,
um mein Oestreich, mein Vaterland, soviel als möglich zu vertreten." (Allgemei¬
ner donnernder Beifall.) — So gemüthlich wurde damals Politik gemacht. —
„Man hat stets über Oestreich falsche Ansichten gehabt und in Deutschland geglaubt,
wenn wir in Oestreich eine Verfassung erhielten, so müsse der starke Koloß aus-
einanderbrechen und seine letzte Stunde habe geschlagen. Nun erfolgte die Revo¬
lution und es hat sich gezeigt, daß die einzelnen Provinzen ihrer Stellung bewußt
waren und fest aneinander hielten. Das ist meines Erachtens das größte Ereig-
niß, daß wir hier in's Auge fassen müssen. Diese Nationalität wird noch länger
zu ihrem eigenen Heil und zum Heil anderer zusammenhalten. Man muß aber
auch Anderen Gelegen heit g eben, sich anzuschließen. Die östreichische
Regierung wird dies begreifen und den Wahlen kein Hinderniß in den Weg le¬
gen." — Wicsner wurde, als Oestreicher, unter allen Abgeordneten mit der
größten Stimmenzahl (457), in den Fünfziger-Ausschuß gewählt.

Als auf seinen Auftrag noch weitere sechs Oestreicher in denselben aufgenom¬
men wurden, statteten sie ihm im Namen Oestreichs ihren Dank ab. Er erwie¬
derte unter dem Bravo der Versammlung. Ueber seine weitere Thätigkeit in dem-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/150>, abgerufen am 05.02.2025.