Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.man nur diesen Einfluß zu beseitigen vermöchte, den Staat auf das beste zu ar- Erst seit einigen Jahren hat die deutsche Journalistik angefangen, sich mit Es war das so mehr anzuerkennen, als Wiesner noch kurze Zeit vorher mit 18*
man nur diesen Einfluß zu beseitigen vermöchte, den Staat auf das beste zu ar- Erst seit einigen Jahren hat die deutsche Journalistik angefangen, sich mit Es war das so mehr anzuerkennen, als Wiesner noch kurze Zeit vorher mit 18*
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man nur diesen Einfluß zu beseitigen vermöchte, den Staat auf das beste zu ar-
rangiren verstehn. Freilich gab es anch eine sehr zahlreiche Classe, die aus irgend
einem norddeutschen Compendium, das sich zufällig nach Wien verirrt hatte, sich
eine ebenso glänzende als unbestimmte Anschauung vom freien Staat gebildet hatte,
und glücklich im Bewußtsein, daß Oestreich diesem Bilde nicht entsprach, die
ganze Wirthschaft als faul und antiqnirt über den Haufen warf, und in der Er¬
wartung der kommenden Revolution sich inzwischen auf Theaterrecensionen und So¬
netten an die schwedische Nachtigall resiguirte. Die Mehrzahl dagegen — und
zu ihr gehörte auch Wiesuer — verfiel in das entgegengesetzte Extrem, so daß
in der erbitterten Opposition gegen alles Detail des Bestehenden zuletzt die Ueber¬
sicht über das Ganze und die Vorstellung von dem, was an die Stelle kommen
sollte, eine sehr schattenhafte wurde. Anstatt an die Revolution zu appelliren,
wie jene Thecitcrrecensenten, oder an die ständische Entwicklung der einzelnen Pro¬
vinzen, wie einige liberale Aristokraten, verlangte sie Reformen im Josephinischen
Sinne, ohne sich über den Zusammenhang derselben klar zu werden, da zu einer
energischen Reform des Staatslebens ein eben so festes und leitendes Prinzip ge¬
hört, als zu einer Revolution und eigentlich noch mehr. Die Frage, in wie weit
die eigenthümliche Beschaffenheit des östreichischen Staatencvmplexes die Durch¬
führung derjenigen Einrichtungen, die man mit dem Begriff des modernen Staats
verknüpft, ertragen könne, ohne derartige Conflicte, wie die Josephinischen Re¬
formen an ihnen scheiterten, mit Nothwendigkeit hervorzurufen, diese Frage legten
sie sich in der Regel gar nicht vor. Ja sie waren meist außer Stande, irgend
welche Antwort darauf zu ertheilen, da die Unkenntniß über die innern Verhält¬
nisse des östreichische» Staats ius Fabelhafte ging. Der ungarische Krieg ist
für die östreichischen Publicisten eine wahre Fundgrube politischer und geographi¬
scher Entdeckungen geworden.
Erst seit einigen Jahren hat die deutsche Journalistik angefangen, sich mit
Oestreich zu beschäftigen. Die Grenzboten waren vorzugsweise auf Oestreich be¬
rechnet, andere, wie der Leuchtthurm, folgten ihnen darin nach. Dadurch stieg
der Muth der Journalisten, und die Neigung, im Ausland für Oestreich die
Kräfte zu verwenden, die in der Heimath verkümmern mußten. Anfänglich hatte
die Polizei solchen Auswanderungen sehr ernsthafte Hindernisse in den Weg ge¬
legt, sie war aber mit der Zeit laxer geworden, und als Wiesner sein Gesuch
um einen Paß (in der ersten Hälfte des Jahres 47) damit begründete, daß ihm
Oestreich für seine publicistische Thätigkeit nicht den gehörigen Spielraum böte, so
legte man ihm keine Schwierigkeiten in den Weg.
Es war das so mehr anzuerkennen, als Wiesner noch kurze Zeit vorher mit
dem Gouvernement in einen nicht unerheblichen Conflict gekommen war. Der
rusfiche Staatsrath v. Tengoborski hatte, theilweise auf Veranlassung der östrei¬
chischen Negierung, eine Schrift veröffentlicht, worin er dnrch Vergleichung mit
18*
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