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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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da folgte ihr auf dem Fuße das Gerücht, v. d. Tann habe die Schmach gerächt
und die Verlornen Werke wieder gewonnen. Leider bestätigte es sich nicht, aber
es beweist doch die große Hoffnung und das Zutrauen, welche auf diesen Mann
gesetzt werden.

Und er verdient Vertrauen und Bewunderung. Von der Tann ist ein noch
junger Mann, höchstens vierunddreißig Jahre alt. Hoch und schlank gewachsen,
spricht sich in seinem blonden, offenen Gesicht, das mit großen blauen Augen
sicher und verständig in die Welt schaut, eine Biederkeit, Zuversicht und Humani¬
tät aus, welche Jeden augenblicklich einnehmen müssen. Seine hohe ernste Stirne
würde einem Phrenologen interessant sein müssen, seine scharf geschnittenen, fest
geschlossenen Lippen und der markige Bau seiner ganze" untere" Gesicktstheile
drücken unwidersprechlich Bestimmtheit, Entschlossenheit und große Willenskraft
aus. Ein Knebelbart und Schnurrbart, hellblond wie sein Haupthaar, verleihe"
den Zügen des tapferen Mannes das echte kriegerische Gepräge und die Narbe
einer tiefen Hiebwunde auf der linken Wange erhöht dasselbe. Er erhielt die letz¬
tere in einem ehrenvolle" Duell, desse" Veranlassung und Ende die edle Ritter¬
lichkeit des Mannes besiegeln würde, wenn es erlaubt wäre, die näheren Um¬
stände hier mitzutheilen. Von der Tann kann eine schöne Heldengestalt genannt
werden; oft, wen" er umwallt von dem weißen Reitermantel, Allen voranflvg
auf flüchtigem Reimer durch die braune Haide, hat er seine Kriegsgefährten an
die alten Tempelritter erinnert, die mit kleinem Häuflein den Tausenden der Sa¬
razenen furchtlos entgegcnzogen und den Barbaren zuerst Respekt einflößte", vor
deutschen Arm n"d deutschem Muth. Sei" Aeußeres verkündet einen vollkommen
abgeschlossenen, festen Charakter und eine nähere Bekanntschaft mit ihm be¬
stätigt diese Schlußfolge. Er ist einer jener seltenen Männer, die mit klarem
Blick sich von früh auf einen geraden Weg vorgezeichnet haben, welche" sie, allen
Hindernissen zum Trotz, stolz und unverrückt gehen, bis zum Ziele; eine Natur,
deren Stärke niemals so gebrochen werden kann, daß sie verzagte oder sich selbst
vergäße. Neben der unerschütterlichen Strenge und Thatkraft dieses Charakters,
wallet aber wiederum in ihm eine Milde und Zartheit, welche ihn eben so unend¬
lich liebenswürdig wie geachtet macht. Es scheint dies einer der Grundzüge echt
deutschen Wesens zu sei", welche wir mit andern Stämme" nur Seite" theilen
und es mag diese fast sonderbare Vereinigung der heterogensten Charaktereigen¬
schaften zu einem harmonischen Ganzen wohl als ein Vorzug gelten. Nicht oft
wird dieselbe so innigverschmolzen und nach außen abgerundet uns entgegentreten,
wie in von der Tann. Man muß diesen Mann im dichteu Kugelregen und an:
Bette der Verwundeten, im Qualm der Biwacht und im Damensalon gesehen
haben, um ihm alle die Bewunderung zollen zu könne", die er verdient. Es mag
sein, daß, wie viele behaupten, Ehrgeiz eine Haupttriebfeder seiner Handlungen,
seines ganzen Gebahrens sei -- jedenfalls ist das aber ein gerechtfertigter, edler


da folgte ihr auf dem Fuße das Gerücht, v. d. Tann habe die Schmach gerächt
und die Verlornen Werke wieder gewonnen. Leider bestätigte es sich nicht, aber
es beweist doch die große Hoffnung und das Zutrauen, welche auf diesen Mann
gesetzt werden.

Und er verdient Vertrauen und Bewunderung. Von der Tann ist ein noch
junger Mann, höchstens vierunddreißig Jahre alt. Hoch und schlank gewachsen,
spricht sich in seinem blonden, offenen Gesicht, das mit großen blauen Augen
sicher und verständig in die Welt schaut, eine Biederkeit, Zuversicht und Humani¬
tät aus, welche Jeden augenblicklich einnehmen müssen. Seine hohe ernste Stirne
würde einem Phrenologen interessant sein müssen, seine scharf geschnittenen, fest
geschlossenen Lippen und der markige Bau seiner ganze» untere» Gesicktstheile
drücken unwidersprechlich Bestimmtheit, Entschlossenheit und große Willenskraft
aus. Ein Knebelbart und Schnurrbart, hellblond wie sein Haupthaar, verleihe»
den Zügen des tapferen Mannes das echte kriegerische Gepräge und die Narbe
einer tiefen Hiebwunde auf der linken Wange erhöht dasselbe. Er erhielt die letz¬
tere in einem ehrenvolle» Duell, desse» Veranlassung und Ende die edle Ritter¬
lichkeit des Mannes besiegeln würde, wenn es erlaubt wäre, die näheren Um¬
stände hier mitzutheilen. Von der Tann kann eine schöne Heldengestalt genannt
werden; oft, wen» er umwallt von dem weißen Reitermantel, Allen voranflvg
auf flüchtigem Reimer durch die braune Haide, hat er seine Kriegsgefährten an
die alten Tempelritter erinnert, die mit kleinem Häuflein den Tausenden der Sa¬
razenen furchtlos entgegcnzogen und den Barbaren zuerst Respekt einflößte», vor
deutschen Arm n»d deutschem Muth. Sei» Aeußeres verkündet einen vollkommen
abgeschlossenen, festen Charakter und eine nähere Bekanntschaft mit ihm be¬
stätigt diese Schlußfolge. Er ist einer jener seltenen Männer, die mit klarem
Blick sich von früh auf einen geraden Weg vorgezeichnet haben, welche» sie, allen
Hindernissen zum Trotz, stolz und unverrückt gehen, bis zum Ziele; eine Natur,
deren Stärke niemals so gebrochen werden kann, daß sie verzagte oder sich selbst
vergäße. Neben der unerschütterlichen Strenge und Thatkraft dieses Charakters,
wallet aber wiederum in ihm eine Milde und Zartheit, welche ihn eben so unend¬
lich liebenswürdig wie geachtet macht. Es scheint dies einer der Grundzüge echt
deutschen Wesens zu sei», welche wir mit andern Stämme» nur Seite» theilen
und es mag diese fast sonderbare Vereinigung der heterogensten Charaktereigen¬
schaften zu einem harmonischen Ganzen wohl als ein Vorzug gelten. Nicht oft
wird dieselbe so innigverschmolzen und nach außen abgerundet uns entgegentreten,
wie in von der Tann. Man muß diesen Mann im dichteu Kugelregen und an:
Bette der Verwundeten, im Qualm der Biwacht und im Damensalon gesehen
haben, um ihm alle die Bewunderung zollen zu könne», die er verdient. Es mag
sein, daß, wie viele behaupten, Ehrgeiz eine Haupttriebfeder seiner Handlungen,
seines ganzen Gebahrens sei — jedenfalls ist das aber ein gerechtfertigter, edler


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[0143] da folgte ihr auf dem Fuße das Gerücht, v. d. Tann habe die Schmach gerächt und die Verlornen Werke wieder gewonnen. Leider bestätigte es sich nicht, aber es beweist doch die große Hoffnung und das Zutrauen, welche auf diesen Mann gesetzt werden. Und er verdient Vertrauen und Bewunderung. Von der Tann ist ein noch junger Mann, höchstens vierunddreißig Jahre alt. Hoch und schlank gewachsen, spricht sich in seinem blonden, offenen Gesicht, das mit großen blauen Augen sicher und verständig in die Welt schaut, eine Biederkeit, Zuversicht und Humani¬ tät aus, welche Jeden augenblicklich einnehmen müssen. Seine hohe ernste Stirne würde einem Phrenologen interessant sein müssen, seine scharf geschnittenen, fest geschlossenen Lippen und der markige Bau seiner ganze» untere» Gesicktstheile drücken unwidersprechlich Bestimmtheit, Entschlossenheit und große Willenskraft aus. Ein Knebelbart und Schnurrbart, hellblond wie sein Haupthaar, verleihe» den Zügen des tapferen Mannes das echte kriegerische Gepräge und die Narbe einer tiefen Hiebwunde auf der linken Wange erhöht dasselbe. Er erhielt die letz¬ tere in einem ehrenvolle» Duell, desse» Veranlassung und Ende die edle Ritter¬ lichkeit des Mannes besiegeln würde, wenn es erlaubt wäre, die näheren Um¬ stände hier mitzutheilen. Von der Tann kann eine schöne Heldengestalt genannt werden; oft, wen» er umwallt von dem weißen Reitermantel, Allen voranflvg auf flüchtigem Reimer durch die braune Haide, hat er seine Kriegsgefährten an die alten Tempelritter erinnert, die mit kleinem Häuflein den Tausenden der Sa¬ razenen furchtlos entgegcnzogen und den Barbaren zuerst Respekt einflößte», vor deutschen Arm n»d deutschem Muth. Sei» Aeußeres verkündet einen vollkommen abgeschlossenen, festen Charakter und eine nähere Bekanntschaft mit ihm be¬ stätigt diese Schlußfolge. Er ist einer jener seltenen Männer, die mit klarem Blick sich von früh auf einen geraden Weg vorgezeichnet haben, welche» sie, allen Hindernissen zum Trotz, stolz und unverrückt gehen, bis zum Ziele; eine Natur, deren Stärke niemals so gebrochen werden kann, daß sie verzagte oder sich selbst vergäße. Neben der unerschütterlichen Strenge und Thatkraft dieses Charakters, wallet aber wiederum in ihm eine Milde und Zartheit, welche ihn eben so unend¬ lich liebenswürdig wie geachtet macht. Es scheint dies einer der Grundzüge echt deutschen Wesens zu sei», welche wir mit andern Stämme» nur Seite» theilen und es mag diese fast sonderbare Vereinigung der heterogensten Charaktereigen¬ schaften zu einem harmonischen Ganzen wohl als ein Vorzug gelten. Nicht oft wird dieselbe so innigverschmolzen und nach außen abgerundet uns entgegentreten, wie in von der Tann. Man muß diesen Mann im dichteu Kugelregen und an: Bette der Verwundeten, im Qualm der Biwacht und im Damensalon gesehen haben, um ihm alle die Bewunderung zollen zu könne», die er verdient. Es mag sein, daß, wie viele behaupten, Ehrgeiz eine Haupttriebfeder seiner Handlungen, seines ganzen Gebahrens sei — jedenfalls ist das aber ein gerechtfertigter, edler

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/143>, abgerufen am 05.02.2025.