Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ehrgeiz, der ihn anspornt. Ein Charakter, wie der von der Tann's, ist frei von
niederen Schwächen und kleinlichen Leidenschaften; es ist sogar anzunehmen, daß
er große Leidenschaften nicht kennt, wenigstens weiß er sie täuschend zu decken
dnrch eine stete Ruhe und Besonnenheit, welche durch Nichts zu erschüttern ist.
Solche Männer werden selten geboren, aber sie sind zu Feldherrn geboren und
von der Tann wird eines Tages Deutschlands größter und deutschester Feld¬
herr sein.

Eine hohe, selbst classische Bildung befähigt ihn ebenso dazu, wie seine Ta¬
lente und geistigen und körperlichen Eigenschaften. Es ist allgemein bekannt, daß
er einer der kenntnißreichsten Offiziere der bairischen Armee, namentlich im Inge¬
nieur und Artilleriewesen sehr bewandert ist. Gründliche Studien und eine sorgsam
geleitete Erziehung haben ihn weit über das Niveau der gewöhnlichen Svldaten-
wissenschaftlichkeit gehoben. Viel werth war ihm in dieser Beziehung ein längerer
Aufenthalt in Griechenland, welches er mit seinem Freunde, dem jetzigen Könige
Max, damaligen Kronprinzen, bereist hat. Von der Tann's politische Richtung
ist ein gesunder, gesinnnngskräftiger Constitutionalismus, welcher auf die Lehren
der Geschichte, eigene Erfahrungen und gereifte Ansichten fußt. Es weiß den¬
selben Gegnern gegenüber vortrefflich und schlagend zu vertheidigen. Schreiber die¬
ser Zeilen, welcher gar oft mit dem interessanten Mann an demselben Tisch ge¬
gessen und dasselbe Lager im Kriegszeit mit ihm getheilt hat , erinnert sich mit
großem Vergnügen noch der lebhaften Controversen, welche gewöhnlich bei Tafel
zwischen von der Tann, dem Major von Gersdorf, dessen Adjutanten Ludolf
Wienbarg, dem Lieutnant von BoMeville n. A. stattgefunden haben. Fast jeder
der Gäste gehörte einer andern politischen Partei an, aber fast immer behielt von
der Tann den Sieg durch die ruhige Ueberlegenheit, mit welcher er die Blößen
der Leidenschaft seiner Gegcnsprecher zu erfassen und zu benutzen verstand. Er
ist zugleich ein trefflicher Redner, welcher zwar nicht begeistert, aber überzeugt,
nicht im Sturme mit fortreißt, allein mit klarer und scharfer Logik stets den Na¬
gel auf den Kopf zu treffen versteht. Keiner der Hunderte, welche sich damals
seine Kameraden nennen durften, wird die Abschiedsworte vergessen, welche er
am Abend des 6. Mai 1848 in dem festlichen Bivouak der Nyberg Mölln in Jüt-
land an sie richtete. Es waren Worte des Lebewohls eines Führers an seine
treue Schaar, -- die Freicorps waren vorläufig aufgelöst worden -- Worte des
weisen, erfahrenen Mannes an die stürmische Jngend und doch war, der sie sprach
jünger als gar Mancher uuter uns. Er stand, beleuchtet von dem riesigen Wacht¬
feuer das nach dem schwarzen Himmel züngelte, in der hellblauen Uniform, den
weißen Mantel malerisch umgeschlagen, entblößten Hauptes in der Mitte einer
Gruppe, wie uoch keines Künstlers Phantasie sie zusammenzustellen gewagt hat.
Knieend, sitzend, liegend, stehend in den mannigfaltigsten Costümen und mit blitzen¬
den Waffen umgab die Schaar den geliebten Führer, welchem sie ein nächtliches


Ehrgeiz, der ihn anspornt. Ein Charakter, wie der von der Tann's, ist frei von
niederen Schwächen und kleinlichen Leidenschaften; es ist sogar anzunehmen, daß
er große Leidenschaften nicht kennt, wenigstens weiß er sie täuschend zu decken
dnrch eine stete Ruhe und Besonnenheit, welche durch Nichts zu erschüttern ist.
Solche Männer werden selten geboren, aber sie sind zu Feldherrn geboren und
von der Tann wird eines Tages Deutschlands größter und deutschester Feld¬
herr sein.

Eine hohe, selbst classische Bildung befähigt ihn ebenso dazu, wie seine Ta¬
lente und geistigen und körperlichen Eigenschaften. Es ist allgemein bekannt, daß
er einer der kenntnißreichsten Offiziere der bairischen Armee, namentlich im Inge¬
nieur und Artilleriewesen sehr bewandert ist. Gründliche Studien und eine sorgsam
geleitete Erziehung haben ihn weit über das Niveau der gewöhnlichen Svldaten-
wissenschaftlichkeit gehoben. Viel werth war ihm in dieser Beziehung ein längerer
Aufenthalt in Griechenland, welches er mit seinem Freunde, dem jetzigen Könige
Max, damaligen Kronprinzen, bereist hat. Von der Tann's politische Richtung
ist ein gesunder, gesinnnngskräftiger Constitutionalismus, welcher auf die Lehren
der Geschichte, eigene Erfahrungen und gereifte Ansichten fußt. Es weiß den¬
selben Gegnern gegenüber vortrefflich und schlagend zu vertheidigen. Schreiber die¬
ser Zeilen, welcher gar oft mit dem interessanten Mann an demselben Tisch ge¬
gessen und dasselbe Lager im Kriegszeit mit ihm getheilt hat , erinnert sich mit
großem Vergnügen noch der lebhaften Controversen, welche gewöhnlich bei Tafel
zwischen von der Tann, dem Major von Gersdorf, dessen Adjutanten Ludolf
Wienbarg, dem Lieutnant von BoMeville n. A. stattgefunden haben. Fast jeder
der Gäste gehörte einer andern politischen Partei an, aber fast immer behielt von
der Tann den Sieg durch die ruhige Ueberlegenheit, mit welcher er die Blößen
der Leidenschaft seiner Gegcnsprecher zu erfassen und zu benutzen verstand. Er
ist zugleich ein trefflicher Redner, welcher zwar nicht begeistert, aber überzeugt,
nicht im Sturme mit fortreißt, allein mit klarer und scharfer Logik stets den Na¬
gel auf den Kopf zu treffen versteht. Keiner der Hunderte, welche sich damals
seine Kameraden nennen durften, wird die Abschiedsworte vergessen, welche er
am Abend des 6. Mai 1848 in dem festlichen Bivouak der Nyberg Mölln in Jüt-
land an sie richtete. Es waren Worte des Lebewohls eines Führers an seine
treue Schaar, — die Freicorps waren vorläufig aufgelöst worden — Worte des
weisen, erfahrenen Mannes an die stürmische Jngend und doch war, der sie sprach
jünger als gar Mancher uuter uns. Er stand, beleuchtet von dem riesigen Wacht¬
feuer das nach dem schwarzen Himmel züngelte, in der hellblauen Uniform, den
weißen Mantel malerisch umgeschlagen, entblößten Hauptes in der Mitte einer
Gruppe, wie uoch keines Künstlers Phantasie sie zusammenzustellen gewagt hat.
Knieend, sitzend, liegend, stehend in den mannigfaltigsten Costümen und mit blitzen¬
den Waffen umgab die Schaar den geliebten Führer, welchem sie ein nächtliches


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279170"/>
            <p xml:id="ID_452" prev="#ID_451"> Ehrgeiz, der ihn anspornt. Ein Charakter, wie der von der Tann's, ist frei von<lb/>
niederen Schwächen und kleinlichen Leidenschaften; es ist sogar anzunehmen, daß<lb/>
er große Leidenschaften nicht kennt, wenigstens weiß er sie täuschend zu decken<lb/>
dnrch eine stete Ruhe und Besonnenheit, welche durch Nichts zu erschüttern ist.<lb/>
Solche Männer werden selten geboren, aber sie sind zu Feldherrn geboren und<lb/>
von der Tann wird eines Tages Deutschlands größter und deutschester Feld¬<lb/>
herr sein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_453" next="#ID_454"> Eine hohe, selbst classische Bildung befähigt ihn ebenso dazu, wie seine Ta¬<lb/>
lente und geistigen und körperlichen Eigenschaften. Es ist allgemein bekannt, daß<lb/>
er einer der kenntnißreichsten Offiziere der bairischen Armee, namentlich im Inge¬<lb/>
nieur und Artilleriewesen sehr bewandert ist. Gründliche Studien und eine sorgsam<lb/>
geleitete Erziehung haben ihn weit über das Niveau der gewöhnlichen Svldaten-<lb/>
wissenschaftlichkeit gehoben. Viel werth war ihm in dieser Beziehung ein längerer<lb/>
Aufenthalt in Griechenland, welches er mit seinem Freunde, dem jetzigen Könige<lb/>
Max, damaligen Kronprinzen, bereist hat. Von der Tann's politische Richtung<lb/>
ist ein gesunder, gesinnnngskräftiger Constitutionalismus, welcher auf die Lehren<lb/>
der Geschichte, eigene Erfahrungen und gereifte Ansichten fußt. Es weiß den¬<lb/>
selben Gegnern gegenüber vortrefflich und schlagend zu vertheidigen. Schreiber die¬<lb/>
ser Zeilen, welcher gar oft mit dem interessanten Mann an demselben Tisch ge¬<lb/>
gessen und dasselbe Lager im Kriegszeit mit ihm getheilt hat , erinnert sich mit<lb/>
großem Vergnügen noch der lebhaften Controversen, welche gewöhnlich bei Tafel<lb/>
zwischen von der Tann, dem Major von Gersdorf, dessen Adjutanten Ludolf<lb/>
Wienbarg, dem Lieutnant von BoMeville n. A. stattgefunden haben. Fast jeder<lb/>
der Gäste gehörte einer andern politischen Partei an, aber fast immer behielt von<lb/>
der Tann den Sieg durch die ruhige Ueberlegenheit, mit welcher er die Blößen<lb/>
der Leidenschaft seiner Gegcnsprecher zu erfassen und zu benutzen verstand. Er<lb/>
ist zugleich ein trefflicher Redner, welcher zwar nicht begeistert, aber überzeugt,<lb/>
nicht im Sturme mit fortreißt, allein mit klarer und scharfer Logik stets den Na¬<lb/>
gel auf den Kopf zu treffen versteht. Keiner der Hunderte, welche sich damals<lb/>
seine Kameraden nennen durften, wird die Abschiedsworte vergessen, welche er<lb/>
am Abend des 6. Mai 1848 in dem festlichen Bivouak der Nyberg Mölln in Jüt-<lb/>
land an sie richtete. Es waren Worte des Lebewohls eines Führers an seine<lb/>
treue Schaar, &#x2014; die Freicorps waren vorläufig aufgelöst worden &#x2014; Worte des<lb/>
weisen, erfahrenen Mannes an die stürmische Jngend und doch war, der sie sprach<lb/>
jünger als gar Mancher uuter uns. Er stand, beleuchtet von dem riesigen Wacht¬<lb/>
feuer das nach dem schwarzen Himmel züngelte, in der hellblauen Uniform, den<lb/>
weißen Mantel malerisch umgeschlagen, entblößten Hauptes in der Mitte einer<lb/>
Gruppe, wie uoch keines Künstlers Phantasie sie zusammenzustellen gewagt hat.<lb/>
Knieend, sitzend, liegend, stehend in den mannigfaltigsten Costümen und mit blitzen¬<lb/>
den Waffen umgab die Schaar den geliebten Führer, welchem sie ein nächtliches</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0144] Ehrgeiz, der ihn anspornt. Ein Charakter, wie der von der Tann's, ist frei von niederen Schwächen und kleinlichen Leidenschaften; es ist sogar anzunehmen, daß er große Leidenschaften nicht kennt, wenigstens weiß er sie täuschend zu decken dnrch eine stete Ruhe und Besonnenheit, welche durch Nichts zu erschüttern ist. Solche Männer werden selten geboren, aber sie sind zu Feldherrn geboren und von der Tann wird eines Tages Deutschlands größter und deutschester Feld¬ herr sein. Eine hohe, selbst classische Bildung befähigt ihn ebenso dazu, wie seine Ta¬ lente und geistigen und körperlichen Eigenschaften. Es ist allgemein bekannt, daß er einer der kenntnißreichsten Offiziere der bairischen Armee, namentlich im Inge¬ nieur und Artilleriewesen sehr bewandert ist. Gründliche Studien und eine sorgsam geleitete Erziehung haben ihn weit über das Niveau der gewöhnlichen Svldaten- wissenschaftlichkeit gehoben. Viel werth war ihm in dieser Beziehung ein längerer Aufenthalt in Griechenland, welches er mit seinem Freunde, dem jetzigen Könige Max, damaligen Kronprinzen, bereist hat. Von der Tann's politische Richtung ist ein gesunder, gesinnnngskräftiger Constitutionalismus, welcher auf die Lehren der Geschichte, eigene Erfahrungen und gereifte Ansichten fußt. Es weiß den¬ selben Gegnern gegenüber vortrefflich und schlagend zu vertheidigen. Schreiber die¬ ser Zeilen, welcher gar oft mit dem interessanten Mann an demselben Tisch ge¬ gessen und dasselbe Lager im Kriegszeit mit ihm getheilt hat , erinnert sich mit großem Vergnügen noch der lebhaften Controversen, welche gewöhnlich bei Tafel zwischen von der Tann, dem Major von Gersdorf, dessen Adjutanten Ludolf Wienbarg, dem Lieutnant von BoMeville n. A. stattgefunden haben. Fast jeder der Gäste gehörte einer andern politischen Partei an, aber fast immer behielt von der Tann den Sieg durch die ruhige Ueberlegenheit, mit welcher er die Blößen der Leidenschaft seiner Gegcnsprecher zu erfassen und zu benutzen verstand. Er ist zugleich ein trefflicher Redner, welcher zwar nicht begeistert, aber überzeugt, nicht im Sturme mit fortreißt, allein mit klarer und scharfer Logik stets den Na¬ gel auf den Kopf zu treffen versteht. Keiner der Hunderte, welche sich damals seine Kameraden nennen durften, wird die Abschiedsworte vergessen, welche er am Abend des 6. Mai 1848 in dem festlichen Bivouak der Nyberg Mölln in Jüt- land an sie richtete. Es waren Worte des Lebewohls eines Führers an seine treue Schaar, — die Freicorps waren vorläufig aufgelöst worden — Worte des weisen, erfahrenen Mannes an die stürmische Jngend und doch war, der sie sprach jünger als gar Mancher uuter uns. Er stand, beleuchtet von dem riesigen Wacht¬ feuer das nach dem schwarzen Himmel züngelte, in der hellblauen Uniform, den weißen Mantel malerisch umgeschlagen, entblößten Hauptes in der Mitte einer Gruppe, wie uoch keines Künstlers Phantasie sie zusammenzustellen gewagt hat. Knieend, sitzend, liegend, stehend in den mannigfaltigsten Costümen und mit blitzen¬ den Waffen umgab die Schaar den geliebten Führer, welchem sie ein nächtliches

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/144
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/144>, abgerufen am 05.02.2025.