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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Denn wenn man einmal der Nationalversammlung das Recht zuerkennt, die
deutsche Verfassung ohne Mitwirkung der Regierungen endgiltig festzustellen, so
kam: die Anerkennung einer Regierung durchaus nicht die Bedeutung haben, daß
sie derselben ihre Zustimmung gibt, denn dieser bedars es nicht. Sie kann ferner
auch nicht die Bedeutung haben, daß sie dieselbe durch den Beschluß der Natio¬
nalversammlung blos in ihrem eignen Gebiete als giltig anerkenne, wonach die
Wirksamkeit der Anerkennung von dem Beitritte der andern Staaten abhängig
wäre, so daß, wenn dieser nicht von Seiten aller erfolgt, die Anerkennung ent¬
weder gar keine Wirkung haben solle, wie der König von Würtemberg wirklich
einen derartigen Vorbehalt in seiue Anerkennung ausgenommen wissen wollte, oder
daß die anerkennenden Regierungen alsdann höchstens gehalten wären, eine Ver¬
bindung unter einander zu einem uoch kleinern Kleindeutschland einzugehen, in
ähnlicher Weise, wie es in der Drei-Könige-Verfassung festgesetzt ist. Sondern
da die Reichsverfassung selbst den Umfang des Reichsgebietes bestimmt, so ver¬
steht es sich von selbst, daß eine Regierung, welche dieselbe unbedingt anerkennt,
hierdurch erkläre: daß sie diese Verfassung im ganzen Umfange des Reichsgebietes,
also auch in jenen Ländern, deren Regierungen sie nicht anerkannt haben, als
giltig erkenne. Wenn demnach die badische Regierung die Reichsverfassung aner¬
kannt hat, so hat sie dadurch erklärt, daß sie dieselbe nicht nur in Baden, sondern
auch in Preußen, Baiern, Sachsen und Hannover als giltig betrachte und dem¬
gemäß handeln werde. Die nicht anerkennenden Regierungen dieser Länder waren
also für sie als im Aufstande gegen das Reich zu betrachten.

Die Aufstände in Dresden, Elberfeld und der Pfalz mußten als völlig legitim
die Barrikadenkämpfer als' Vertheidiger des Gesetzes und der Ordnung und die
gegen sie operirenden Soldaten als Rebellen erscheinen. Baden, wie jede andere
der acht und zwanzig Regierungen war demnach verpflichtet ans Aufforderung der
Centralgewalt Executionstrnppen nach Preußen zu schicken, und den Pfälzern die
Neichshilfe gegen die baierischen Rebellen ebenso zu leisten, wie sie ihm selbst im
vorigen Jahre von andern Staaten zu Theil geworden war. Kann aber irgend
jemand glauben, die großherzoglich badische Negierung werde sich herbeigelassen
haben, aus ihrer Anerkennung diese praktischen Consequenzen zu ziehen? DaS
Benehmen der würtembergischen Regierung gegen das Parlament und die Regent¬
schaft und das der andern sieben und zwanzig zeigt genugsam, was von diesen
Anerkennungen zu halten ist. Und es ist diesen kleinen Staaten nicht zu verar¬
gen, daß sie um der Reichsverfassung willen keinen Krieg gegen Preußen wagen
wollen. Denn ein solcher Krieg wäre für sie allerdings eine sehr bedenkliche Sache.
Aber man wird es auch begreiflich finden, wenn in den Augen derjenigen, die
später wirklich mit den bloßen Streitkräften des kleinen Badens und der Pfalz
den Kampf gegen die vereinte Macht fast aller andern deutschen Staaten wagten,
diese Bedenklichkeiten weniger bedeutend erschienen, und man den badischen Auf-


Denn wenn man einmal der Nationalversammlung das Recht zuerkennt, die
deutsche Verfassung ohne Mitwirkung der Regierungen endgiltig festzustellen, so
kam: die Anerkennung einer Regierung durchaus nicht die Bedeutung haben, daß
sie derselben ihre Zustimmung gibt, denn dieser bedars es nicht. Sie kann ferner
auch nicht die Bedeutung haben, daß sie dieselbe durch den Beschluß der Natio¬
nalversammlung blos in ihrem eignen Gebiete als giltig anerkenne, wonach die
Wirksamkeit der Anerkennung von dem Beitritte der andern Staaten abhängig
wäre, so daß, wenn dieser nicht von Seiten aller erfolgt, die Anerkennung ent¬
weder gar keine Wirkung haben solle, wie der König von Würtemberg wirklich
einen derartigen Vorbehalt in seiue Anerkennung ausgenommen wissen wollte, oder
daß die anerkennenden Regierungen alsdann höchstens gehalten wären, eine Ver¬
bindung unter einander zu einem uoch kleinern Kleindeutschland einzugehen, in
ähnlicher Weise, wie es in der Drei-Könige-Verfassung festgesetzt ist. Sondern
da die Reichsverfassung selbst den Umfang des Reichsgebietes bestimmt, so ver¬
steht es sich von selbst, daß eine Regierung, welche dieselbe unbedingt anerkennt,
hierdurch erkläre: daß sie diese Verfassung im ganzen Umfange des Reichsgebietes,
also auch in jenen Ländern, deren Regierungen sie nicht anerkannt haben, als
giltig erkenne. Wenn demnach die badische Regierung die Reichsverfassung aner¬
kannt hat, so hat sie dadurch erklärt, daß sie dieselbe nicht nur in Baden, sondern
auch in Preußen, Baiern, Sachsen und Hannover als giltig betrachte und dem¬
gemäß handeln werde. Die nicht anerkennenden Regierungen dieser Länder waren
also für sie als im Aufstande gegen das Reich zu betrachten.

Die Aufstände in Dresden, Elberfeld und der Pfalz mußten als völlig legitim
die Barrikadenkämpfer als' Vertheidiger des Gesetzes und der Ordnung und die
gegen sie operirenden Soldaten als Rebellen erscheinen. Baden, wie jede andere
der acht und zwanzig Regierungen war demnach verpflichtet ans Aufforderung der
Centralgewalt Executionstrnppen nach Preußen zu schicken, und den Pfälzern die
Neichshilfe gegen die baierischen Rebellen ebenso zu leisten, wie sie ihm selbst im
vorigen Jahre von andern Staaten zu Theil geworden war. Kann aber irgend
jemand glauben, die großherzoglich badische Negierung werde sich herbeigelassen
haben, aus ihrer Anerkennung diese praktischen Consequenzen zu ziehen? DaS
Benehmen der würtembergischen Regierung gegen das Parlament und die Regent¬
schaft und das der andern sieben und zwanzig zeigt genugsam, was von diesen
Anerkennungen zu halten ist. Und es ist diesen kleinen Staaten nicht zu verar¬
gen, daß sie um der Reichsverfassung willen keinen Krieg gegen Preußen wagen
wollen. Denn ein solcher Krieg wäre für sie allerdings eine sehr bedenkliche Sache.
Aber man wird es auch begreiflich finden, wenn in den Augen derjenigen, die
später wirklich mit den bloßen Streitkräften des kleinen Badens und der Pfalz
den Kampf gegen die vereinte Macht fast aller andern deutschen Staaten wagten,
diese Bedenklichkeiten weniger bedeutend erschienen, und man den badischen Auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/132>, abgerufen am 05.02.2025.