Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.wenn man nicht anders annimmt, daß die badischen Soldaten diesen Charakter Man wird es daher erklärlich finden, wenn ein Mensch, der sich weder höherer Zwar hat man uns darauf aufmerksam gemacht, daß viele von den Männern, Ferner legt mau viel Nachdruck darauf, daß Baden die Reichsverfassung be¬ Dieser Vorwurf hat allerdings einigen Grund. Wenn man die Sache jedoch 16*
wenn man nicht anders annimmt, daß die badischen Soldaten diesen Charakter Man wird es daher erklärlich finden, wenn ein Mensch, der sich weder höherer Zwar hat man uns darauf aufmerksam gemacht, daß viele von den Männern, Ferner legt mau viel Nachdruck darauf, daß Baden die Reichsverfassung be¬ Dieser Vorwurf hat allerdings einigen Grund. Wenn man die Sache jedoch 16*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279157"/> <p xml:id="ID_407" prev="#ID_406"> wenn man nicht anders annimmt, daß die badischen Soldaten diesen Charakter<lb/> verloren haben, weil sie die Reichsverfassung beschworen, und vielleicht, wenn es<lb/> darauf ankäme, ein deutsches Parlament auseinander zu jagen, weniger verläßlich<lb/> wären als andere Reichstruppen. Von Anarchie ist ebenfalls nichts zu bemerken,<lb/> vielmehr ist das Land in Kriegszustand erklärt, das Standrecht proclamirt und<lb/> die Bürgerwehren an vielen Orten entwafflict worden. Was könnten selbst die<lb/> Herren Brandenburg und Manteuffel mehr für Ruhe, Ordnung und Sicher¬<lb/> heit thun?</p><lb/> <p xml:id="ID_408"> Man wird es daher erklärlich finden, wenn ein Mensch, der sich weder höherer<lb/> Inspiration erfreut, noch mit besondern: politischen Scharfsinn begabt ist, auf den<lb/> Gedanken geräth, daß es am Ende den Leuten in Baden vielleicht doch nur um<lb/> die Reichsverfassung zu thun sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_409"> Zwar hat man uns darauf aufmerksam gemacht, daß viele von den Männern,<lb/> die an jener Bewegung einen so eifrigen Antheil nehmen, ihren bekannten Grund¬<lb/> sätzen nach mit manchen der wichtigsten Bestimmungen der Reichsverfassung, z. B.<lb/> dem erblichen Kaiserthume nicht übereinstimmen können. Wodurch man, wenn wir<lb/> anders den Wink recht'verstehen, andeuten will, daß, da man doch nicht anneh¬<lb/> men kann, daß sie gewaltsam eine Verfassung einführen wollen, die sie selbst für<lb/> schlecht und der Volksfreiheit gefährlich halten, es sehr wahrscheinlich ist, daß sie<lb/> dieselbe jetzt nur als Vorwand für eine Revolution von ganz anderer Tendenz<lb/> mißbrauchen. Uns jedoch erscheint die Sache nicht in diesem Lichte. Die Reichs¬<lb/> verfassung, wie sie jetzt vorliegt, war das Resultat eines Vergleiches zwischen den<lb/> verschiedenen Parteien, wobei, damit das Werk zu Stande komme, jede etwas<lb/> von ihren Forderungen aufopferte. Wenn also jetzt die Linke und ihre Anhänger<lb/> an der Verfassung festhalten, ungeachtet sie in einzelnen Punkten ihrem Geschmacke<lb/> nicht zusagt, so finden wir dieses Unterordnen der subjectiven Ueberzeugung unter<lb/> deu Beschluß der Majorität weit patriotischer, als wenn sie sich deshalb grollend<lb/> zurückgezogen hätten.</p><lb/> <p xml:id="ID_410"> Ferner legt mau viel Nachdruck darauf, daß Baden die Reichsverfassung be¬<lb/> reits früher anerkannt hatte, daß also wenigstens in diesem Lande der Aufstand<lb/> untrüglich den Zweck haben konnte, diese Auerte»mung zu erzwingen. Wenn er<lb/> also dennoch anch hier ausbrach, so beweise dies, daß die Bewegungspartei durch<lb/> die Einführung der Reichsverfassung noch nicht befriedigt sei, daß sie noch einen<lb/> weitern darüber hinausgehenden Zweck verfolge, und es sei daher die Annahme<lb/> gerechtfertigt, daß auch in jenen Staaten, welche diese Verfassung nicht angenom¬<lb/> men, die Agitation für dieselbe uur der Vorwand für andere revolutionäre<lb/> Zwecke sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_411"> Dieser Vorwurf hat allerdings einigen Grund. Wenn man die Sache jedoch<lb/> vom rechten Standpunkte aus betrachtet, so erscheint der Aufstand selbst in Baden<lb/> nicht ganz unmotivirt.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 16*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0131]
wenn man nicht anders annimmt, daß die badischen Soldaten diesen Charakter
verloren haben, weil sie die Reichsverfassung beschworen, und vielleicht, wenn es
darauf ankäme, ein deutsches Parlament auseinander zu jagen, weniger verläßlich
wären als andere Reichstruppen. Von Anarchie ist ebenfalls nichts zu bemerken,
vielmehr ist das Land in Kriegszustand erklärt, das Standrecht proclamirt und
die Bürgerwehren an vielen Orten entwafflict worden. Was könnten selbst die
Herren Brandenburg und Manteuffel mehr für Ruhe, Ordnung und Sicher¬
heit thun?
Man wird es daher erklärlich finden, wenn ein Mensch, der sich weder höherer
Inspiration erfreut, noch mit besondern: politischen Scharfsinn begabt ist, auf den
Gedanken geräth, daß es am Ende den Leuten in Baden vielleicht doch nur um
die Reichsverfassung zu thun sei.
Zwar hat man uns darauf aufmerksam gemacht, daß viele von den Männern,
die an jener Bewegung einen so eifrigen Antheil nehmen, ihren bekannten Grund¬
sätzen nach mit manchen der wichtigsten Bestimmungen der Reichsverfassung, z. B.
dem erblichen Kaiserthume nicht übereinstimmen können. Wodurch man, wenn wir
anders den Wink recht'verstehen, andeuten will, daß, da man doch nicht anneh¬
men kann, daß sie gewaltsam eine Verfassung einführen wollen, die sie selbst für
schlecht und der Volksfreiheit gefährlich halten, es sehr wahrscheinlich ist, daß sie
dieselbe jetzt nur als Vorwand für eine Revolution von ganz anderer Tendenz
mißbrauchen. Uns jedoch erscheint die Sache nicht in diesem Lichte. Die Reichs¬
verfassung, wie sie jetzt vorliegt, war das Resultat eines Vergleiches zwischen den
verschiedenen Parteien, wobei, damit das Werk zu Stande komme, jede etwas
von ihren Forderungen aufopferte. Wenn also jetzt die Linke und ihre Anhänger
an der Verfassung festhalten, ungeachtet sie in einzelnen Punkten ihrem Geschmacke
nicht zusagt, so finden wir dieses Unterordnen der subjectiven Ueberzeugung unter
deu Beschluß der Majorität weit patriotischer, als wenn sie sich deshalb grollend
zurückgezogen hätten.
Ferner legt mau viel Nachdruck darauf, daß Baden die Reichsverfassung be¬
reits früher anerkannt hatte, daß also wenigstens in diesem Lande der Aufstand
untrüglich den Zweck haben konnte, diese Auerte»mung zu erzwingen. Wenn er
also dennoch anch hier ausbrach, so beweise dies, daß die Bewegungspartei durch
die Einführung der Reichsverfassung noch nicht befriedigt sei, daß sie noch einen
weitern darüber hinausgehenden Zweck verfolge, und es sei daher die Annahme
gerechtfertigt, daß auch in jenen Staaten, welche diese Verfassung nicht angenom¬
men, die Agitation für dieselbe uur der Vorwand für andere revolutionäre
Zwecke sei.
Dieser Vorwurf hat allerdings einigen Grund. Wenn man die Sache jedoch
vom rechten Standpunkte aus betrachtet, so erscheint der Aufstand selbst in Baden
nicht ganz unmotivirt.
16*
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