Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.zu der eben so traurigen als lächerlichen Schlußscene der deutschen Revolution Herr Brentano gehörte zur Hecker'scheu Partei, aber ohne ihre Consequenzen Ju der Nationalversammlung hat er sich, abgesehen davon, daß er von Zeit Daß er der intellectuelle Urheber der neuesten Bewegung gewesen, glaube Einerseits wird es ihm wohl schmeichelhaft gewesen sein, die hohe Stellung zu der eben so traurigen als lächerlichen Schlußscene der deutschen Revolution Herr Brentano gehörte zur Hecker'scheu Partei, aber ohne ihre Consequenzen Ju der Nationalversammlung hat er sich, abgesehen davon, daß er von Zeit Daß er der intellectuelle Urheber der neuesten Bewegung gewesen, glaube Einerseits wird es ihm wohl schmeichelhaft gewesen sein, die hohe Stellung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279142"/> <p xml:id="ID_368" prev="#ID_367"> zu der eben so traurigen als lächerlichen Schlußscene der deutschen Revolution<lb/> Veranlassung gegeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_369"> Herr Brentano gehörte zur Hecker'scheu Partei, aber ohne ihre Consequenzen<lb/> zu theilen, d, h. er predigte mit ihnen die bewaffnete Erhebung des Volks, nahm<lb/> aber, wenn es dazu kam, an derselben keinen Theil. Er faud sich alsdann, so¬<lb/> bald das Unternehmen mißglückte, in der sehr angenehmen Position, durch warme<lb/> Vertheidigung der Angeklagten — er ist seiner Profession uach Advokat — neue<lb/> Kränze der Popularität um sein Haupt zu sammeln. Er war deshalb einer der<lb/> anerkanntesten VoWmäuuer Badens, und die Stadt Mannheim hat ihn mehrmals<lb/> zum Bürgermeister gewählt, obgleich ihm jedesmal die Negierung ihre Bestätigung<lb/> versagte.</p><lb/> <p xml:id="ID_370"> Ju der Nationalversammlung hat er sich, abgesehen davon, daß er von Zeit<lb/> zu Zeit die Legitimität der Wahl seines großen Freundes Hecker vertrat, uur durch<lb/> die eine bekannte Scene, die er veranlaßte, ausgezeichnet: das erste Erscheinen des<lb/> preußischen Selbstgefühls, hervorgerufen durch seinen eben so brutalen als unmo-<lb/> tivirteu Ausfall auf deu Prinzen von Preußen.</p><lb/> <p xml:id="ID_371"> Daß er der intellectuelle Urheber der neuesten Bewegung gewesen, glaube<lb/> ich uicht; er hat, wie die andern Demagogen auch, von Zeit Reden -l I-r Jacob<lb/> Nadicke gehalten, worin im Allgemeinen das Volk aufgemuntert wurde, wach zu<lb/> sein gegen die Tyrannen, aber eigentlich hat sich der Aufstand von selbst gemacht.<lb/> Das Volk und namentlich die Soldaten waren verwildert durch die fortwähreudsn<lb/> Freischaarenzüge, Vvlksversamlungen n. dergl. und unzufrieden mit der geringen<lb/> Rolle, die sie spielten, die Regierung selbst war sehr schwach und so mußte wohl<lb/> der Ausbruch früher oder später erfolgen. Die Renitenz der Könige war die<lb/> willkommene Veranlassung und Brentano der allgemein bekannte Name, den mau<lb/> an die Spitze feste, um doch eiuen Namen zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_372"> Einerseits wird es ihm wohl schmeichelhaft gewesen sein, die hohe Stellung<lb/> eiues Dictators zu bekleiden, Minister und Generale zu ernennen, Ordonnanzen<lb/> zu erlassen, Revuen abzuhalten, Pässe zu ertheilen u. dergl., aber es ist ihm<lb/> wohl'auch von Anfang an unheimlich zu Muthe gewesen; denn ein vollständiger<lb/> Schwärmer, wie die jungen Leute, die wir neben ihm in der Function vou Dic¬<lb/> tatoren, Ministern und Generalen erblicke», war er uicht, dazu war er zu alt,<lb/> und ein verzweifelter Abenteurer, dem es darauf angekommen wäre, nur rasch die<lb/> Augenblicke zu benutzen und sich dann aus dem Staube zu machen, ebensowenig.<lb/> Er hatte sich in die Revolution hineingeredet und mußte sie nun über sich ergehe»<lb/> lassen, bon Fie mal Er beschäftigte sich eingestand lieh damit, vo» Zeit<lb/> zu Zeit sich in dem angemessenen Kostüm sehen zu lasse» und im Uebrigen Nichts<lb/> zu thun, da keiner auf den reactionären Dictator hören wollte, der zwar früher<lb/> daS Evangelium der abstracten Guillotine verkündigt hatte, nun aber doch säumig<lb/> war, sich im Detail dafür zu interessiren.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
zu der eben so traurigen als lächerlichen Schlußscene der deutschen Revolution
Veranlassung gegeben.
Herr Brentano gehörte zur Hecker'scheu Partei, aber ohne ihre Consequenzen
zu theilen, d, h. er predigte mit ihnen die bewaffnete Erhebung des Volks, nahm
aber, wenn es dazu kam, an derselben keinen Theil. Er faud sich alsdann, so¬
bald das Unternehmen mißglückte, in der sehr angenehmen Position, durch warme
Vertheidigung der Angeklagten — er ist seiner Profession uach Advokat — neue
Kränze der Popularität um sein Haupt zu sammeln. Er war deshalb einer der
anerkanntesten VoWmäuuer Badens, und die Stadt Mannheim hat ihn mehrmals
zum Bürgermeister gewählt, obgleich ihm jedesmal die Negierung ihre Bestätigung
versagte.
Ju der Nationalversammlung hat er sich, abgesehen davon, daß er von Zeit
zu Zeit die Legitimität der Wahl seines großen Freundes Hecker vertrat, uur durch
die eine bekannte Scene, die er veranlaßte, ausgezeichnet: das erste Erscheinen des
preußischen Selbstgefühls, hervorgerufen durch seinen eben so brutalen als unmo-
tivirteu Ausfall auf deu Prinzen von Preußen.
Daß er der intellectuelle Urheber der neuesten Bewegung gewesen, glaube
ich uicht; er hat, wie die andern Demagogen auch, von Zeit Reden -l I-r Jacob
Nadicke gehalten, worin im Allgemeinen das Volk aufgemuntert wurde, wach zu
sein gegen die Tyrannen, aber eigentlich hat sich der Aufstand von selbst gemacht.
Das Volk und namentlich die Soldaten waren verwildert durch die fortwähreudsn
Freischaarenzüge, Vvlksversamlungen n. dergl. und unzufrieden mit der geringen
Rolle, die sie spielten, die Regierung selbst war sehr schwach und so mußte wohl
der Ausbruch früher oder später erfolgen. Die Renitenz der Könige war die
willkommene Veranlassung und Brentano der allgemein bekannte Name, den mau
an die Spitze feste, um doch eiuen Namen zu haben.
Einerseits wird es ihm wohl schmeichelhaft gewesen sein, die hohe Stellung
eiues Dictators zu bekleiden, Minister und Generale zu ernennen, Ordonnanzen
zu erlassen, Revuen abzuhalten, Pässe zu ertheilen u. dergl., aber es ist ihm
wohl'auch von Anfang an unheimlich zu Muthe gewesen; denn ein vollständiger
Schwärmer, wie die jungen Leute, die wir neben ihm in der Function vou Dic¬
tatoren, Ministern und Generalen erblicke», war er uicht, dazu war er zu alt,
und ein verzweifelter Abenteurer, dem es darauf angekommen wäre, nur rasch die
Augenblicke zu benutzen und sich dann aus dem Staube zu machen, ebensowenig.
Er hatte sich in die Revolution hineingeredet und mußte sie nun über sich ergehe»
lassen, bon Fie mal Er beschäftigte sich eingestand lieh damit, vo» Zeit
zu Zeit sich in dem angemessenen Kostüm sehen zu lasse» und im Uebrigen Nichts
zu thun, da keiner auf den reactionären Dictator hören wollte, der zwar früher
daS Evangelium der abstracten Guillotine verkündigt hatte, nun aber doch säumig
war, sich im Detail dafür zu interessiren.
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